Wie das duftet! Keine Jahreszeit kann das toppen. Keine Veilchen und Maiglöckchen und blühenden Fliederbüsche im frühen Jahr. So himmlisch schön sie auch sind. Keine Rosenbeete, die im Sommer ihren Duft verströmen und uns mit Träumen verwöhnen. Und auch der Herbst nicht, mit seinem modrigen Laub, mit Pilzen und Beeren und Äpfeln. Und dem Honigduft der weißen Steinkraut-Büschel und den unvergleichlich riechenden Rispen vom Mönchspfeffer.
Nein, die Weihnachtswochen sind anders und einfach umwerfend. Alle Jahre wieder. Wenn ich aus der klaren Winterluft ins Haus komme, dann öffnen sich die Türen zu einem Erinnerungsparadies. Da steht das Lebkuchenhaus, hängen Honigkuchenherzen – und ganz plötzlich bin ich wieder Kind und weiß: es wird Weihnachten. Was war das für ein Glück, die ersten dicken und dünnen Braunen schmecken zu können. Pfeffernüsse in der Hand und im Mund zu rollen. Die ersten Orangen der Kindertage kamen aus fernen Welten, mit ihrem würzigen Duft, mit ihrem exotischen Geschmack. Im ganzen Haus verbreitete sich die adventliche Geruchswelt von frischen Kiefernzweigen und brennenden Kerzen und heißem Honig. Und die Speisen kündigten sich über die Nase an – Maronen und der Bratenduft aus dem Ofen, der köchelnde Drei-Tage-Rotkohl, Weihnachtsgewürze und Rosinen im glühenden Heißgetränk (auch ohne Alkohol ein Traum). Und Schmalz. Immer und überall. Meine Mutter hatte die sehr norddeutsche Angewohnheit, den, wie sie sagte, „schnöden Kohl“ mit Johannisbeergelee abzuschmecken und ihn in Schmalz zu versenken. „Schmiet wat rin, sokümmt wat rut,“ sagte sie dann. Und wahrlich: diesen Rotkohl-Geschmack habe ich noch heute auf der Zunge… Schmalz war in diesen Wochen eine Seligkeit. Mit Äpfeln auf dem Schwarzbrot, auf dem Plätzchenteller in den lockeren Schmalznüssen, als Fett für Pförtchen und Ballbäuschen und Büxen, und in allem, was gebraten wurde. Von der Gans bis zur Bratkartoffel. Schmalz mußte sein – ein Relikt aus Schlachte-Zeiten, wenn das Julschwein (das Weihnachtsschwein) und die Gans reichlich Flomen lieferten.
Riechen ist Emotion
Riechen – das ist eine ganz besondere sinnliche Wahrnehmung. Denn mehr als bei den anderen Sinnen, lösen Gerüche Gefühle aus, assoziieren Erinnerungen und Emotionen. Immer der Nase nach sind wir gefühlig. Unter den 10.000 verschiedenen Duftnoten, die ein Mensch unterscheiden können soll – so die Wissenschaft – ist für jeden einzelnen ein ganz individuelles Bündel abrufbar. Genetisch bedingt. Die olfaktorische Wahrnehmung bestimmt ja sogar unsere Partnerwahl. Sagen wir nicht „den bzw. die kann ich nicht riechen“ und lehnen selbst attraktive und interessante Menschen ab? Es ist keine Zauberei – höchst spannende Forschungen gibt es dazu, wie wir – durch unser individuelles Immunsystem und den Geruchssinn gesteuert – das genetische Optimum der Partnerschaft finden…
Ich bin sicher, dass zu meiner Lust und Leidenschaft nicht nur dufte Menschen, sondern auch der Duft der Weihnachtszeit gehört. Das Heimelige, das (Brat-)Apfel, Nuß und Mandelkern versprechen, den Genuß, den mir das Neunerlei der Plätzchen und Pfefferkuchen auf die Zunge zaubert, von Anis bis Zimt, Kardamom und Koriander und Nelken nicht zu vergessen und so manches, was man einst Pfeffer nannte. Und das traditionell deftige Essen. Und zu allem alles, was „wie immer schon“ im Tannen- und Kerzen-geschmückten Haus so wohlig riecht …
Rezept
Rotkohl
Zutaten
- 1 kg Rotkohl
- 100 g Schmalz
- 1 Zwiebel
- 2 Äpfel
- 2 dl Brühe
- Himbeeressig
- Zimt
- 2 Nelken
- 10 Wacholderbeeren
- 1 Lorbeerblatt
- 100 g Johannisbeergelee
Zubereitung
Rotkohl in Streifen schneiden, mit Himbeeressig, Johannisbeergelee, 1 Msp Zimt und Nelken, Wacholderbeeren und Lorbeerblatt im Gewürzbeutel einen Tag marinieren. Äpfel in Schmalz anschwitzen. Marinierten Rotkohl und Brühe dazu geben und 2 Stunden köcheln lassen.