Das Deutsche Archiv für Kulinarik soll die Forschung zu Kochkunst, Tafel- und Esskultur fördern. Es wurde am Montag von der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB) und der Technischen Universität (TU) in Dresden gegründet. Basis ist die an der SLUB vorhandene und bundesweit einzigartige Sammlung zu diesen Themen. Der Bestand soll auch durch weitere Ankäufe wachsen und parallel inter- und transdisziplinär erforscht werden, sagte SLUB-Generaldirektorin Katrin Stump. Dazu würden Menükarten, Handschriften sowie Bücher digitalisiert, wissenschaftlich erschlossen und über ein eigenes Kulinarik-Portal online zugänglich gemacht.
Ort für gesellschaftliche Diskurse
Das „Food Studio“ soll zugleich auch Ort des gesellschaftlichen Diskurses über Ernährung und Esskultur sein. Dort haben in der Vergangenheit Teile des Bestandes gelagert. So werden Ernährung und Tafelkultur auch hinsichtlich der Sprache und bis zur Technikgeschichte und Lebensmittelchemie betrachtet. Dresden sei prädestiniert, auf die kulinarische Tradition in Deutschland aufmerksam zu machen, sagte Professor Josef Mazerath, der an der TU zur Ernährungsgeschichte forscht. Die Stadt habe wegen des Hofs eine Kochtradition, die sich bis ins 16. Jahrhundert gut zurückverfolgen lasse.
Die SLUB hat in der Vergangenheit mit dem Ankauf von Büchern, Handschriften, Menükarten, Grafiken oder Fotos eine umfangreiche Sammlung zu Kulinarik zusammengetragen. Dazu gehören der Nachlass des Gastronomiekritikers Wolfram Siebeck mit Speise- und Menükarten der prominentesten französischen Köche wie Paul Bocuse oder Alain Chapel. Außerdem gehören die Sammlungen von Ernst Birsner, Chefkoch des Burda-Kochstudios, mit über 40 000 Menü- und Speisekarten deutscher und europäischer Fürsten- und Königshäuser des 19. und 20. Jahrhunderts und des ersten deutschen 3-Sterne-Kochs Herbert Schönberner.
Katrin Stump, Generaldirektorin der SLUB Dresden, sagte: „Gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Kultur entwickeln wir das Deutsche Archiv der Kulinarik in den kommenden Jahren als Living Archive kontinuierlich weiter.
Dafür werden wir Menükarten, Handschriften und Bücher digitalisieren, wissenschaftlich erschließen und über ein eigenes Kulinarik-Portal weltweit online zugänglich machen. Mit Veranstaltungen und Ausstellungen für ein breites Publikum wollen wir darüber hinaus den gesellschaftlichen Diskurs rund um die Themen Ernährung und Kulinarik beleben und somit das Deutsche Archiv der Kulinarik als einen zentralen Akteur für Forschung, Lehre und Wissenstransfer in die Gesellschaft etablieren.“
Die umfangreiche Kulinaria-Sammlung bildet die Grundlage für die inter- und transdisziplinäre Forschung in den Geistes-, Kultur- und Naturwissenschaften rund um die Themen Kochkunst, Tafelkultur und Ernährungskunde und deren Wirken in Kultur und Gesellschaft über die Zeiten, wie sie bereits erfolgreich an der TU Dresden etabliert ist.
Prof. Dr. Ursula M. Staudinger, Rektorin der Exzellenzuniversität TU Dresden, führte aus: „Ich sehe großes Potential, dass wir in Dresden über Fachgrenzen hinweg daran arbeiten, die wissenschaftlichen Grundlagen der Kulinarik besser zu verstehen. Hier wollen wir die gesellschaftliche Relevanz der kulinarischen Ästhetik und die historische Bedeutung von Kochkunst und Tafelkultur erforschen – vom Produkt über die Herstellung bis zur Präsentation und zum Ambiente der Verkostung, aber eben auch mit den naturwissenschaftlichen Aspekten wie Geschmack und Geruch. So wie sich die Wissenschaften mit Musik, darstellender Kunst, Literatur oder der Architektur befassen, muss es auch eine Erforschung der Kulinarik und ihrer Geschichte geben. Dafür ist das Deutsche Archiv der Kulinarik von größter Bedeutung.“
Prof. Dr. Andreas Rutz von der Professur für Sächsische Landesgeschichte an der TU Dresden betonte, dass Dresden auch mit Blick auf die Geschichte als Standort für das Deutsche Archiv der Kulinarik prädestiniert ist: „In Dresden und Sachsen gibt es seit langer Zeit eine besondere Tradition der Kochkunst und Esskultur, die sich in der Tafelkultur des Dresdner Hofes und seinem Umfeld, aber auch einer im 19. Jahrhundert blühenden Restaurantkultur widerspiegelt. Auch die Gastrosophie ist mit dem Standort eng verbunden, publizierte doch der in Reinhardtsgrimma geborene und in Dresden gestorbene Carl Friedrich von Rumohr im Jahr 1822 als erster Europäer eine systematische Kochkunsttheorie – den ‚Geist der Kochkunst‘.“
Kalbsbries Rumohr
Anlässlich des 200-jährigen Jubiläums dieser Publikation kamen am 10. und 11. Oktober Wissenschaftler:innen aus Deutschland und der Schweiz in der SLUB Dresden zusammen, um an von Rumohrs Kulinarik zu erinnern und die Produktion von Nahrungs- und Genussmitteln, die Alltagskost der damaligen Zeit sowie die hohe Kochkunst und Tafelkultur am Beginn der Moderne zu diskutieren. Der Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann nannte in Erinnerung an den Gastrosophen Carl Friedrich von Rumohr eines seiner erfolgreichsten Gerichte „Kalbsbries Rumohr“. Anlässlich der Gründung des Deutschen Archivs der Kulinarik widmen SLUB Dresden und TU Dresden Eckart Witzigmanns Kalbsbries Rumohr eine Ausstellung, die am 10. Oktober im Beisein von Eckart Witzigmann eröffnet wurde.