Erstveröffentlicht am 8. März 2021
Heute ist der feministische Kampftag, auch Weltfrauentag genannt. Dieser wurde erstmalig am 1911 gefeiert und soll auf die Themen Frauenrechte und Gleichberechtigung aufmerksam machen. Ein guter Anlass, sich die Branche anzuschauen, für die das Herz unserer Redaktion schlägt: Die Gastronomie.
Gehen Sie kurz in sich und versuchen Sie, möglichst viele Spitzenköch*innen aufzuzählen, die Sie kennen. Wie viele Frauen waren darunter?
Wenn der Anteil verschwindend gering ist und vielleicht lediglich auf ein Kochformat eines privaten Fernsehsenders beruht, seien Sie unbesorgt – es liegt nicht an Ihnen.
Seit jeher ist das Berufskochen eine Männerdomäne. Dies scheint paradox, denn in vielen Privathaushalten, vor allem in der älteren Generation, ist die Frau der Küchenstar und für das leibliche Wohl der ganzen Familie verantwortlich. Viele kommen durch ihre Mütter und Großmütter mit dem Lebensmittelumgang in Berührung und entwickeln ein Gespür für Genuss. Und bei manchen, so ist das eben mit frisch geweckten Berufswünschen, entwickelt sich aus der Liebe zum Essen die Ambition, kreativ zu werden, neue Gerichte zu erschaffen, Menschen mit Essen glücklich zu machen.
Aber offenbar ist der Reiz bei Frauen dann doch nicht sonderlich groß, für den Lebensunterhalt zu kochen. Anders sieht es bei Männern aus: Nach einer statistischen Erhebung aus dem Jahr 2010 lag der Frauenanteil des Ausbildungsberufs Koch/Köchin bei gerade einmal 23, 8 Prozent. Auch bei Winzer*innen und anderen Berufen aus der Lebensmittelbranche ist das Verhältnis alles andere als ausgewogen.
Doch das ist 11 Jahre her, in der Zeit ist viel passiert – oder? Die Gleichberechtigung von Frauen, Inter- und Transpersonen und das Auflehnen gegen das Patriarchat bekommen immer mehr Rückenwind. Und dennoch sind die aktuellen Zahlen, die ich aus der Spitzengastronomie heranziehe, erschreckend:
332 deutsche Michelin-Sternköche listet Restaurant Ranglisten auf. Gerade einmal 13 Frauen haben es in diesen exklusiven Herrenclub geschafft, das sind nicht einmal 5 Prozent. Die Drei-Sterne-Spitze bleibt ihnen sogar komplett vorenthalten. Ich habe einmal nachgezählt: Es gibt fast genauso viele Sterneköche, die Christian mit Vornamen heißen (nämlich 12), wie Sterneköchinnen insgesamt. Diese Tatsache schmeckt bei weitem nicht so gut wie die kreative und hochwertige Küche der ausgezeichneten Gastronomen.
Doch vielleicht liegt es ja nur am Guide Michelin? Es wäre schön, so schnell eine Erklärung für die Abwesenheit von Frauen in der Branche zu finden. Doch auch das Magazin rolling pin, das jährlich seine Liste mit den 50 besten Restaurants Deutschlands herausgibt, enttäuscht: Lediglich Douce Steiner, die für das Hotel und Restaurant Hirschen in Sulzburg jüngst wieder 2 Michelin-Sterne erkochte, findet Erwähnung in der Liste.
Dass das Problem nicht nur ein deutsches ist, zeigt das internationale Ranking the world’s 50 best restaurants: Auch hier sind Köchinnen rar gesät, stattdessen gibt es jedoch noch ein Ranking speziell für Frauen. Ob dies nun eine besondere Würdigung ist oder eine Degradierung, weil es eben zu den besten 50 des Herrenclubs nicht reicht, sei dahingestellt.
Männer nicht talentierter als Frauen
Josita Hartanto, Chefköchin und Besitzerin des veganen Restaurants Lucky Leek in Berlin, sagte gegenüber Cheers: „Ich glaube nicht daran, dass Frauen oder Männer talentierter oder fähiger in der Küche sind. Aber wir Frauen waren zu lange in der Branche unterrepräsentiert und ich glaube, wir stehen nun vor einem Umbruch. Ich finde es schön, dass wir in einer Zeit leben, in der die Diskussion um Gleichberechtigung in allen Branchen präsent ist und möchte gerne meinen Teil dazu tragen.“
In den letzten Jahren wurde die Präsenz weiblicher Köchinnen gestärkt. So bekam beispielsweise Samin Nosrat ihre eigene Serie „Salz, Fett, Säure, Hitze“, Dominique Crenn kämpft hingegen engagiert für mehr Frauen in den Top-Positionen der Gastronomie.
2016 kam sogar ein Film über Frauen im Gastgewerbe in die französischen Kinos. Regisseurin des Films „À la recherche des femmes chefs“ (Auf der Suche nach den weiblichen Küchenchefs) ist Vérane Frédiani, die Köchinnen auf der ganzen Welt interviewte. „Das gesamte Milieu funktioniert nach wie vor auf äußerst archaische und maskuline Art und Weise“, sagt Frédiani gegenüber dem Standard. „In den Küchenbrigaden geht es noch immer streng militärisch zu. Durchsetzen kann sich nur, wer sich per Ellenbogentechnik in den Vordergrund drängt und sich zu verkaufen weiß.“ Womit der Mikrokosmos der Spitzengastronomie auf übersteigerte Form jene Probleme widerspiegle, die Frauen auch anderenorts in der Gesellschaft zu bewältigen hätten.
Dass sich perspektivisch etwas in der Gastronomie ändern muss, um völlige Gleichberechtigung zu schaffen, ist sicher. Doch wo liegt denn nun wirklich das Problem, welches angegangen werden muss? Ein Erklärungsversuch, auf den man immer wieder stößt: „familienunfreundlichen Arbeitszeiten“ – richtig, und davon sind natürlich auch ausschließend die Frauen betroffen, nicht aber Familienväter oder gar alleinerziehende Elternteile. Dass nicht jede Frau eine Familie gründen möchte oder kann, wird erst recht nicht berücksichtigt. Autsch. Da gefällt mir die Ausrede verschmitzt zwinkernder weißer Männer, gusseiserne Pfannen seien einfach „zu schwer für Frauen“, fast schon besser.