Das erste, was die Besucher sehen, ist ein klassischer Wurstbratenwagen, in dem Brat-, Brüh- und Currywurst frisch angeboten werden, mit Senf oder Ketchup. „Gehste inne Stadt, watt macht Dich da satt?“, fragte schon Herbert Grönemeyer und landete seinen ersten Hit, denn bei aller Selbstironie, er traf das Herz des deutschen Nationalgefühls. Wurst ist deutsch! Wenn auch französische oder italienische Würste mit ausgesuchten Zutaten, Nüssen, Gewürzen geschmacklich überraschen, Geschmacksexplosionen auslösen können, der deutsche Gaumen will Gleichmaß und keine Überraschungen. Das mag arrogant klingen, ist es aber nicht. Wer die Nase rümpft über deutsche Wurst, ist noch nicht rumgekommen. Außer in Italien und Frankreich herrscht nämlich das geschmackliche Grauen. Fett, Wasser und unausgewogene Farb- und Geschmacksstoffe toben sich auf dem Gaumen aus. In Schweden beispielsweise heißt es über die Würste der Imbisse: Erst kauft man sie, weil man Hunger hat, dann isst man sie nur, weil man sie bezahlt hat.
Und so steht mitten auf dem Land, im Herzen Angelns, der Heimat der Angeliter Sattelschweine, eine Fabrik für eines der deutschesten Produkte. In Angeln, dessen Hauptort Süderbrarup im Volksmund nicht von ungefähr als Süderbratwurst firmiert, leben mit den Sattelschweinen zwar Tiere einer alten Haustierrasse mit sehr gutem Fleisch, aber sie sind nicht die Lieferanten für die Produkte der Fabrik. Das sind die genormten Tiere und Geflügel aus Großproduktion von nah und fern.
Die Norm beherrscht den gesamten Outlet. Alle Produkte orientieren sich daran und wenn sie der Norm nicht entsprechen, ist dies besonders hervorgehoben. Gleich am Eingang locken Großgebinde mit 100 Würstchen in ungleichen Längen als Sonderangebot, die Rettung für jedes Straßen-oder Nachbarschaftsfest mit vielen hungrigen Kindern. Im Outlet sind Würste jeder Couleur, normal oder kalorienreduziert, Fleischprodukte von Schinken bis Braten, Salate, Aufschnitt und Snacks zu finden. Das ist die Ausrüstung für den Alltag, vom Frühstück über die Einlage zum Eintopf bis zum Grillen mit dem Kegelverein. Dazu finden sich Produkte im Dauerkonservensegment der gehobenen Küche des Wirtschaftswunders, Ragout Fin und Krabbensuppe.
Spötter mögen hier die Rüstkammer des deutschen Nationalismus vermuten, aber sie liegen falsch. Die radikale Speisekammer deutscher Neonationalisten findet sich hier nicht, selbst Weißwürste, weißblaues Stammtischfutter, gibt es nur saisonal korrekt. Stattdessen ist alles total normal, die Nährwerte, die Geschmacksrichtungen, die Produktpalette. Hier spiegelt sich die aktuelle Gesellschaft mit allen politischen Korrektheiten und Normierungen. Gesellschaftliche Trends sind hier auch abgebildet, Vegetarisches hat sich neben Rotwurst breitgemacht. Das, was inzwischen jede Produktion und Dienstleistung kennzeichnet, glattbügelndes Qualitätsmanagement, ist hier umgesetzt. Nichts tanzt aus der Reihe, Schlechtleistung ist genauso ausgeschlossen wie außergewöhnliche Geschmackserlebnisse. Das Mittelmaß kontrolliert abgesicherter Großproduktion kann hier besichtigt und gekauft werden. Und das hat seine Berechtigung, denn der Outlet in Böklund zeigt, welche Bandbreite auch unter diesen Bedingungen möglich ist.