Ein Beitrag von Ira Scheidig
Seit bald 25 Jahren besteht die Band Soulrender, mit ihrem aktuellen Album „Circles“ haben es die Musikerinnen und Musiker aus Bremen und dem Umland bis in die britischen Soul-Charts geschafft. Ihre Songs werden von Radiosendern in Kanada, den USA, Italien, Frankreich oder Schweden gespielt. Welche Pläne hat die Band für die Zukunft?
Die Menschen vor der Bühne klatschen und wippen begeistert mit der Musik. Die Band Soulrender tritt zum ersten Mal auf dem Bremer Open-Air-Festival Breminale an der Weser auf. Die Musik kommt an, und das nicht nur beim norddeutschen Publikum. Überrascht wurde die Band in diesem Jahr von der Nachricht, dass es ihre Musik in die britischen Soul-Charts geschafft hat. Dass eine norddeutsche Band aus Hobby-Musikerinnen und -Musikern plötzlich international Beachtung findet, erstaunt die Mitglieder nach wie vor.
Wie es dazu kam? „Ich verfolge die britische Soulszene und habe einfach mal Radiostationen dort angeschrieben. Dann kam ganz schnell positives Feedback und unsere Songs wurden dort gespielt“, freut sich Keyboarder Tim Vollmers, der in Bremen als Bierbrauer arbeitet. Das Album „Circles“ platzierte sich schnell in den britischen Soul-Charts ganz weit vorne und blieb dort wochenlang neben großen Namen. „Ich konnte es gar nicht glauben und war sprachlos“, erzählt Gitarrist Jürgen Block, der als Vermessungstechniker in Bremerhaven arbeitet. „Wir müssen uns gerade mal kneifen! Unser Album ist auf Platz 8! der UK Soul Chart gelandet!“, schreibt die Band auf ihrer Website. Ihre Songs werden von Radiosendern in Kanada, den USA, Italien, Frankreich oder Schweden gespielt.
Vergleiche mit legendären Soul-Formationen
Auch in Deutschland feiert Soulrender Erfolge, wurde vierfach ausgezeichnet beim Deutschen Rock- und Pop-Preis, unter anderem mit dem ersten Preis als beste Funk-and-Soul-Band. Das Musik-Magazin „Soultrain“ hat das aktuelle Album zum „Soul Train Hot Tip“ gekürt, auf seiner Website hießt es: „Wer vergleichbare Ankerpunkte braucht, sich der wunderbaren Musik von Soulrender, egal ob nun ‚Circles‘ oder ihr Erstlingswerk ‚Every Head Is A Jungle‘, zu nähern, wird sich bei teils legendären Formationen wie Shakatak, Mezzoforte, Fritz Brause, Matt Bianco, aber auch Maze oder Incognito wiederfinden.“ Geschafft hat Soulrender den Erfolg ohne Plattenfirma, ohne Label, ohne Agentur.
Geprobt wird hinterm Deich
Profi-Musikerinnen und -Musiker sind sie bei Soulrender alle nicht, haben aber einen professionellen Anspruch an ihre Musik. Hauptberuflich arbeiten sie als Sozialarbeiterin, Lehrer, Hotelfachfrau oder Hafenarbeiter im Bundesland Bremen oder im angrenzenden Niedersachsen. Die Stadt Bremen spielt für die Band eine große Rolle, nicht nur wenn sie auf dem Festival Breminale oder beim City-Sommerfest HOEG auftreten. Tina Kludig mag die Schlachte mit ihren Biergärten direkt an der Weser und auch die vielen kleinen Eckkneipen im Bremer Viertel. Vor allem aber liebe sie die norddeutsche, direkte, offene Art der Bremerinnen und Bremer.
Backgroundsängerin Celina Seifried gehören, machen schon ihr Leben lang Musik. Ihre Songs entstehen zwischen Bremen und Bremerhaven in einer Hütte in Wersabe, gleich hinterm Deich an der Weser. Dort wird regelmäßig geprobt, an neuen Songs gefeilt, zusammengesessen und nach eigenem Bekunden viel gelacht. Beim Jammen entstünden Songideen, die sie dann ausprobierten. „Das ist total ausgewogen bei uns. Jeder bringt etwas ein“, sagt die 39-jährige Sängerin Tina Kludig.
Vom Hip-Hop zum Soul
Die Band gründete sich 2001 und begann hauptsächlich mit Hip-Hop, im Laufe der Jahre wurde sie musikalisch aber immer vielseitiger. Tina Kludig, die 2016 dazu stieß, brachte so viel Kreativität in die Band, dass innerhalb eines Jahres fast alle Songs des ersten gemeinsamen Albums „Every Head Is A Jungle“ entstanden, das 2020 erschien. Soul und Funk rückten immer mehr in den Vordergrund. „Die Band ist meine Heimat geworden“, freut sich Kludig, die vorher schon in anderen Bands gesungen hat. Die Ideen zu den Texten kommen aus dem Alltag. „Beim Zuhören soll man sich identifizieren können“, unterstreicht die gebürtige Bremerin.
Der Zusammenhalt der Band ist groß, es werden gemeinsame Unternehmungen gemacht, man sei beinahe eine Familie, erzählen die Mitglieder. Ihnen allen gehe es um das gemeinsame Musizieren und um das Endergebnis: einen guten Song zu erschaffen. „Es ist ein langer Kreativprozess“, sagt Schlagzeuger Stephan Besl, der in Bremen-Vegesack lebt. Hierarchien gebe es nicht, auch die Einnahmen und Tantiemen würden gerecht durch alle gleich geteilt – nicht unbedingt üblich im Musikbusiness. „Das sind ja Gemeinschaftsarbeiten und wir teilen das alles“, betont Tina Kludig. „Keiner muss sich profilieren, alle sind unprätentiös“, sagt Tim Vollmers.
„Zeitlose Songs, die gut altern dürfen“
Es sei aber auch nie das Ziel gewesen, mit den Songs Geld zu verdienen, sondern einfach gute Musik zu machen. „Wir müssen keinen Markt bedienen, das nimmt auch den Druck aus der Kreativität“, so Tim Vollmers. „Es soll Spaß machen. Unsere Musik ist qualitativ immer besser geworden, das ist auch unser Anspruch“ betont er. Die Songs sind eingängig, kompositorisch durchdacht und geschmackvoll arrangiert: „Zeitlose Songs, die gut altern dürfen“, betont Jürgen Block. „Wir sind endlich da angekommen, wo wir hinwollten.“ Drei Jahre haben sie am aktuellen Album „Circles“ gearbeitet, viel Herzblut hineingesteckt. Produziert wurde es zusammen mit dem im Bremer Umland lebenden Musiker Peter Muller. „Er hat unser Potenzial erkannt und unseren Songs den letzten Schliff verliehen“, sagt Keyboarder Tim Vollmers.
Bei Liveauftritten lieben die Bandmitglieder die Interaktion mit dem Publikum, sie freuen sich, wenn die Menschen mitmachen, wenn getanzt, mitgewippt und gefeiert wird. „Dann entsteht ganz viel Energie und unsere Freude überträgt sich auf das Publikum“, so Stephan Besl. „Aufgeregt sind wir vor Liveauftritten immer noch, aber Lampenfieber gehört auch dazu“, ergänzt Gitarrist Jürgen Block.
Der Traum ist eine Tournee
Die Bandmitglieder freuen sich nun auf die Arbeit an neuen Songs. Ein gemeinsamer Traum wäre eine Tournee, erzählen sie. Auch wenn sie in anderen Berufen tätig sind und es schwierig ist, zeitlich alle unter einen Hut zu bekommen, hoffen sie, dies irgendwann verwirklichen zu können. Bis dahin sind sie bei einzelnen Gigs zu erleben, im Sommer 2024 beispielsweise auf der ostfriesischen Insel Spiekeroog, in Oldenburg und Pinneberg. „Das Booking macht nach dem internationalen Erfolg jetzt richtig Spaß, weil es immer mehr Anfragen gibt“, lacht Stephan Besl.