NAKENSTORF. „Erst kommt der Geschmack, dann das Aussehen“, weiß der 50-jährige Küchenchef Detlef Weiß zu berichten, der nach ein paar Jahren an anderer Wirkungsstätte 2019 wieder für das Seehotel angeworben werden konnte. Das mag man kaum glauben, wenn man bedenkt, dass wir gerade unter der großen Kastanie sitzen und den Ausblick auf den Neuklostersee, 15 km westlich von Wismar (Mecklenburg-Vorpommern) genießen. Wir sind umgeben von reetgedeckten Fachwerkhäusern aus dem 19. Jahrhundert und einem roten Klinkerbauernhaus. Bullerbü nach Mecklenburg-Vorpommern-Art.
Seeidylle
Mit viel Liebe zum Detail haben das Berliner Architektenpaar Johanne und Gernot Nalbach den Gebäuden des Seehotels neues Leben eingehaucht. Ein wahres Kleinod liegt hier inmitten des Naturschutzgebietes Sternberger Seenland versteckt. Im Hotelpark mit eigenem Sandstrand und Bootsanlegern weiden die Schafe, nebenan im Kräutergarten unter den alten Apfelbäumen wird gerade die Kresse für das cremige Risotto mit geschmorter Bete am Abend geerntet. In der „Gänsebar“ werden erlesene Getränke gereicht, das „Kinderhotel“ ist ein liebevoll gestalteter Turm und die „Badescheune“ und das „Wohlfühlhaus“ geben ihrem Namen alle Ehre. Geändert hatte sich noch vieles, als Küchenchef Detlef Weiß, ein Zögling Kurt Jägers (Haferland auf dem Darß) hier das Zepter in die Hand genommen hat.
Alles isst gut
Ein witziger Kerl mit gescheiten Augen und dem besonderen Händchen für Mensch und Kochkultur. „Ich muss mich mit dem Produkt auseinandersetzen, mein Ehrgeiz ist nicht die Sterneküche, sondern die gute Qualität. Ist ein Essen nicht gelungen, sind fünf Jahre gutes Kochen hinüber“, erklärt er seinen Besuchern. Die Küche ist dem Slow-Food-Gedanken von Carlo Petrini eng verbunden. Täglich wechselnde Küche im Restaurant „Alles isst gut“ mit so köstlichen Gerichten wie „rosa gebratener Tafelspitz und geschmortes Bäckchen vom Weidekalb mit Sellerie und Porree“ warten auf Liebhaber guter Küche, die beim Preis nicht gleich abheben möchten. Die Genießer kommen dabei im Backsteinhaus voll auf ihre Kosten, ohne überfrachtet zu werden. Fangfrischer Fisch aus dem Neuklostersee und der nahegelegenen Ostsee stehen ebenso auf der Speisekarte wie Fleisch von umliegenden Demter-Bio-Bauernhöfen und Wild aus nahen Wäldern. Eine große Auswahl selbstgemachter Marmeladen, Säfte und Liköre machen die Vielfalt der regionalen Speisekultur erlebbar. „Unsere Wahrnehmung ist doch viel zu eingeschränkt, um zehn Gänge wirklich voll auskosten zu können und ich muss hier keine Muscheln verkaufen, wenn der Seehecht gleich vor der Haustür schwimmt“, erklärt der Maitre seine Philosophie.
Mehr Sein als Schein
Das klingt sehr ehrlich und bodenständig und Gäste, die erwarten, dass ihnen ihr Gucci-Täschchen hinterhergetragen wird, warten hier vergebens auf mehr Schein als Sein. „Ich habe es gelernt, sehr konsequent zu sein, man muss doch erst vor seiner eigenen Haustür kehren, bevor man andere kritisiert. Es gibt für mich keinen falschen Wettbewerb, es gibt nur ein „anders“. Und das merkt man auch auf allen Ebenen. Nicht das Positionsdenken gilt hier, sondern das Miteinander, das das Unternehmen stärkt. Und es wird dem Betrachter wieder klar, dass gute Küche viel mit Geist zu tun hat. Transparenz wird im Hause großgeschrieben, jeder kann in die Küche schauen und sollte sich einfach mal auf das Experiment einlassen. Das Seehotel verfügt insgesamt über 25 individuell gestaltete Zimmer und Suiten, teilweise mit großzügigen Wohn- und Schlafgalerien. Die Gäste können sowohl in der „Kunstscheune“, der „Badescheune“ sowie im alten Steinhaus übernachten. Auch Ferienhäuser warten hier auf ganze Familien. Beim Aufenthalt wird dem Gast schnell klar, dass das Seehotel nicht umsonst von der Zeitschrift Geo-Saison zu einem der 100 besten europäischen Hotels gekürt wurde. Alles in allem auf den Punkt gebracht: Ein Gesamtkunstwerk für Liebhaber wahrhaft guter Werte, das man gerne öfter besucht.
Winterstille
Idyllische Lage, die Stille im Winter, Wellness-Angebote, die Badescheune mit Schwimmbad am offenen Kamin, Ruheraum und Kaminzimmer und Saunen machen einen Aufenthalt auch im Winter angenehm.