Barbara Maier

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Eine schöne Legende.

Endlich wieder Weihnachtsgans
14. Dezember 2018

Weihnachten steht vor der Tür und es heißt in sehr vielen Haushalten und Restaurants: „Endlich wieder Weihnachtsgans“. Für viele beginnt die Weihnachtsganssaison schon am 11. November zum St. Martins Tag. Grund für diesen Brauch ist die Legende um den Heiligen Sankt Martin, der in einem Gänsestall Zuflucht suchte, als ihn die Bürger zum Bischof weihen wollten. Die Gänse schnatterten lauthals und verrieten Martin dadurch. Deswegen heißt es im Volksmund auch: „Die Gänse haben St. Martin verraten, deswegen müssen sie nun im Ofen braten“. Eine schöne Legende. Doch die wahrscheinlichere Erklärung für die traditionelle „Martinsgans“: Am Martinstag, der das Ende des Erntejahres markiert, mussten die Bauern ihren „Zehnten“ an die Lehnsherren entrichten, und zwar meistens als Naturalabgabe, wozu seit dem 13. Jahrhundert (bevorzugt) Gänse zählten.

© Ingo Wandmacher

Tradition mit Genuss

Obwohl heute immer wieder das Ende der (fetten) Weihnachtsgans propagiert wird, schieben Jahr für Jahr immer mehr Deutsche das liebe Federvieh in die Röhre. Der schöne Vogel führt mit 25 Prozent die deutsche „Weihnachtsbraten-Statistik“ an. Tradition und Genuss obsiegen. Dagegen ist nichts einzuwenden, also folgen auch wir zu Weihnachten der Tradition und kochen ein Festmahl mit einer schleswig-holsteinischen Gans. Natürlich mit einer Freilandgans, die ohne künstliche Masthilfe auskommt und ihre vier bis fünf Kilo auf die Waage bringt. Doch die „glücklichen“ Gänse, die in artgerechter Haltung auf einer Wiese, möglichst mit großer Wasserstelle, 22 Wochen Zeit haben, einfach sie selbst zu sein und so ganz nebenbei auch zu wachsen und sich zu einer stattlichen, vom Kunden begehrten Gans zu entwickeln, sind weit in der Minderzahl.

Weit in der Überzahl ist trauriger Weise die Art von Gans, die ihr Leben in lichtlosen Hallen eingesperrt und mit energiereichem Futter ihr Dasein fristen muss. In einer schnellen Mast (12 bis 16 Wochen, in der Kurzmast schon nach neun Wochen) wird sie zur Schlachtreife gebracht.

Diese Fütterung macht den Körper schwerer als ihn die Beine tragen können; eine Folge davon sind Deformationen der Knochen. Die intensive Besatzdichte führt zu schlechter Luft, in der sich die Augen entzünden. Das Gefieder verklebt in der Fäkalien getränkten Einstreu. Ohne Gras, ohne Auslauf und ohne Wasser, um darin zu baden oder gar zu Schwimmen. Dass Gänse Wasservögel sind, scheint hier niemanden zu interessieren.

Für die kommerzielle Gänsemast werden vorherrschend zwei Arten verwendet: die Linien und die Linienhybriden. Aber es gibt auch Gänse der „dritten Art“ – unsere Wildgänse! Sie leben in und mit der Natur, ohne Begrenzungen von Zeit und Raum und ihnen geht Weihnachten einfach am Bürzel vorbei.


Beißender Geruch aus dem Ofen

Eine „unglückliche“ Gans erkennt der Feinschmecker, wie schon Großmutter wusste, am beißenden Rauch, der beim Garen aus dem Offen dringt und in unseren Augen brennt. Nicht selten wird dadurch auf dem Flur der Rauchmelder ausgelöst. Auch spritzt das tropfende Fett einer solchen Gans in viel größeren Mengen kreuz und quer durch unseren Backofen. Schenkt man dieser alten Kochweisheit Glauben, kann man so den Unterschied zwischen einer „glücklichen“ und „unglücklichen“ Gans auch im Ofen erkennen.

Nun soll uns dieses Wissen nicht den Appetit auf unseren leckeren Gänsebraten verderben. Vielmehr wird uns dadurch doch wieder bewusst gemacht, dass wir es sind, die Angebot und Nachfrage bestimmen.

Spätestens, wenn unsere Gans im Ofen schmort und uns ein angenehmer Duft entgegenströmt, wissen wir, dass wir eine „glückliche“ Gans im Ofen garen. Später dann, mit Rotkohl und Kartoffelklößen, können wir sie mit ruhigem Gewissen genießen.

Also Augen auf beim Gänsekauf!

© Barbara Maier

Hier gibt es Freilandgänse aus Schleswig-Holstein: https://www.gutes-vom-hof.sh/einkaufen-erleben/#search=gans