Jens Mecklenburg

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Vom Protest- zum Gourmetschwein

Neues vom Biohof Backensholz
12. August 2019

Metzger-Petersens Hier betreiben die Metzger-Petersens seit über 25 Jahren nach Bioland-Richtlinien ökologische Landwirtschaft. Diesmal gilt mein Besuch nicht ihren weit über die Landesgrenzen hinaus gerühmten Käsespezialitäten, mein Interesse gilt einer Schweineherde. Auf dem schmucken Bio-Bauernhof leben seit einiger Zeit Rotbunte Husumer – die einzige Schweinerasse weltweit, deren Entstehungsgeschichte politisch motiviert war.


Dem Genuss auf der Spur

Man stelle sich vor, ein schleswig-holsteinischer Filmemacher dreht einen Film und gewinnt damit den Oscar. Vergleichbares gelang der Familie mit dem World Cheese Award für Ihren 18 Monate gereiften Deichkäse. Ein hochkonzentrierter Feinschmeckerkäse mit feinen Butteraromen der nach Karamell, Walnuss und gerösteten Mandeln schmeckt. Zu feinem Portwein und edelsüßem Wein eine Ode an den guten Geschmack. Ihm gelang, was vorher noch keinem Käse aus dem Norden gelang: Er setzte sich gegen starke internationale Konkurrenz aus 34 Nationen durch. Die Franzosen wunderten sich und fragten: wo bitte liegt Nordfriesland?


Vom Protest- zum Gourmetschwein

Die Familie eint, neben der Überzeugung für die ökologische Landwirtschaft, vor allem die Freude am Genuss. Als die beiden Söhne von Martina und Ernst Metzger-Petersen nach Ausbildung, Studium und Wanderjahren nach Backensholz zurückkehrten, wollten sie selbstverständlich auch neue Impulse setzen. Jasper ist wie sein Vater für die Landwirtschaft zuständig, Thilo wie seine Mutter für den Käse. Als neues Standbein etablierten die beiden Brüder die Schweinehaltung. Als Schweinefreund geht mein Herz auf, als Thilo mich zur Koppel führt. Mich begrüßt eine muntere Schar von 50 Rotbunten Husumer Schweinen. Einige sind neugierig, kommen zum Schnüffeln, andere haben Besseres zu tun. Die rot-weißrote Schweineschar lebt auf Backensholz vor allem auf der großen Weide. Besonders die Jungschweine büxen gern mal aus und statten dem Gemüsegarten der Mutter einen Besuch ab. „Schweine sind halt Feingaumen, wenn sie artgerecht gehalten werden“, berichtet Thilo schmunzelnd. Gefüttert werden sie u.a. mit der Molke des Käsebetriebs, ein Delikatessfutter. Warum gerade das Husumer Schwein, frage ich Thilo Metzger- Petersen. „Ganz einfach. Wir wollten ein robustes Schwein für die Freilandhaltung, eins mit besonderer Fleischqualität, ein Schwein aus der Region und eine alte Rasse. Da kam nur das Husumer Schwein infrage.“ Da die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr ihre rot-weiß-rote Nationalflagge (den Dannebrog) hissen durfte, züchteten die Angehörigen Schweine in den Farben rot-weiß-rot. Die Schweine fungierten als Zeichen des Protestes. Und weil damals nahezu jeder sein Hausschwein hatte – man war Selbstversorger – war die Population der Rotbunten Husumer Schweine groß. Aber auch die Deutschen, Protest hin oder her, hielten sich bald das Schwein, denn es war robust und ein gutes Muttertier. Husum, die Stadt Theodor Storms und seines Schimmelreiters Hauke Haien, war Namensgeber, da in der Stadt einer der größten Viehmärkte nördlich der Eider stattfand. Unter den im Norden Deutschlands beheimateten Angler Sattelschweinen, tauchten immer wieder rot-weiß-rote Farbschläge auf. Daneben kam es zur Kreuzung von Holsteinischen und Jütländischen Mastschweinen mit dem roten englischen Tamworth-Schwein. Diese brachten die kräftige rote Farbe, die Robustheit und die aparten Stehohren mit ein. 1954 wurde das „Protestschwein“ dann offiziell als Rasse anerkannt. In den 70er Jahren galt das Schwein aber schon fast wieder als ausgestorben. Moderne Rassen mit weniger Fett und schnellerem Wachstum verdrängten die alten Schweinerassen, die für die Massentierhaltung nicht geeignet sind. Doch Mitte der 80er Jahre begannen zum Glück Zoologen und Liebhaber mit der Sicherung der letzten reinrassigen Exemplare und der Rückzüchtung der Rotbunten Husumer. Das großrahmige, widerstandsfähige Landschwein hat eine dicke Fettschicht. Der hohe Gehalt an Fett im Muskelfleisch sorgen für den guten Geschmack und ein herzhaftes Aroma.

Die Schweine werden mit einem Jahr von den Brüdern zusammen zum Schlachter gebracht. Ein Frage des Respekts. Schweine aus konventioneller Massentierhaltung werden höchsten 5 Monate alt. „Das Schwein ist lebendiges Kulturgut“, findet Thilo Metzger-Petersen. Ein Schwein wie das Land: heimatverbunden, robust, lebendig, im Kern friedlich, aber wenn es angebracht erscheint, auch widerspenstig und dabei saulecker. Aus dem einstigen Protestschwein wurde ein Gourmetschwein. Eine Schweinerasse wie geschaffen für den Backensholzer Bio-Genuss-Hof.

© Metzger-Petersen

v. li. Thilo, Ernst, Jasper, Martina Metzger-Petersen