Barbara Maier

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Von glücklichen Rindern und Tierquälerei

Haltungsfragen: Rindfleisch aus der Region
5. Juni 2019

Haltungsfragen – Ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt. Ich möchte in diesem Beitrag einmal ernst und klar beschreiben, warum wir uns als Verbraucher, wenn nicht schon aus Qualitätsgründen so aus Achtung vor dem Tier, das uns ernährt, für Fleisch aus unserer Region entscheiden sollten. Auch wenn wir regionales Fleisch erwerben bedeutet das nicht grundsätzlich, dass die Tiere artgerecht gehalten werden. Darum sollten wir uns genau informieren, von welchem Hof oder Mastbetrieb das Fleisch bezogen wird. Eins muss uns absolut klar sein: Die Tiere, die artgerecht gehalten und bestimmungsgemäß geschlachtet werden sind (leider) weit in der Minderzahl.

© Ingo Wandmacher

Biorindern geht es gut

Auf den Demeter Höfen zum Beispiel, auf denen die Rinder in Ställen leben, mit Platz für Bewegung und Einstreu belegten Böden, die zum Hinlegen einladen, und die meiste Zeit des Jahres auch die Möglichkeit bieten, es sich auf den angrenzenden Weiden so richtig gut gehen zu lassen und nach Herzenslust zu Grasen. Diese Rinder bekommen nur wenig Kraftfutter und keine Silage stattdessen Grünfutter und gutes Heu.

Die Jungbullen erlangen auf diese natürliche Weise nach 1,5 bis 2 Jahren ihr gewünschtes Gewicht und werden dann vor Ort schnell und schmerzfrei geschlachtet. Bei den Jungkühen geschieht dies etwas eher – sie haben nach 1 bis 1,5 Jahren das Wunschgewicht erreicht.


Soziale Wesen

„Rinder sind sehr soziale Tiere. Unter natürlichen Bedingungen leben sie in familiären Herden von 20 oder auch mehr Kühen und ihren Jungtieren, wobei die männlichen Tiere (Bullen) ihre Herde im Alter von rund zwei Jahren verlassen, um allein oder in kleineren Gruppen (bis zu 3 Artgenossen) zu leben. Im Jungtieralter verbringen die Tiere ihre Zeit häufig mit sozialem Spiel, z. B. indem sich zwei Kälber aneinander stoßen oder gegenseitig jagen. Die in dieser Zeit geschlossenen Freundschaften werden oft auch noch im Erwachsenenalter aufrechterhalten.“ So beschreibt die Albert Schweitzer Stiftung das Leben der Rinder unter artgerechter Haltung.

Die neugeborenen Kälber verbleiben 6 bis 7 Monate bei ihren Müttern und werden von diesen gesäugt. Erst dann werden die Kälber von den Mutterkühen getrennt und zusammen in einem Laufstall untergebracht, in dem sie sich frei bewegen, spielen und springen können.

Die erwachsenen Kühe, die, nachdem sie einmal im Jahr ein Kalb zur Welt gebracht haben, werden wieder als Milchkühe genutzt.

Bei Kühen, die der Milchgewinnung dienen, ist die Weidehaltung für den Verbraucher wünschenswert. Denn nur dann ist die Milch mit den für uns so gesunden Fettsäuren angereichert. Die für den Menschen am wichtigsten sind die mehrfach ungesättigten Omega-3 und Omega-6 Fettsäuren. Diese erweisen sich gerade für unsere Kinder in ausgewogener Relation als Allergieschutz. Auch der Intelligenzquotient profitiert von diesen Fetten. Außerdem enthält Milch von Weidekühen einen hohen Anteil an Vitamin A und Beta-Carotin.

Eine Milchkuh erreicht bei artgerechter Haltung ein durchschnittliches Alter von 12 bis 15 Jahren. Dagegen wird eine auf Hochleistung ausgelegte Milchkuh gerade mal 5 Jahre alt.

© Barbara Maier

Stallhaltung

Diese Zeichnung zeigt einen modernen Kuhstall mit den verschiedenen Bereichen: Fress- und Trinkplätze, Liege- und Bewegungszonen sowie Melkplätze und einem Kraftfutterspender. Mit einer offen stehenden Tür zu einer angrenzenden Weide oder zumindest zu einem Hof. Ein Stall dieser Art sollte allen unseren Rindern zur Verfügung stehen.

Bei drei von vier Rindern sieht die Realität jedoch ganz anders aus.

Gerade in Deutschland ist die intensive Turbomast bei männlichen Rindern weit verbreitet. Bevorzugt werden dafür die Rassen Charolais, Limousin und Fleckvieh sowie Kreuzungen aus diesen.

Da die Tiere in kurzer Zeit hohe Gewichtszunahmen erreichen sollen, werden sie überwiegend mit Kraftfutter und energiereicher Maissilage gefüttert. Weil diese Futtersorten nicht den Bedürfnissen des Rindermagens nach Rauhfutter entsprechen, haben die Tiere als Folge große Verdauungsprobleme.

Damit die Rinder schnell zunehmen, sollen sie sich wenig bewegen. Sie leben daher meist nur in Ställen und werden während ihres gesamten Lebens von etwa 15 Monaten nicht nach draußen gelassen. Mastbullen werden zwar in Gruppen gehalten, aber das Platzangebot ist so gering, dass die Tiere kaum gleichzeitig liegen können. Einem Bullen, der gegen Ende der Mast 650-700 kg wiegt, steht in der Regel nur eine Fläche von zwei bis zweieinhalb Quadratmetern zur Verfügung. Das Bewegungsbedürfnis der Tiere wird permanent eingeschränkt und die Möglichkeit, sich zu bewegen, unterbunden.

© Barbara Maier

Tiertransporte

Doch nicht nur die meisten unserer hier verbleibenden Rinder erleiden Qualen. In einer TV-Reportage wurde kürzlich ein Bericht gesendet (Geheimsache Tiertransporte, ZDF – 37-grad), der zeigte, wie in Deutschland geborene Rinder über weiter Strecken in andere Länder transportiert werden.

So ist zum Beispiel die Nachfrage nach Lebendrindern in den Islamischen Staaten besonders groß, da nach dem dortigen Glauben, Rinder, Ziegen oder Schafe geschächtet (in die Halsschlagader geschnitten) werden sollen und dafür lebendig ihr Endziel erreichen müssen. Das bedeutet zum Beispiel, dass ein Rind oft eine Fahrt im Viehtransporter über mehrere Tage ertragen muss. Wenn das große viertägige islamische Opferfest ausgetragen wird, fahren die Transporter bei Temperaturen zwischen 30 °C und 40 °C. Im Jahre 2017 viel dieses Fest auf die Tage vom 31. August bis zum 4. September. Die Temperaturen im Inneren dieser Rindertransporte liegen dann bei knapp 50 °C!

Das deutsche Tierschutzgesetz schreibt vor, dass die Beförderungsdauer für Rinder bei maximal 8 Stunden liegen darf.

Doch die Realität sieht fast immer ganz anders aus: Viehtransporte, die bis zu fünf Tage unterwegs sind, in denen die Tiere ohne Wasser und ohne ausgeladen zu werden immer schwächer und durstiger, mit verdrehten Augen und heraushängender Zunge, völlig dehydriert und am Ende ihrer Kräfte liegen, stehen und übereinander treten und sich aus purer Verzweiflung oft schwere Verletzungen zufügen.

Kühe, die dann nach dieser Tortour zum Verschiffen an einem Bein an einen Verladekran gehängt werden, bei dem das Bein durch das Gewicht des Tieres bricht, um dann aus zwei bis drei Metern Höhe abgehakt und in die Tiefe fallen gelassen zu werden. Dabei zieht sich dieses Rind weitere Brüche und andere Verletzungen zu. Nun geht der Transport per Schiff zu dem Bestimmungsort. An diesem angekommen, wird das Rind wieder an einen Kran gehängt und auf einen bereit stehenden Lastwagen verladen, der nun mit dem schwerst verletztem Tier zum Endbestimmungsort fährt. Dort angekommen wird das Rind vom Lastwagen gestoßen und getreten. Nun werden ihm Seile an die Beine gebunden, denn laufen kann es nicht mehr, um es in das Schlachthaus hinein zu ziehen. Oft werden ihm dabei auch noch die Augen ausgestochen, denn es könnte sich ja wehren wollen.

Dann endlich kommt eine Person mit einem Messer und sticht dem Rind mehrmals in den Hals, bis es langsam verblutet. Und endlich – ein unbeschreiblich langer und qualvoller Weg ist für dieses Tier zu Ende gegangen. Diese Aufnahmen bekomme ich nicht mehr aus meinem Kopf.

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Tierqual und schlechter Geschmack

Genau wie der Mensch produzieren auch alle Wirbeltiere bei großen körperlichen Anstrengungen, bei starken Schmerzen, bei Angst und bei Verletzungen des Körpers sogenannte Stresshormone. Eines dieser Hormone ist das Adrenalin. Durch dieses wird in den Muskelzellen die dort gespeicherte Glukose (Fleischzucker) in Energie umgewandelt. Diese bereitgestellte Energie wird aber nicht verbraucht, da die Rinder beim Transport angebunden sind, oder eng zusammengepfercht stehen, sondern im Fleisch abgelagert, wodurch es zu einer Übersäuerung des Fleisches kommt.
Eine PH-Wertabsenkung ist also aus Gründen der Haltbarkeit und Schmackhaftigkeit des Fleisches erwünscht. Wenn das Fleisch jedoch durch Stressbelastung übersäuert ist, so wird es leimig und dunkel, hat einen faden Geschmack und verringerte Haltbarkeit.

Werden die Tiere zu lange nicht gefüttert und getränkt, sind sie stark erschöpft oder stehen unter Stress, so ist das Muskelglykogen bereits vor der Tötung abgebaut/verbraucht.

Auch die Faktoren bei und nach der Schlachtung (Hygiene, Verfahren und Zeitpunkt der Zerlegung, Reifeprozess, Reifesteuerung und Reifeverfahren) spielen ebenfalls eine große Rolle. Das Betäubungs- und Tötungsverfahren hat somit einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität des Fleisches.

© Ingo Wandmacher

Opfer der Globalisierung

Für ein in Deutschland geborenes Rind (für jedes andere Nutztier auch), gelten laut Gesetz die Tierschutzbestimmungen Deutschlands bis zu dem Ort des Schlachtens, auch wenn dieser Ort mehrere tausend Kilometer entfernt liegt. Doch spätestens nach Verlassen der EU-Grenzen, sind unsere Nutztiere den herzlosen und profitgierigen Machenschaften des Menschen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

Nun wird sich vielleicht manch einer fragen, was Viehtransporte mit dem Genuss unseres hier gekauften Fleisches zu tun haben.

Doch auch bei uns wird Fleisch aus anderen Ländern angeboten. Rindfleisch aus Großbritannien oder Argentinien, Lammfleisch aus Neuseeland, Hühnchen aus Brasilien, um nur ein paar zu nennen. Bei diesem importierten Fleisch wissen wir weder, welche Transportwege das ehemals lebende Tier zurücklegen musste, noch ob es artgerecht gehalten wurde oder welche Futtersorte es bekommen hat.

Das importierte Fleisch landet jedoch oft in verarbeiteten Fleischprodukten wie in der Wurst oder in Fertiggerichten. Bei diesen Waren ist es für den Verbraucher nahezu unmöglich, die Herkunft des Fleisches nachzuvollziehen.

Außerdem ist klar, das Fleisch aus der Massentierhaltung – auch wenn es aus unserer Region kommt – ist mit genau so vielen Stresshormonen durchsetzt, wie das Fleisch vom Viehtransport. Denn Massentierhaltung hat mit artgerechter Tierhaltung nichts gemeinsam.

Laut einer Statistik gibt es in Deutschland 387 fleischverarbeitende Betriebe. 26 Prozent aller Fleischerzeugnisse in Europa sollen in Deutschland hergestellt werden – gefolgt von Spanien/Italien (11 Prozent), Frankreich/Polen (9 Prozent) und Großbritannien (8 Prozent).

Etwa die Hälfte aller Landwirte in Deutschland hält Rinder, um Milch, Fleisch oder beides zu erzeugen. Während die Zahl der Rinderhalter sinkt, steigt die Herdengröße: Über zwei Drittel der Rinder leben in Betrieben, die mindestens 100 Tiere halten.

Laut einer Erhebung zum 1. März 2016 wurden lediglich 6 % der Rinder, also 700 400 Tiere, ökologisch gehalten.


Und wer diese Rinder schon mal auf einer grünen Weide gesehen hat, der konnte vielleicht beobachten:

„… wie bestimmte Artgenossen wiederholt zusammen liegen oder gegenseitige Körperpflege betreiben. In ihren natürlichen Lebensräumen, Wäldern und Steppen, legen Rinder täglich mehrere Kilometer zurück, indem sie im langsamen Vorwärtsgang Gras und Kräuter abgrasen, und das etwa 10 Stunden am Tag.“

So ein Leben, wenn auch ein kurzes, aber eben „richtiges“ Leben, würde ich mir für alle unsere Rindviecher wünschen! Dann würde mir das Steak gleich doppelt so gut schmecken!

© Ingo Wandmacher