Werner Brockmann

Weinakademiker & Weinfachhändler

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Aromenspektakel im Glas

Brockmanns Weinschule (Folge 2)
9. Januar 2019

Was macht einen Wein so faszinierend und facettenreich im Vergleich zu anderen Getränken? Es ist seine Komplexität und die Vielfalt an Aromen. Doch wie und wodurch entstehen sie? Ein bisschen Ordnung in das Aromen-Abenteuer zu bringen, kann nicht schaden.

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Was macht einen Wein so faszinierend und facettenreich im Vergleich zu anderen Getränken? Kaum eines kann mit solch einer Aromenvielfalt aufwarten wie Wein. Die meisten Getränke, die wir als Lebens- oder Genussmittel zu uns nehmen, besitzen jahrein und jahraus immer die gleichen Geschmacksaromen, so dass wir uns darauf einstellen können und einen eindeutigen Geschmack erwarten. Bei Wein jedoch ist dies anders.

Unzählige Faktoren nehmen auf den Geschmack des Weines Einfluss und sind zudem von Jahr zu Jahr verschieden. Das Wetter, der Boden, die Lage, die Rebsorte, die Arbeit des Winzers im Weinberg, der Lesezeitpunkt, die Vergärung, der Ausbau im Keller, die Reifung in der Flasche, um nur einige Faktoren aufzuzählen. Dies alles hat Auswirkungen auf die Aromen und – fast noch wichtiger – auf die Struktur des Weines.


Struktur wichtiger als individuelle Aromen

Bevor es in die Details der einzelnen Aromen geht, ist es wichtig zu wissen, welchen Weinstil Sie eigentlich möchten. Erst dann können Sie fundiert entscheiden, welcher Wein Ihnen besonders schmeckt oder welchen Sie als optimale Speisenbegleitung wählen. Dafür ist die Struktur entscheidend, die sich vor allem aus den Faktoren Alkohol, Körper, Säure, Süße und Tannine/Gerbstoffe ergibt. Wichtig ist dabei das Zusammenspiel der einzelnen Faktoren, sodass eine Balance zwischen ihnen entsteht. Habe ich einen kraftvollen Wein mit hohem Alkoholgehalt aber wenig Säure, kann dieser sehr schnell marmeladig und langweilig werden. Genauso verträgt ein restsüßer Wein eine gute Portion Säure, um lebendig zu bleiben, ohne dass die Süße klebrig wird. Zu diesem Thema aber mehr in unserer nächsten Folge, wenn es um das Thema Weinstile geht.

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Aromengruppen

Die Aromenvielfalt bei Weinen kennt keine Grenzen, insofern sind der Beschreibung nur durch die Phantasie und dem eigenen Empfinden Grenzen gesetzt. Grundsätzlich kann man die Aromen aber nach der Ausbaustufe in drei typische Aromenkategorien gruppieren:

1. Primäraromen

Bei den sogenannten primären Aromen handelt es sich um solche, die während des Wachstums und der Reife im Weinberg in der Traube selbst entstehen. Fruchtbetonte rebsortentypische Noten stehen dabei im Vordergrund, die vor allem bei jungen, frischen Weinen wiederzufinden sind. So duftet Riesling stark nach Zitrus, Steinobst und gelben Früchten während ein Cabernet Sauvignon typische Aromen von schwarzer Johannisbeere und dunklen Früchten aufweist. Je nach Ausbauart schmecken die Weine fruchtig leicht, können aber bei für die Reifung vorgesehen Weinen oft sehr herb, rau und eckig wirken und sich im Laufe der Zeit stark verändern.

Für die Erhaltung der Primäraromen werden die Weine im Edelstahl reduktiv ausgebaut. Als reduktiv bezeichnet man den Ausbau ohne Sauerstoffkontakt – das Gegenteil zu oxidativ. Bereits im Weinberg werden die Trauben hierzu oft mit Schwefel bestäubt, um eine Oxidation zu verhindern.

Typische Primäraromen: Fruchtige Noten von grünen Früchten wie Apfel, Birne und Weintrauben über Zitrusfrüchte bis hin zu Steinobstaromen und tropischen Früchten bestimmen das Bild der Weißweine, während rote und dunkle Beerenfrüchte bei den Rotweinen dominieren. Darüber hinaus gehören aber auch florale Noten wie Rosen, Veilchen und Orangenblüten sowie Kräuternoten, würzige Nuancen und vegetabile Noten zur Primäraromatik.

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2. Sekundäraromen

Die Sekundäraromen entstehen bei der ersten Stufe der Verarbeitung und beim Ausbau im Keller. Hier spielen die Vergärung und die Art der Hefen eine entscheidende Rolle. Eine längere Lagerung auf der Hefe, bei welcher der Wein für intensiveren Hefekontakt regelmäßig aufgerührt wird (Battonage) lässt den Wein deutlich komplexer und cremiger werden. Auch der biologische Säureabbau, bei dem Milchsäurebakterien die spitze Apfelsäure in Milchsäure umwandeln, fällt in diese Kategorie. Dies bringt mehr Schmelz sowie nussige und buttrige Töne zum Vorschein und macht den Wein runder und weicher.


Exkurs Hefe und Vergärung

Ein kurzes Wort zum Thema Hefe und Vergärung, da dies der wichtigste Aspekt bei der Bildung der Sekundäraromen ist. Die Vergärung erfolgt bei den meisten Winzern durch die Zugabe von Reinzuchthefen. Sowohl neutrale Hefen ohne Eigengeschmack als auch Hefen mit zugesetzten künstlichen Aromen werden häufig verwendet. Zweitere können so intensiv sein, dass sie die natürlichen Aromen des Weines komplett überlagern. Vor allem bei preiswerten Alltags- und Markenweinen, die einen wiedererkennbaren Geschmacksstil aufweisen sollen, wird auf diese Methode zurückgegriffen.

Winzer jedoch, die Wert auf natürliche, individuelle Weine sowie Wert auf das Terroir legen, bevorzugen sogenannte wilde Hefen oder Spontanhefen, die im Weinberg und im Keller bereits vorhanden sind. Damit überlässt der Winzer den Wein der Natur und gibt damit auch die Kontrolle über die Entwicklung ab. Es ist kaum vorherzusagen, zu welchem Zeitpunkt die Vergärung stoppt und welcher Restzuckergehalt im Wein verbleibt. Das Ergebnis sind Weine, die ungeschönt das Terroir, den Jahrgang und die Winzerhandschrift widerspiegeln.

Typische Sekundäraromen: Toast, Brioche, Butter sowie rauchige Noten mit Röstaromen, Kaffee, und auch Vanille und Kokusnuss vom Holzausbau.

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3. Tertiäraromen

Interessant wird die Entwicklung aber auch während der Reifephase. Oft werden die Aromen, die während der Reifephase im Fass (also im Keller) entstehen, auch zu den Tertiäraromen gezählt, obwohl sie streng genommen zu den Sekundäraromen gehören. Während der Reifephase sowohl im Keller als auch in der Flasche entsteht die eigentliche Komplexität und Harmonie durch die Bildung der Tertiäraromen. Dabei tritt die vordergründige Fruchtaromatik in den Hintergrund und wird durch Reifearomen überlagert und ersetzt. Zeit ist hier der wichtigste Faktor!

Lässt man den Wein in Ruhe reifen, so verändert sich gleichzeitig auch die Struktur des Weines. Durch die Flaschenreifung werden die in der Jugend noch oft rau wirkenden Tannine runder und weicher und erhalten fast balsamische Noten. Ebenso wird die Säure, mit der viele Leute bei jungen Weinen Probleme haben, besser eingebunden und trägt somit entscheidend zur Harmonie des Weines bei.

Typische Reifearomen: Getrocknete Früchte wie Feige, Rosinen und Dörrobst, aber auch Zedernholz, Zigarrenkiste, Tabak- und Kaffeenoten sowie Schokolade, Marzipan und erdig-würzige Eindrücke gehören bei Rotwein dazu. Bei Weißwein sorgen Nüsse, Honig und Feige sowie Toastnoten und rauchige Anklänge für ein besonderes Bukett. Oft geht dieser Geschmack vor allem bei Riesling einher mit einer Petrol- oder Kerosinnote, die nicht negativ zu interpretieren ist, sondern eher ein wohlduftendes Aroma hinterlässt, wenn man sich einmal damit auseinandergesetzt hat.

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Unser Experimentier-Tipp

Wenn Sie die Möglichkeit haben, einen Wein aus einem älteren Jahrgang zu erwerben, vergleichen Sie diesen einmal gegen den aktuellen Jahrgang hinsichtlich seiner Aromen und Struktur. Wird der junge Wein vorrangig durch seine Fruchtigkeit bestechen, so wird der ältere Jahrgang bei Rotweinen ein weicheres Tannin und eine besser eingebundene Säure aufweisen – zumindest solange es sich um einen Wein handelt, der das Potential zur Reifung besitzt. 

Ein genussvolles Wochenende wünscht Ihnen
Werner Brockmann

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Weinvertikale Werner Brockmann

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