Jens Mecklenburg

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Ein Meer von Kohlköpfen

Dithmarschen feiert den Kohl
27. August 2019

Dithmarschen ist ein flacher, sehr flacher, windiger Landstrich an der Elbmündung und Nordsee. Man hat hier nicht viel außer Traditionen und ein besonderes Gemüse. Wer im September über die Weiten der Marsch blickt, sieht ein Meer voller Kohlköpfe.

Kohlernte In Dithmarschen. © Dithmarschen Tourismus Photocompany

Dithmarschen ist ein flacher, sehr flacher, windiger Landstrich an der Elbmündung und Nordsee. Man hat hier nicht viel außer Traditionen und ein besonderes Gemüse. Wer im September über die Weiten der saftigen Marsch blickt, taucht ein in ein Meer voll praller Kohlköpfe.

Im größten zusammenhängenden Kohlanbaugebiet Europas wachsen unter optimalen Wetterbedingungen und auf fruchtbaren Böden vielfältige Kohlarten – auf einer Fläche von über 3.000 Hektar werden über den für die Region typischen Weißkohl hinaus auch Rotkohl, Rosenkohl, Wirsing, Spitzkohl, Brokkoli und viele weitere Kohlsorten angebaut. Jedes Jahr ernten die Dithmarscher Kohlbauern gut 80 Millionen Kohlköpfe – quasi für jeden Bundesbürger einen.

Kohlfeld. © Dithmarschen Tourismus Photocompany

Weißkohl wird Sauerkraut

Gut die Hälfte der geernteten Kohlköpfe, rund 120.000 Tonnen, lagern die Landwirte als Vorrat für die kalte Jahreshälfte ein – dann, wenn frisches Gemüse allmählich knapper wird, lassen sich oft bessere Verkaufspreise erzielen. Der Großteil der Weißkohlernte wird weiterverarbeitet, beispielsweise zu Sauerkraut. Nur ein kleiner Anteil des Kohls gelangt als Frischgemüse auf Wochenmärkte und in Einkaufsläden, um in den Küchen zu Kohlsuppe, Kohleintopf oder Kohlrouladen verarbeitet zu werden. Mit Kohl lässt sich jedoch nicht nur preiswert und kalorienbewusst kochen. Beim Genuss von Kohl wird der Körper mit reichlich Vitaminen und Mineralien versorgt. Bestimmte sekundäre Pflanzenstoffe, Ballaststoffe und andere Substanzen sollen sogar das Risiko für verschiedene Krebsarten senken. Das wertvolle Wintergemüse kann zudem helfen, den Cholesterin- und Blutzuckerspiegel positiv zu beeinflussen und auf natürliche Weise für eine gute Verdauung zu sorgen. Zumindest in der Naturheilkunde wird das Gemüse für seine antioxidative und entzündungshemmende Wirkung geschätzt und beispielsweise als Krautwickel oder Krautsalbe verwendet. Wegen seines hohen Mineralstoff- und Vitamingehalts bezeichnet man Kohl zudem auch als „Zitrone des Nordens“. Unangefochtener Spitzenreiter beim Vitamin C-Gehalt ist übrigens der Rosenkohl.

Das 2008 eröffnete KOHLosseum in Wesselburen im Kreis Dithmarschen in Schleswig-Holstein. © KOHLosseums

Tradition & Herkunftsschutz

Der gute Ruf und der gute Geschmack des Dithmarscher Kohls haben sich europaweit durchgesetzt. 2014 wurde das vitamin- und mineralstoffreiche Gemüse ins europäische Qualitätsregister eingetragen und genießt seither EU-Herkunftsschutz. Dass Kohl zum Markenzeichen für die Region werden konnte, ist vor allem dem Wesselburener Gärtner Eduard Lass zu verdanken. Er revolutionierte und erforschte Ende des 19. Jahrhunderts den Gemüseanbau in Dithmarschen.

Zu Beginn der 1890er Jahre lagen die Korn- und Viehpreise so niedrig, dass eine Alternative gefunden werden musste. Auch die Zuckerrübe galt derzeit als unrentables Gemüse. Somit begann Eduard Lass, mit dem Gemüseanbau zu experimentieren. Das führte schnell zu Erfolg: durch die optimalen Bodenbedingungen und den ständigen leichten Wind, der als natürlicher Schädlingsbekämpfer agiert, konnte der Kohl prächtig heranwachsen und schon bald gewinnbringend angebaut werden. Er zog die Setzlinge schon fast agrarindustriell in speziellen Beeten bzw. Holzkisten heran, um während der Entwicklung der jungen Pflanze eine genaue Qualitätskontrolle sicherstellen zu können. Danach wurden die Setzlinge an die Vertragsbauern in ganz Dithmarschen ausgeliefert. So wurden Kohlanbau und Kohlvermarktung bald zu einem der wichtigsten Zweige der Dithmarscher Landwirtschaft.

Durch den Kohl erlebte Dithmarschen eine neue Blütezeit und viel Geld floss in die Region. In der alten Wesselburener Zuckerrübenfabrik entstand eine moderne Sauerkraut-Konserven-Fabrik. Von hier aus gelangte der Kohl nach ganz Europa.

Heute befindet sich auf dem historischen Gelände das „KOHLosseum“ in welchem eine einmalige Ausstellung über den Anbau und die Verarbeitung des gesunden Gemüses gezeigt wird. Hierzu gehört auch ein Bauernmarkt mit Delikatessen aus der Region und die Krautwerkstatt mit Live-Vorführungen. Weitere Informationen gibt es unter www.kohlosseum.de.

Eingang zum Kohlanschnittshof. © Dithmarschen Tourismus Photocompany

Kohltage

Wenn im September der erste Kohl geerntet wird, zieht es zahlreiche Besucher nach Dithmarschen zu den Dithmarscher Kohltagen. Das irgendwie kultige Ernte-Event findet 2019 bereits zum 33. Mal statt. Viele Veranstaltungen rund um das Gemüse verwandeln Dithmarschen eine Woche lang in ein riesiges Volksfest. Der Startschuss zur Huldigung des köstlichen Feldgemüses fällt am 17. September beim offiziellen Kohlanschnitt, der dieses Jahr auf dem Hof von Jan-Henning Ufen im Karolinenkoog gefeiert wird.

Selbstverständlich sind die Kohlregentinnen Bente I. und Hepke I. beim Anschnitt und zahlreichen anderen Veranstaltungen rund um das nahrhafte Gemüse dabei. Das Amt der Kohlregentinnen genießt hohes Ansehen unter den Dithmarscher Bürgern, schließlich weist es auf die bewegte Vergangenheit Dithmarschens als erste freie Bauernrepublik Europas zurück. Die Kohlregentinnen müssen sich gut in der regionalen Landwirtschaft und vor allem natürlich mit Kohl und seinen vielen unterschiedlichen Varianten auskennen. Ihre Aufgabe ist es, das Dithmarscher Anbaugebiet öffentlich zu vertreten. Dazu gehören auch das Wissen über Anbau und Verarbeitung, die Zubereitung von traditionellen Kohlgerichten und die Inhaltsstoffe von Kohl.
Die Kohlregentinnen werben sowohl vor Ort als auch überregional für Dithmarschen, beispielsweise auf der Grünen Woche in Berlin.

Zahlreiche Gaststätten in ganz Dithmarschen nehmen auch dieses Jahr an den Kohltagen teil und kochen Gerichte, in deren Mittelpunkt natürlich das vitaminreiche Gemüse steht. Hofläden und Kohlstände verkaufen die frisch geernteten Kohlköpfe. Neben kulinarischen Köstlichkeiten bieten das Meldorfer Kohlvergnügen, der Bauernmarkt in Brunsbüttel, „Rund um Kohl“ in Heide, das Stadtfest in Marne und viele weitere Veranstaltungen ein buntes Unterhaltungsprogramm.

Das gesamte Programm der Dithmarscher Kohltage vom 17. bis 22. September finden Interessierte auf www.dithmarscher-kohltage.de. Des Weiteren gibt die Kohltagebroschüre mit Anschriften der teilnehmenden Gastronomen und einem Auszug aus dem umfangreichen Veranstaltungsprogramm kurz und bündig Auskunft über die wichtigsten Informationen rund um den Kohl und die Dithmarscher Kohltage. Die Broschüre ist kostenlos und kann auf der Internetseite www.dithmarscher-kohltage.de bequem online bestellt werden.

Ackerpille. © Ingo Wandmacher