Boris Rogosch

Foodtalker

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So schmeckt der Limfjord

Von Muscheln, Austern und Natur
4. Oktober 2022

Erzählt man Freunden, dass man gerade auf einem Kurztrip am Limfjord war, erhält man zunächst ein verständliches Nicken. Klar Limfjord, muss toll sein! Aber kaum jemand, den ich gefragt habe, kann sich näher zum Limfjord äußern. „Ach ja, da oben in Dänemark oder liegt es in Norwegen? Austern gibt’s da und Muscheln auch, glaube ich ….“. So ähnlich ging‘s mir auch, ich hatte kein genaues Bild, konnte lediglich ungefähre geografische Angaben machen und wusste, dass meine Lieblings-Fischkonserven, die Blaumuscheln und Herzmuscheln von FANGST, von hier kommen. Nichts Genaues wusste ich also, bis mich der Herausgeber dieses Magazin darum bat, doch mal hinzufahren und herauszufinden, wie diese schöne Region in Dänemark schmeckt.

Unser Autor bei der Austernsafari © Boris Rogosch

Von Austern und Blaumuscheln Der Limfjord liegt im Norden Jütlands und zieht sich einmal quer über ca. 150 km von der Nordsee bis zur Ostsee mit knapp 1000 km Küstenlinie. Die bekannteste Stadt am Limfjord ist Aalborg – auf der östlichen Seite des Limfjords gelegen. Auf der Nordseeseite bildet das Städtchen Thyborøn den Eingang zum Fjord. Beide Städte habe ich ausgelassen und bin stattdessen direkt zum mittleren Teil des Limfjords, zum Zentrum der Muschel- und Austernfischerei, gefahren. Denn um eine Region kennenzulernen, muss ich sie nämlich zuerst einmal erschmecken.

Und so passiert es auch, denn im Limfjordmuseum in Løgstør, wo ich meine Tour starte, kann ich mich nicht nur über die Kulturgeschichte des Limfjords informieren, sondern diese auch probieren. Die hiesigen Miesmuscheln (Blaumuscheln) und der gereichte Schnaps -aromatisiert mit Kräutern und Früchten der Region – sind mit der Geschichte der Stadt Løgstør eng verwoben, wenngleich die Miesmuscheln lange Zeit als nicht sonderlich geeignete menschliche Nahrung angesehen wurden. Vielmehr war das primäre Genuss – und Handelsgut, die mittlerweile selten gewordene Limfjord-Auster.

Das hat sich heute geändert, denn die Miesmuschel wird heute von hier nach ganz Europa exportiert. Wer Miesmuscheln selbst sammeln und zubereiten möchte, kann dieses getrost am Limfjord machen, sollte hierfür allerdings ein paar Regeln befolgen, die es auf der Webseite www.destinationhimmerland.de zu finden gibt. Aber Muscheln werden hier nicht nur verzehrt, sondern, man gibt sich Nachhaltig, auch die Schalen finden Verwendung: für die Gestaltung von Schmuck und sogar zum Auffüllen von Straßen.

Alles Bio

Ich verlasse die kleine Hafenstadt Løgstør in Richtung Rønberg Havn (Hafen). Hier muss das Auto stehenbleiben, denn das nächste Ziel ist die Insel Livø und hier sind keine Autos gestattet. Nach ca. 20 Minuten Fährfahrt erreiche ich die Insel und es begrüßt mich Jesper, ein Mann mit weißem Rauschebart und einer so ansteckenden Lache, dass man ihn sofort gernhaben muss.

© Boris Rogosch

Mit Jesper erkunde ich die Insel, die man in ca. 1,5 Stunde zu Fuß umrunden kann. Wir nehmen wetterbedingt seinen Elektro-Traktor mit Hänger und kurven über die naturbelassene Insel, stoppen hin und wieder, um den wunderbaren Ausblick und die wuchernde Fauna zu bestaunen. Jesper, bekannt als „Kjøgemesteren“, leitet seit 6 Jahren gemeinsam mit seiner Frau das Livø Feriencenter nebst dazu gehörigem Café, Restaurant und Kaufmannsladen. Gekocht wird hier nur mit Bio-Produkten und vornehmlich mit dem, was auf oder rund um die Insel zu ernten und sammeln ist.

Außerhalb der Sommersaison, in der die 250 Betten und die wilden Campgrounds gut gefüllt sind, leben nur 6 Menschen auf der kleinen Insel, die auch eine Biofarm mit Black Angus Rindern beherbergt.

Jesper kocht mir und den anderen Gästen eine seiner Spezialitäten: Miesmuscheln in einem Sud aus Steinpilzen, Sellerie, Zwiebeln, Weisswein, Apfelsaft, Sahne, BlueCheese und einem Zweig Estragon. Ich darf sagen, die besten Miesmuscheln, die ich je gegessen habe und ich habe schon viele Miesmuscheln verzehrt. Vorweg gab’s geröstetes Brot von Mehl von der Insel, mit Steinpilzen und Staudensellerie. Köstlich. Danach eigens gesammelte Brombeeren mit Creme Fraiche von der Molkerei Thise in Roslev auf dem Festland.

Bei Jesper kann man sich auch außerhalb der Saison als Gruppe einmieten und seine Küche genießen. Er versteht sich bestens in der Zubereitung von traditionellen Wikingergerichten und ist zu jeder Jahreszeit ein Verfechter der Outdoorküche.

Austern Paradies

Gut gestärkt geht’s aufs Fährboot, das mich nach Nykøping auf der Insel Mors bringt. Hier sind viele der Fisch- und Muschelverarbeitenden Betriebe beheimatet genauso wie das Dänische Schalentierzentrum (Dansk Skyldyrcenter). Hier wird an Schalentieren und Seetang geforscht. Aber auch die Zucht der bedrohten Limfjord Auster und des Schwarzen Hummers wird hier betrieben.

Gäste haben jeden Samstag, außerhalb der Sommermonate, die Möglichkeit auf Austernsafari zu gehen. Ausgestattet mit Watthosen, Handschuhen, einem Fangsieb und Eimer geht’s ab ins seichte Wasser. Eine vorbeiziehende Robbe schaut neugierig rüber, hält aber Distanz. Schon nach ein paar Minuten kann man am Grund zwischen Stein und Auster unterscheiden und abernten. Ich ernte vornehmlich die eingewanderten pazifischen Austern, die die Einheimischen mehr und mehr verdrängen. Mit zwei Dutzend Austern geht’s zurück auf’s Trockne, wo diese sogleich verkostet werden. Ich genieße die erste Auster immer pur, danach darf es auch mit Zitrone, Vinaigrette oder etwas Ausgefallenes sein.

© Boris Rogosch

Gegenüber von Nykøbing auf der anderen Uferseite liegt Glyngøre – durch eine Brücke miteinander verbunden. Die alte Fischerstadt mit ihrem hübschen Hafen ist eines der Zentren der Austernfischerei am Limfjord und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich hier Dänemarks einzige Austernbar befindet. Hier gibt es tatsächlich nichts Essbares außer Austern, was mir aber vollkommen reicht. Neben Zitrone wird die Auster hier gern mit Zwiebel, mildem Essig und etwas Zucker genossen.

Natürlich wird hier auch die selten gewordene Limfjord Auster, die in aller Welt einen hervorragenden Ruf genießt und von hier in die Spitzenrestaurants im In – und Ausland geliefert wird, serviert. Ihr Geschmack ist leicht salzig und mit nussiger Note. Die Wassertemperatur und der geringe Salzgehalt im Limfjord machen diese wildlebende Auster zu etwas ganz Besonderem. Gleich nebenan mit Blick über den Limfjord und seine spektakulären Sonnenuntergänge befindet sich das Limfjordens Hus. Das schwarzgetünchte Gebäude präsentiert sich innen im modernen skandinavischen Chic und empfängt mich mit einem 4-Gänge Menü aus lokalen Produkten. Küchenchef und Besitzer des Restaurants ist Rasmus Kardyb. 12 Jahre hat er als Koch in Spitzenrestaurants in Kopenhagen gearbeitet, bis es ihn in die Heimat zurückzog, er das Traditionshaus Limfjordens Hus übernahm und komplett renovierte. Sein Küchenstil, eine raffinierte moderne Interpretation der traditionellen Küche aus lokalen Produkten, überzeugt durch seine Einfachheit und Geschmacksintensität.

Wer kein Wohnmobil dabei hat oder eines der vielen Ferienhäuser mieten will, findet eine Reihe schön gelegener Hotels, wie zum Beispiel das Hotel Strandtangen, direkt am Yachthafen von Skive mit wunderschönem Blick über den Fjord.

Und wenn man schon mal direkt am Yachthafen übernachtet, so besteht hier die Möglichkeit, ein Kajak oder Stand-up Board zu mieten und eine kleine Tour über den Fjord zu machen. Freizeitskipper sind zwar

reichlich unterwegs, aber die nutzen meist das ausgewiesene Fahrwasser, da der Limfjord an vielen Stellen recht seicht ist. Das wiederum führt zu angenehmen Wassertemperaturen, die nicht nur den Badenden gefallen, sondern auch den Schalentieren, die darin gut gedeihen. Auch unter Anglern ist der Limfjord ein beliebtes Ziel, da hier u.a. die Meerforelle reichlich vertreten ist.

Wer nicht auf dem Wasser aktiv sein möchte, findet ein sehr gut ausgebautes Rad- und Wanderwegenetz. Die Tour rund um den Limfjord beträgt übrigens 380 km. Aber auch wer den Limfjord mit dem Auto erkundet, wird die liebliche Landschaft rund um den mäandernden Sund, umgeben von welligen Hügeln mit grünen Wiesen und kleinen Orte, geniessen.

Feinste Spirituosen

Nach dem Besuch der Braenderiet Limfjorden (Brennerei Limfjord) direkt am Hafen von Sundsøre sollte man jedoch mit dem Autofahren etwas vorsichtig sein. Whisky, Rum, Brandy, Gin und neuerdings auch Calvados mit lokalem Einschlag werden hier von Ole Mark Jensen produziert und können selbstverständlich auch bei einer Führung verkostet werden. Mein Tipp: Cold Hawaii Gin mit lokalem Tonicwater. Aber auch die anderen Spirituosen lohnen einen Probeschluck genau wie das selbstgebraute Bier. Wer das Erlebnis verlängern möchte, mietet sich in einer – der zur Brennerei gehörenden – Hütten ein.

© Boris Rogosch

Seicht ins Wasser

Gibt’s denn am Limfjord auch Sandstrände, habe ich mich gefragt?

Und tatsächlich, es gibt sie. Einer hat mich ganz besonders angesprochen: Lyby Strand in Roslev. Hier geht’s seicht ins Wasser und gleich hinter dem Strand das Lyby Strand Restaurant. Frisch renoviert, bietet man hier traditionelle dänische Küche mit modernem Touch an. Ich durfte hier, zubereitet von Chef Søren Børsting, das Lieblingsgericht der Dänen genießen (laut Umfrage der größten dänischen Zeitung): Neue Kartoffeln, Bechamelsoße, Petersilie, Rote Beete und gerösteter Schweinebraten.

Ich frage mich, warum ich den Limfjord nicht schon vorher besucht habe? Denn eines ist jetzt schon klar, ich komme wieder. Es ist gibt hier noch so vieles mehr zu entdecken. Die Käserei zum Beispiel, die mir Jesper von der Insel Livø empfohlen hat, muss ich unbedingt besuchen, dafür reichte die Zeit nicht mehr. Den Bluecheese und die Creme Fraiche habe ich selten besser gegessen. Und nicht zu vergessen die Menschen, denen ich begegnet bin: Relaxed, warmherzig, humorvoll mit ganz viel Liebe für ihre Region, für ihre Produkte und für ihre Gäste.

Aber auch die vielen Festivals, ob Kunst, Musik oder Food, die hier das ganze Jahr über stattfinden, sind ein guter Grund für weitere Besuche. Vielleicht sogar schon am 15. + 16.10., wenn in Nykøbing auf Mors die Schalentiersaison eröffnet wird. Fazit: Der Limfjord schmeckt nach Meer und unglaublich gut.

Weitere Infos

Über die Region
Limfjord Museum
Insel Livø
Limfjorden Hus in Glygøre
Hotel Strandtangen in Skive
Dänische Schalentierzentrum / Austern Safari
Limfjord Brennerei
Restaurant Lyby Strand

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