Barbara Maier

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Der Weltbiodiversitätsrat warnt: Wirtschaftswachstum sollte nicht vor Artenvielfalt gehen.

12. Juli 2022

Bei politischen Entscheidungen gehe es oft um den schnellen Gewinn, kritisiert der Weltbiodiversitätsrat IPBES in einem neuen Bericht. Darunter leide die Artenvielfalt.

© AWI Mario Hoppmann

Der Weltbiodiversitätsrat IPBES hat den vor allem ökonomischen Blick der Menschheit auf die Natur kritisiert: Dieser stehe einem nachhaltigen Artenschutz im Weg. Der Fokus auf kurzzeitige Gewinne und wirtschaftliches Wachstum schließe die Berücksichtigung der vielfältigen Werte der Natur häufig aus, heißt es in dem IPBES-Bericht mit dem Titel Values Assessment. Die Art, wie Natur in politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen bewertet werde, sei ein Schlüsselfaktor der globalen Biodiversitätskrise – zugleich aber auch eine Chance, sie anzupacken, heißt es darin weiter.

Mit Biodiversitätskrise ist eine schwindende Artenvielfalt gemeint. Laut einem 2019 veröffentlichten Papier von IPBES sind bis zu einer Million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Das Wirtschaftswachstum wird darin als ein wichtiger Faktor genannt.

Laut dem neuen Report haben wirtschaftliche und politische Entscheidungen bestimmte Werte der Natur bevorzugt, die zum Beispiel der marktwirtschaftlich orientierten Nahrungsmittelproduktion nützlich sind. Damit werde aber nicht angemessen berücksichtigt, wie Eingriffe in die Natur sich auf die Lebensqualität von Menschen insgesamt auswirken. Außerdem werde übersehen, dass etwa Klimaregulierung und kulturelle Identität ebenfalls mit Natur zu tun haben.

Mitautorin Patricia Balvanera sagte, angesichts der globalen Biodiversitätskrise sei eine Verlagerung von Entscheidungen hin zu den vielfältigen Werten der Natur wichtig. Dies bedeute auch eine Neudefinition von „Entwicklung“ und „guter Lebensqualität“, sagte Balvanera.

Es gebe keinen Mangel an Ansätzen, um die Werte der Natur sichtbar zu machen. Woran es fehle, seien aber Methoden, mit der ungleichen Machtverteilung zwischen Gruppen umzugehen und die verschiedenen Werte der Natur in politische Entscheidungen einzubeziehen.

IPBES plant Bericht zu Wirtschaft und Biodiversität bis 2025

Den Bericht hatten mehr als 900 Vertreter der 139 IPBES-Mitgliedsstaaten am Samstag gebilligt. 82 Experten aus 47 Ländern arbeiteten an dem Papier mit, das sich auf mehr als 13.000 wissenschaftliche Referenzen stützt.

Bei dem Treffen wurde auch ein IPBES-Bericht zum Thema Wirtschaft und Biodiversität beschlossen, der 2025 fertiggestellt sein soll. Im kommenden Jahr soll eine Studie über invasive gebietsfremde Arten vorgelegt werden.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke bezeichnete das Artensterben als „zweite zentrale Bedrohung unserer natürlichen Lebensgrundlagen“ neben der Klimakrise. Die Erkenntnisse des IPBES seien wichtig, um an den Ursachen des Biodiversitätsverlustes anzusetzen. „Die neuen IPBES-Berichte werden auch die Umsetzung des neuen globalen Rahmens für biologische Vielfalt unterstützen, den wir dringend benötigen und der im Dezember in Montreal endlich verabschiedet werden soll“, sagte Lemke. Sie forderte ein sofortiges Handeln.

Der Weltbiodiversitätsrat IPBES ist ein zwischenstaatliches Gremium zur wissenschaftlichen Politikberatung für das Thema biologische Vielfalt und Ökosystemleistungen. Er wurde 2012 gegründet.

© Greenpeace