Sabrina Reuter und Michael Engelbrecht

Sabrina Reuter (Unternehmensberaterin) und Michael Engelbrecht (Historiker)

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104 Jahre Finnland

Von Hack & Hering und einem Feldmarschall
15. Dezember 2021

Schweden war immer Schweden und England wird seit Menschengedenken von Königin Elizabeth II. regiert. Kulinarisch verbinden wir mit diesen Ländern Fleischklöße und Teatime. Einige Regionen sind auf der kulinarischen Landkarte für immer festgemacht. Aber wie ist es eigentlich mit Finnland? Was wissen wir über seine Geschichte, seine Menschen und seine Kultur? Dieses Land im äußersten Nordosten Europas taucht in unseren Köpfen nur schemenhaft auf. Warum ist das so?

© Sabrina Reuter & Michael Engelbrecht

Jahrhundertelang war Finnland Teil des schwedischen Königreichs und erst durch die Wirren der napoleonischen Kriege änderte sich dies. Plötzlich wurde das Land vom russischen Zaren als selbstständiges Großherzogtum regiert. Nun entdeckten seine Einwohner ihre kulturelle, sprachliche und nationale Identität. Das Schwedische als Sprache der Oberschicht und der Küstenbewohner, das Finnische als Sprache die normalen Leute wurden als Elemente der Identität wichtig. Man sammelte Geschichten, Gedichte und Lieder, Künstler und Musiker schöpften aus den Quellen der finnischen Seele. Sibelius komponierte die Finnlandia, Lönnroth setzte die Kalevala-Verse und Gallen-Kallela malte dazu die opulenten Bilder. Damit trat das Land zum ersten Mal in Erscheinung. Die Wirren der russischen Revolution gaben Finnland am 6. Dezember 1917 die Chance der Unabhängigkeit. Hier trat zum ersten Mal die Gestalt ins Licht, die Finnland als Nation und Staat die ersten dreißig Jahre entscheidend lenkte, Carl Gustaf Emil Mannerheim (1867 – 1951).


Bewundert und umstritten

Der Spross einer finnlandschwedischen Adelsfamilie wurde Offizier in der russischen Armee, war unter anderem Leibwächter des Zaren, erkundete als Militärgeograf die Weiten des russischen Ostens und befehligte ein Kavallerieregiment in Warschau. Nach der Oktoberrevolution ging er zurück nach Finnland und übernahm den Aufbau der neuen finnischen Armee. Mit dieser zerschlug er im Bürgerkrieg die kommunistischen Kräfte und übernahm kurze Zeit als Reichverweser die Regierungsmacht, zog sich allerdings nach einem verlorenen Präsidentschaftswahlkampf ins Private zurück. Ab 1933 befehligte er die finnische Armee als Feldmarschall. 1939/40 führte er die Finnen im Winterkrieg gegen die Sowjetunion und konnte eine Niederlage verhindern sowie einen Waffenstillstand erreichen. 1941 bis 1944 kämpfte er parallel zu den Deutschen im sogenannten Fortsetzungskrieg wieder gegen die Sowjetunion und schloss im August 1944 einen separaten Frieden. Anschließend war Mannerheim Präsident von Finnland und trat 1946 aufgrund seiner angegriffenen Gesundheit zurück. 1951 verstarb er bei einem Sanatoriumsaufenthalt in Lausanne.

Mannheim ist bis heute als Mensch, Politiker und Soldat bewundert und umstritten. Sein Durchgreifen gegen die Roten und die Duldung von Tötungen im Bürgerkrieg sowie die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Reich im Fortsetzungskrieg wurden ihm von seinen Gegnern immer vorgeworfen, während seine Bewunderer seine Verdienste für die Unabhängigkeit Finnlands in den Vordergrund stellen. Auf jeden Fall hervorzuheben ist sein diplomatisches Geschick im Umgang mit Freund und Feind. Er sah sich nie als Verbündeter des nationalsozialistischen Deutschlands, sondern betonte den Begriff der Waffenbrüderschaft. Der Begriff des Fortsetzungskrieges verwies immer auf den Winterkrieg und dessen Revidierung. Nur so konnte Mannerheim Finnland 1944 aus der Zusammenarbeit mit den Deutschen lösen und mit der UdSSR ein nachbarschaftliches Verhältnis begründen, welches bis zu deren Zusammenbruch hielt.


Hack und Hering

Von Gegnern und Bewunderern gleichermaßen anerkannt war der Feldmarschall wegen seiner kulinarischen Verdienste um die finnische Esskultur. Mannerheims Lieblingsgericht wurde zu einem festen Bestandteil der finnischen Küche und wird selbst von jungen Wilden der neuen nordischen Küche gerne adaptiert. Der Name Vorschmack deutet auf deutschen Ursprung hin und wirklich soll die Wurzel des Wortes althochdeutsch für Vorspeise sein. Das Gericht kommt jedoch aus der polnischen Küche und der osteuropäisch-jüdischen Kochtradition. Die finnische Variante, die Mannerheim liebte, besteht aus Hack, Hering und Zwiebeln. Diese Zutaten werden gemeinsam durch den Fleischwolf gedreht und anschließend gebraten. Es gibt auch eine gekochte Variante und eine mit Anchovis. Das fertige Gericht wird mit Pellkartoffeln, roten Beten, sauren Gurken und Schmand serviert. Das Braten von Heringen und Hack lässt den Geruch in der Küche für schwache Nasen zur Herausforderung werden, aber das Ergebnis lohnt die Mühe. Zum Essen empfiehlt sich Mannerheims Lieblingsschnaps, des Marschalls Kurzer oder finnisch marskin ryyppy. Er besteht aus Aquavit, französischem Wermut und Gin.

Die kurze Zeit der eigenständigen finnischen Geschichte, ungewöhnliche Gerichte wie Vorschmack und nicht zuletzt eine für die Mitteleuropäer schwer zugängliche Sprache und Kultur mit 16 Fällen, hardrockspielenden Cellisten wie Apocalyptica und skurrilen Schriftstellern wie Arto Paasilinna sind der Grund, warum uns Finnland zum Teil bis heute noch fremd ist.


Vorgeschmack

Rezept – Lammhack

Zutaten

1 kg Lammhack
2 Heringsfilets
2 Zwiebeln
1 kg Kartoffeln
5 eingelegte Rote Bete
3 Gewürzgurken
1 EL Butter
200g Sauerrahm

zum Würzen: Salz, Pfeffer

Zubereitung

Die Zwiebeln hacken und in einer Pfanne in Butter andünsten. Den Fisch fein hacken und hinzugeben. Anschließend mit dem Hack kräftig durchbraten und mit Pfeffer und Salz würzen. Die Kartoffeln mit Schale garen und anschließend pellen, alternativ die Kartoffeln schälen, in Würfel schneiden und garkochen. Gewürzgurken und rote Bete fein würfeln. Das Gebratene mit Kartoffeln, Gewürzgurken und roter Bete und einem großen Klacks Sauerrahm servieren.

In einigen Rezepten wird das Gebratene abschließend mit Brühe zu einem Brei verrührt. (Eklig! Nicht zu empfehlen!)

© Sabrina Reuter & Michael Engelbrecht