Biologe erklärt Meeresboden bei Sonderburg in der Flensburger Förde für tot

19. August 2024

Ein Beitrag von Cornelius von Tiedemann, stellv. Chefredakteur „Der Nordschleswiger“

Artenvielfalt an der Ostküste: Umweltaktivistinnen und -aktivisten schlagen Alarm. Ein Sonderburger Biologe sieht die Politik in der Verantwortung, den Nährstoffeintrag aus der Landwirtschaft zu minimieren. Ein Überblick.

Der Meeresgrund ist tot, berichtet Der Nordschleswiger. So das Fazit des Biologen Bo Mammen Kruse, der am Wochenende in der Sonderburger Bucht, die Teil der Flensburger Außenförde ist, gemeinsam mit Aktivistinnen und Aktivisten der Naturschutzorganisation Greenpeace auf Tauchgang ging.

© Frank Bisgaard Winther/Greenpeace

„Es ist traurig. Wir haben bei Als Stenrev viele Ressourcen dafür aufgewendet, um die Riffe wieder mit Natur zu beleben, die, wie wir wissen, in unserem Gebiet weggefischt wurde“, so Mammen Kruse zur Nachrichtenagentur „Ritzau“. Der Biologe ist Projektleiter beim Verein Als Stenrev, der zum Ziel hat, insgesamt zehn Gebiete rund um die Insel Alsen (Als) zu renaturieren. Dabei handelt es sich vorwiegend um Riffe, also Erhebungen am Meeresboden. 

Der Biologe hat sowohl in dem Teil der Sonderburger Bucht, einem Teil der Flensburger Außenförde, wo sein Verein seit 2012 versucht, wieder Leben zu schaffen, als auch weiter draußen deutlichen Sauerstoffschwund festgestellt.

„Dort sollte ein Steinriff mit großen Makroalgen liegen, auf dem ein voller Tangwald wächst, in dem sich Dorsche und eine große Biodiversität befinden“, sagt er weiter. „Doch es gibt einfach so viele Nährstoffe, dass das Meer voller Algen ist und kein Licht an den Meeresgrund kommt.“

Das Riff, das er nun mit Greenpeace untersucht hat, sei vollständig mit Braunalgen überwuchert gewesen. Ein Indikator für hohe Nährstoffkonzentrationen. „Dort unten findest du kein Leben mehr. Das, was fliehen kann, ist verschwunden. Und was nicht wegkann, ist tot“, so Bo Mamman Kruse.

Diese Gebiete rund um Alsen sollten vom Verein Als Stenrev wiederbelebt werden. Der Biologe Bo Mammen Kruse erklärt sie jetzt für tot. ©Als Stenrev

Politische Maßnahmen gefordert

„Es sind mehr politische Maßnahmen erforderlich, um die Stickstoffbelastung durch die Landwirtschaft zu verringern“, sagt Bo Mammen Kruse. Und die Gewässer um Alsen sind keine Ausnahme.

Nur fünf der 109 Meeresgebiete Dänemarks befinden sich derzeit in einem guten ökologischen Zustand. Laut Greenpeace trägt die Landwirtschaft die Verantwortung dafür: In Südjütland gibt es eine große Konzentration von Schweinezuchtbetrieben, die zu dem Problem beitrügen, und landesweit sei die Landwirtschaft für bis zu 90 Prozent der vom Menschen verursachten Stickstoffverschmutzung verantwortlich, schreibt die Organisation in einer Presseerklärung zu der Aktion.

© Greenpeace

Das ist Eutrophierung

  • Ursachen: Übermäßig viele Nährstoffe im Gewässer, besonders Stickstoff und Phosphor. Quellen: Landwirtschaft, unbehandelte Abwässer, Industrie 
  • Folgen: Algen wuchern, Sauerstoffmangel entsteht, Artenvielfalt schwindet. Algen blockieren Sonnenlicht, Pflanzen wie Seegras sterben ab. „Todeszonen“ mit zu wenig Sauerstoffgehalt entstehen.
  • Weltweites Problem: 80 Prozent der marinen Ökosysteme weltweit sind betroffen. Seit 1960 verdoppelt sich die Zahl der „Todeszonen“ in jedem Jahrzehnt. Größte Todeszonen: in der Ostsee, im Schwarzen Meer und im Golf von Mexiko.
  • Gegenmaßnahmen: Stickstoffeintrag reduzieren, bessere Abwasserbehandlung, neue landwirtschaftliche Praktiken sowie politische Interventionen (Beispiel: EU-Wasserrahmenrichtlinie).
  • Negativer Trend: Weltweit nehmen der Einsatz von Düngemitteln und das Ableiten von unbehandelten Abwässern zu.

Quelle: Umweltbundesamt

Fischer: Es ist schlimmer geworden

Einer, der das Problem tagtäglich beobachtet, ist Morten Kristiansen. Von Fünenshaff (Fynshav) auf Alsen aus fährt er mit seinem Kutter M/S Nana auf Fischfang- und Ausflugstouren. Seit etwa 30 Jahren verdient er seinen Lebensunterhalt damit, dass er Touristinnen und Touristen mitnimmt, doch, so berichtet er laut Greenpeace, in den vergangenen Jahren seien die Bedingungen schwieriger geworden, da die Fischbestände drastisch zurückgegangen sind.

„Wenn ich unterwegs bin, sehe ich die Braunalgen, und der Sauerstoffmangel ist in den vergangenen Jahren noch schlimmer geworden. Ich frage mich, was mit dem Wasser los ist und warum die Fische nicht mehr hier leben wollen. Es gibt viel weniger Fische zu fangen, was weniger Gäste an Bord bedeutet. Die Situation hat das Geschäft in den vergangenen drei oder vier Jahren mehr oder weniger halbiert“, sagt Morten Kristiansen.

Im April 2024 wurde der Vejle Fjord symbolisch zu Grabe getragen, um auf die Sauerstoffverarmung in der Förde und in anderen dänischen Gewässern hinzuweisen.

Das Gleiche hätte man schon vor langer Zeit für die Gewässer um Alsen tun können, sagt Bo Mammen Kruse.