Gisela Reiners

Journalistin

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Treue Seele, Manager, Sternekoch

Köche am Meer – Lutz Niemann
16. Dezember 2017

„Ich bin zufrieden“, sagt Lutz Niemann, der Mann mit dem Schnauzbart und der Fransenfrisur, Sternekoch und Küchenchef der „Orangerie“ am Timmendorfer Strand. Er ist eine treue Seele mit hohem Qualitätsanspruch.

Lutz Niemann ist eine treue Seele. Seit 1990 kocht er in der „Orangerie“, dem Gourmetrestaurant des „Maritim Seehotels“ in Timmendorfer Strand. Seit 1994 funkelt hier ein Stern im Michelin-Führer, jedes Jahr von neuem verliehen für großartige Kochkunst. Der Mann mit der Fransenfrisur und dem Schnauzbart, der trotz schneller Schritte mit Luftzug immer irgendwie gelassen wirkt, lächelt freundlich und sagt dazu: „Ich bin zufrieden.“

Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Niemann kocht nicht mehr jeden Tag. Das überlässt er dem Souschef, Küchendirektor Thomas Lemke. Er selbst hat inzwischen Aufgaben innerhalb des Konzerns übernommen. Aber es geht nichts aus der Küche, was der Chef nicht mit konzipiert, getestet, verworfen, erneuert, abgeschmeckt, verändert und am Ende für gut befunden hat. Sein Qualitätsanspruch ist legendär. Die Produkte müssen erstklassig sein, die Zubereitung handwerklich perfekt. Da gibt es kein Vertun. „Der Michelin lobt Geschmack und Harmonie der Speisen im eleganten Restaurant, das in Gold- und Creme-Tönen mit schwarzen Akzenten gehalten ist. Seit 18 Jahren kommt Deutschlands bester Koch, Harald Wohlfahrt, im Herbst mit drei Sternen im Gepäck, und kocht mit ihm zwei Abende für jeweils 60 Gäste im Rahmen des Schleswig-Holstein Gourmet Festivals. „Inzwischen sind wir Freunde.“


Nah am Meer

Von den Köchen an den Küsten Schleswig-Holsteins arbeitet wohl kaum einer so nah am Meer wie Lutz Niemann. Aus seinem Büro, in dem drei Bildschirme und viele Bücher stehen, schaut er direkt auf die Lübecker Bucht, vom Wasser nur getrennt durch die Uferpromenade und den Strand. Er weiß, was seine Gäste wollen: Fisch, Fisch und Fisch. „Die kommen an, sehen die Wellen und wünschen sich Fisch.“ Und den gern ganz klassisch.

Niemann: „Am Anfang habe ich den Gästen erklärt, was ich Tolles aus einer Seezunge machen kann. Man hörte mir freundlich zu und fragte dann: Kann ich die Seezunge auch ‚Müllerin‘ haben? Den ganzen ausgenommenen Fisch zu braten ist eine sehr klassische Zubereitungsweise. Ich weiß jetzt, dass meine Gäste konservativ sind und gern Feines essen, aber es muss nichts exotisch Zubereitetes sein.“

Also gibt es ein Meeresfrüchte-Menü mit bretonischem Hummer, Jakobsmuscheln und Atlantik-Heilbutt; zur Auswahl stehen auch Königskrabben und Loup de Mer, Thunfisch, Garnelen und Gillardeau-Austern. Da die meisten Meeresfrüchte nicht aus der Ostsee zu haben sind, achtet Niemann auf Regionales beim Fleisch, Gemüse, Obst und anderen Zutaten – und das nicht nur für seine Küche in Timmendorf, sondern für alle 34 Maritim-Häuser in Deutschland. Denn seine Aufgabe innerhalb der Maritim-Kette ist stetig gewachsen.


Manager & Tüftler

Niemann ist im Konzern zuständig für den Einkauf der Lebensmittel, die in den Hotels verarbeitet werden. Da kommen schon mal 60 000 Räucherlachse, ein paar Millionen Eier und 60 Tonnen Bacon im Jahr zusammen. Es geht um Mengen, Qualität, Preise und Liefertermine. Niemann hat das im Griff. Er ist auch dabei, wenn neue Küchen eingerichtet werden und Abläufe zu optimieren sind. Er entwickelt Verfahren, die sicher stellen sollen, dass in allen Restaurants die gleiche hohe Qualität auf die Tische der Gäste kommen. Auch, wenn es zum Beispiel um halbe Enten geht.

Bestellt ein Gast so ein halbiertes Tier, stellt sich die Frage, was mit der zweiten Hälfte passiert. Niemann hat ein Verfahren entwickelt, bei dem das Fleisch speziell vorbereitet und vakuumiert wird. Das Rückgrat wird entfernt, das Fleisch vorgegart. Nimmt man es aus dem Beutel kann es im Ofen zubereitet werden, als sei es frisch. „Die Haut wird genau so knusprig wie bei der anderen Hälfte.“ Auf so etwas muss man erst einmal kommen. Das verlangt sehr viel Erfahrung und den steten Umgang mit neuen modernen Kochgeräten und Garmethoden. Das Arbeitsgebiet Niemanns geht also weit über die 46 Quadratmeter Küche der „Orangerie“ hinaus, in der ein Team aus zehn Köchen und sieben Servicekräften flink und zuverlässig auch für vegetarische Leckereien sorgt.


Nachhaltigkeit

„Kein Angebot für Vegetarier zu haben, kann zum k.o.-Kriterium werden, besonders bei Tagungen“, sagt der Chef. Die Zeiten, in denen man Gemüseplatten und ein pochiertes Ei servierte, sind Vergangenheit. „Wir haben uns angewöhnt, nicht mehr vom Tier her zu denken, sondern umgekehrt. Wir sagen also zum Beispiel Sellerie, Tomaten oder Schwarzwurzeln, entwerfen die Zubereitung und sehen dann zu, was wir dazu geben: Fisch, Fleisch, Huhn, Wild. So kann man beide Seiten zufrieden stellen, ohne dass es langweilig wird.“

Nachhaltigkeit ist auch ein wichtiges Thema für Niemann. Wie schafft man es, dass weniger Lebensmittel, zum Beispiel von den Frühstücksbüffetts, weggeworfen werden müssen? „Das ist nicht nur eine Frage der Kostensenkung, sondern auch eine ethische.“ Es folgt dem Aufruf der Bundesregierung „Zu schade für die Tonne“ und achtet darauf, dass die Platten auf den Buffets lieber immer frisch nachgefüllt werden als dass am Ende zu viel übrig bleibt, das unweigerlich, weil vorschriftsmäßig, im Abfall landet. „Ich kann das gar nicht gut ansehen.“


Zufriedenheit

Der Chef hat die Augen überall, ist aber dennoch präsent und konzentriert. „Ich arbeite von 11 bis 23 Uhr, brauche nur sechs Stunden Schlaf.“ Ehefrau Monika hat sich dem Rhythmus angepasst, notgedrungen. „War nicht immer einfach für sie, besonders als unsere beiden Söhne klein waren.“ Aber dafür gebe es auch Ausgleich. Auch im Ausland gebe es noch 14 Maritim Hotels, darunter auf Mauritius und Malta, in Spanien und Ägypten. Da könne man schon mal eine schöne Reise machen und am Pool ein Gläschen Champagner schlürfen. „Nur abheben darf man nicht“, sagt der Chef und lacht sein vergnügtes Lachen, das typisch ist für ihn.

Schicke Reisen waren nicht angesagt, als Niemann 1960 in Schöningen an der Elm, einem Höhenzug bei Helmstedt, geboren wurde. Der Vater war Schlachter, der Sohn bekam schnell ein Gefühl für Lebensmittel und ihren Geschmack. Am ersten Tag seiner Kochlehre im Kurhaus Bad Harzburg („klassische Ausflugsgastronomie“) konnte er lässig fragen, ob er mal eben die Schweinekeule auslösen solle, die gerade geliefert wurde. Das brachte Punkte. „Ich war ein richtiger Milchbubi damals, aber ich brauchte keine Kartoffeln und Zwiebeln schälen. Da war ich froh.“

Dann gab es plötzlich die Chance, in Brasilien zu arbeiten. Niemann ergriff sie, ging für ein Jahr nach Salvador de Bahia, kam zurück, machte den Küchenmeister, bewarb sich für Timmendorf. Als sich einmal die Gelegenheit für eine Selbstständigkeit auf Sylt bot, streikte die Ehefrau. Niemann blieb im Lande und bereut nichts. „Es war eine gute Entscheidung. Ich bin sehr zufrieden.“

Koch jongliert mit 3 Orangen
© Ingo Wandmacher

Orangerie im Maritim Seehotel

Strandallee 73b
23669 Timmendorfer Strand

Telefon: 04503 / 605-0
Email: info.tim@maritim.de
www.orangerie-timmendorfer-strand.de