Erstveröffentlicht am 18. Oktober 2019
Einer Legende nach waren die Kelten die ersten, die im fünften Jahrhundert eine wasserklare Flüssigkeit destillierten – das aqua vitae oder uisge beatha, „Lebenswasser“. So fand der Geist seinen Anfang, der sich bis heute großer Beliebtheit erfreut: Whisky. Dieser Spirituose verschrieben sich auch Marc-Björn Stock und Jens Schlünzen und machten es sich zur Aufgabe, das Getränk an die Kieler zu bringen.
Im Spirituosenfachgeschäft Whiskyle – finest spirits in town sitzen an diesem Donnerstagabend keine weißhaarigen, behäbigen Männer in einer Gruppierung lederner Sessel, in einer Hand die Zigarre, in der anderen ein Tumbler mit Whisky auf Eis und reden über Weltpolitisches. Whisky ist längst ‚sexy‘ geworden und zieht die Menschen unabhängig von Alter und Geschlecht an. Um den Einstieg in die Welt des Whiskys zu erleichtern, bieten die beiden Inhaber regelmäßig Tastings in ihrem warm-gemütlich eingerichteten Geschäft unweit des Exerzierplatzes an. Das Whiskytasting für Einsteiger findet halbjährlich statt und bietet Interessierten neue Informationen für Gehirn und Gaumen. In lockerer Atmosphäre zwischen Eichenregalen mit unzähligen Whiskys erwartet die Besucher geballtes Wissen rund um Sorten, Herstellungsprozess und die richtige Art des Verkostens – dass das Wissen sofort an einer Auswahl verschiedener Whiskys getestet werden muss, ist selbstverständlich.
Wie wird ‚guter Whisky‘ getrunken? „Man soll bloß nicht das machen, was sich gehört. Sondern was einem schmeckt“, sagt Jens Schlünzen. Trotzdem gibt es ein paar Regeln für den Tastinggenuss. Auf dem langen Tisch stehen keine Tumbler, die Gerüchten zufolge Überbleibsel der Prohibition seien, sondern Nosing Gläser, bauchige Gläser, die sich nach oben hin verjüngen. Eis sucht man vergeblich, stattdessen stehen Krüge mit Wasser, Körbe mit Weißbrot und Gläser mit Pipetten bereit.
Sehen.
Die Teilnehmenden – drei Frauen und acht Männer – haben fünf verschiedene Whiskys vor sich stehen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Da wäre der Powers Gold, ein blended Whisky aus Irland, der Bulleit Bourbon aus Kentucky sowie der Cragganmore, Glenfarclas und Ardbeg Ten aus Schottland. Das Vorgehen ist bei allen gleich: Schauen – Riechen – Schmecken. Schon optisch unterscheiden sich die Whiskys deutlich voneinander. „Manche werden gefärbt, damit alle Chargen optisch gleich sind“, erklärt Schlünzen. Doch auch ohne künstliche Zusätze gibt die Farbe Aufschluss auf die Lagerung. „Je dunkler der Whisky, desto mehr hat er vom Fass abbekommen, was man natürlich auch beim Geschmack feststellen kann“, so Schlünzen. Er witzelt: „Aber den Whisky als bernsteinfarben zu beschreiben, geht immer.“
Riechen.
Wer schon einmal Tastingnotizen gelesen hat, stößt auf Formulierungen wie „Noten von Citrusfrüchten“, „vanillig“ oder „rauchig“. Solche Aromen können tatsächlich aus der Spirituose herausgerochen werden, wenn man weiß, wie. „Alkohol ist und bleibt ein Nervengift. Das riechen wir mit unserem ersten Atemzug“, sagt Schlünzen. Erst beim wiederholten Riechen rückt der scharf-alkoholische Geruch in den Hintergrund und es werden nach und nach die vielschichtigen Gerüche erkennbar. Geübte ‚Schnüffler‘ verwenden zum Erkennen der Aromen beide Nasenlöcher einzeln. So können sowohl fruchtig-süße, als auch herbe Aromen erkannt werden.
Nach der intensiven Glas-Beschnupperung kommt das „irische Erfrischungstuch“ zum Einsatz: Der Whisky wird zwischen den Handflächen verrieben. Hierbei verfliegt der Alkohol und die Aromen kommen noch deutlicher zutage: Der vanillige Duft eines Eichenfasses, das fruchtige Aroma, das durch die Lagerung in einem Sherryfass herrührt, ein Geruch nach Rauch und Torf oder Malz mit einem Hauch von Pflaumen.
Dies kann bereits Auskunft über die Sorten oder Herstellungsprozesse geben. Es wird zwischen Malt Whisky (nur aus Gerstenmalz), Grain Whisky (andere Getreidesorten), Bourbon Whisky (mind. 51% Mais), Corn Whisky (mind. 80% Mais) und Blended Whisky (Verschnitt aus Malt und Grain) unterschieden.
Schmecken.
Schmeckt ein Whisky besonders rauchig, kann das auf die Herstellung zurückgeführt werden. Beim Mälzen wird die Gerste über Torffeuer getrocknet – ein geschichtsträchtiges Brennmaterial der Schotten.
Gekostet wird der Whisky bei Zimmertemperatur. Hierbei wird versucht, allen Geschmackszentren der Zunge gleichzeitig eine Kostprobe zu geben. Dafür wird eine Kuhle mit der Zunge geformt, dann presst man selbige an den Gaumen, sodass sich der Whisky im ganzen Mund verteilen kann. Dies garantiert nicht nur ein optimales Geschmackserlebnis, sondern, bei ausreichendem Konsum, auch eine Lockerung der Zunge.
In entspannter Atmosphäre erzählt Jens Schlünzen zwischen den verschiedenen Whiskys von seiner Lieblingsdestille Bruichladdich, während ein paar der Teilnehmer von vorangegangenen Tastings schwärmen. Ja, zu den Tastings kämen viele Wiederholungstäter, erzählt Marc-Björn Stock. Denn die Welt des Whiskys ist groß und das versuchen die beiden Inhaber auch mit ihren Veranstaltungen darzustellen: In diesem Jahr steht zum Beispiel noch ein Tasting zu Whiskys mit langer Reifezeit an oder die traumhafte Kombination von Whisky und Schokolade. Auch die Whiskyle Hausmesse geht im November in die nächste Runde.
Ein Tropfen Wasser kann sinnbildlich das Fass zum Überlaufen bringen – oder den Geschmack von Whisky verändern. Endlich wird auch die Funktion der Pipetten auf dem Tisch ersichtlich. „Wasser bricht die Alkoholketten auf“, sagt Schlünzen, „und der Alkoholwert des Whiskys wird damit verändert. Hierdurch ändern sich Aromen, manche werden stärker, andere flachen ab“.
Hot Toddy und Liköre
Glaubt man den Schotten, ist Whisky ein medizinisches Allheilmittel, trinken sie diesen sogar in der heißen Zitrone. Und natürlich wird man besser gesund, wenn man glücklich statt greinend krank ist. Ein ordentlicher Schluck Whisky, eine halbe Zitrone und ein mächtiger Teelöffel Honig hat noch jeden Schotten wieder fit gemacht.
Generell gilt: Es gibt kein richtig und falsch beim Genuss von Whisky. Marc-Björn Stock und Jens Schlünzen geben Interessierten Werkzeuge und Informationen an die Hand, mit denen sie sie ihre eigenen Vorlieben erkennen können. Aber ob man nun Bourbon oder Malt mag, süß oder rauchig, auf Eis, im Tee, im Cocktail, in der Cola, als Likör oder pur, das bleibt jedem selbst überlassen. Was schmeckt ist, so Schlünzen, auch immer tagesformabhängig. Am Ende gilt: probieren, probieren, probieren. Vielleicht ja auch bei einem der kommenden Tastings von Whiskyle.