Jens Mecklenburg

Herausgeber & Autor

Zum Portrait

Droht der Tofu-Wurst das Aus?

Verbraucherschützer sind gegen Soja-Schnitzel-Verbot
7. Oktober 2025
Veggiburger

Das Europaparlament entscheidet am Mittwoch, ob Begriffe wie „Schnitzel“ oder „Wurst“ auch für vegetarische Produkte genutzt werden dürfen oder nicht. Verbraucherschützer wittern einen Angriff der Fleischindustrie.
Verbraucherschützer sprechen sich deutlich gegen ein mögliches Verbot von Bezeichnungen wie „Tofuwurst“ oder „Sojaschnitzel“ aus. Das Europaparlament will am Mittwoch über ein entsprechendes Vorhaben abstimmen.

Der Geschäftsführer der Organisation Foodwatch, Chris Methmann, sieht in dem Verbotsvorschlag „Lobbyismus im Dienst der Fleischindustrie“. Niemand kaufe versehentlich Tofuwürstchen, weil er glaube, es seien Rinderwürste. Hersteller kennzeichneten ihre Produkte in der Regel deutlich sichtbar als „vegan“ oder „vegetarisch“.

Auch Stephanie Wetzel vom Verbraucherzentrale Bundesverband sieht ein mögliches Verbot kritisch. Sie teilte auf Anfrage mit, es sei wenig hilfreich, wenn Ersatzprodukte keine Namen von Produkten tragen dürfen, die typischerweise mit Fleisch assoziiert würden. Bei einem Begriff wie „Veganes Seitan-Schnitzel“ wüssten Verbraucherinnen und Verbraucher, was sie geschmacklich erwarte und welche Ersatzzutat das Produkt enthalte.

Befürworter sehen besseren Verbraucherschutz

Befürworter des Vorhabens sehen durch ein Verbot hingegen den Verbraucherschutz gestärkt. Die für das Vorhaben im Europaparlament zuständige Abgeordnete Céline Imart teilte auf Anfrage mit, es bestehe „ein echtes Verwechslungsrisiko“. Pflanzenbasierte Ersatzprodukte böten etwa nicht die gleichen Nährwerte wie ihre tierischen Originale.

Zudem gehe es bei dem Vorhaben darum, Landwirte zu schützen. Pflanzliche Lebensmittelhersteller versuchten, den Ruf tierischer Lebensmittel, den Generationen von Landwirten aufgebaut hätten, für die Vermarktung von Konkurrenzprodukten zu nutzen.

In dem zur Abstimmung stehenden Bericht sind über einen Änderungsantrag mehrere Begriffe eingebracht worden. Dazu zählen „Steak“, „Schnitzel“, „Hamburger“ und „Wurst“. Diese dürften dann nur noch für Lebensmittel tierischen Ursprungs verwendet werden. Damit ein Verbot endgültig wird, muss auch eine Mehrheit der EU-Staaten zustimmen.

Es geht um die Wurst 

Ein Kommentar von Jens Mecklenburg

Wann ist ein Schnitzel ein Schnitzel und darf Schnitzel heißen? Konservative EU-Politiker entfachen einen Kulturkampf um die Deutungshoheit von Fleischprodukten. Es geht – mal wieder – um die Wurst. Sie wollen Bezeichnungen für alternative Fleischprodukte verbieten. Der Vorwurf: Namen wie „Vegane Teewurst“ oder „Veggie-Burger“ würden Konsumentinnen und Konsumenten in die Irre führen. Gleichzeitig soll damit angeblich den Landwirten geholfen werden. „Ein Steak ist aus Fleisch gemacht – Punkt“, sagt die französische Abgeordnete Céline Imart. Wie viele andere Konservative sorgt sie sich um die Bauern – und die kulinarischen Traditionen Europas.

Die Verbotsdebatte – angeführt ausgerechnet von denen, die sonst den Grünen „Bevormundung“ vorwerfen – ist nichts als Symbolpolitik. Sie hilft weder der Landwirtschaft noch dem angeblich überforderten Verbraucher, der im Kühlregal angeblich nicht mehr erkennen kann, was er kauft.

Das Verbotstheater richtet sich nicht gegen vermeintliche Irreführung – vielmehr stiftet es Unruhe, indem eigentlich klare Konsumentscheidungen zum Spielball konservativer Identitätspolitik gemacht werden. Der eigenen potenziellen Wählerschaft soll gezeigt werden, dass man seine Fleisch-Identität verteidigt. So grenzt man seine eigene gegen andere Identitäten ab. Hier die Fleischbewahrer, dort die Veggi-Spinner, denen offenbar nichts heilig ist. Und dazwischen der doofe Verberbraucher, der sich Fleischersatzprodukte kauft, ohne zu wissen, das da gar kein Fleisch drin ist. Geht‘s noch? Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind mündige Bürgerinnen und Bürger, die sich ihr Glas Rotwein zum Steak nicht nehmen lassen. Derselbe Respekt sollte auch Menschen entgegengebracht werden, die sich – aus welchem Grund auch immer – für eine vegetarische oder vegane Wurstalternative entscheiden oder für einen alkoholfreien Wein. Essen und essen lassen. Die Debatte um Veggie-Bezeichnungen ist schlicht: absurd!