Nordlichter – Konrad Koch

Der Wegbereiter des deutschen Fußballs kommt aus Braunschweig
14. Juni 2024
Konrad Koch © Archiv Kurt Hoffmeister/Jean Baptiste Feilner

Wenn es um die Ursprünge des Fußballs in Deutschland geht, lohnt es sich, einen Blick nach Braunschweig zu werfen. Denn hier wurde erstmals Fußball auf deutschem Boden gespielt. 1874 führte Konrad Koch, Lehrer am Braunschweiger Gymnasium Martino-Katharineum, an seiner Schule das Fußballspiel ein.

Unterstützung erfuhr er dabei von seinem Kollegen August Hermann (1835-1906). Dieser beschaffte aus England einen originalen Fußball.

Ein Jahr später legte Konrad Koch die ersten deutschen Fußballregeln vor.

Im Jahre 1874 spielten auf Anregung ihres Lehrers Konrad Koch (1846-1911) einige Braunschweiger Schüler zum ersten Mal in Deutschland Fußball. 1875 veröffentlichte der reformfreudige Pädagoge die ersten deutschen Fußballregeln und gründete den ersten deutschen Fußballverein.

Wer war Konrad Koch?

Wer war Konrad Koch und was waren die Motive und Umstände seines Wirkens? Die Antwort auf diese Fragen ist nirgends besser zu finden als in Konrad Kochs Heimatstadt Braunschweig, der Wiege des deutschen Fußballs.

Tatsächlich fing hier mit einigen begeisterten Schülern des Braunschweiger Gymnasiums Martino-Katharineum alles an: Am 29. September 1874 warf Turnlehrer August Hermann (1835-1906), einen echten Fußball unter die Schüler auf einem Braunschweiger Spielplatz. Den neuartigen Ball hatte er sich eigens aus England schicken lassen. Gemeinsam verfolgten Konrad Koch, der am Martino-Katharineum als Oberlehrer Deutsch und alte Sprachen unterrichtete, und August Hermann, wie die Jungen nach mündlicher Ansage der wichtigsten Regeln um den Ball kämpften und die ersten Tore (damals noch „Male“ genannt) erzielten.

Das neue Spiel aus England glich zunächst noch weitgehend dem Rugby. Um das anfangs noch sehr rabiate Spiel an die Erfordernisse seiner pädagogischen Zielsetzung anzupassen, veröffentlichte Konrad Koch im folgenden Jahr die ersten Fußballregeln in deutscher Sprache. Gleich im praktischen Westentaschenformat, fand Kochs Regelheft weit über den Schulbereich hinaus Beachtung. Es stand damit am Anfang der Bemühungen um ein einheitliches Regelwerk, durch den konsequenten Gebrauch deutscher Begriffe prägen sie bis heute die Fußballsprache in Deutschland.

Auch wenn sich Konrad Koch in den folgenden drei Jahrzehnten als unermüdlicher Vorkämpfer für den Fußball in Deutschland hervortat, seine eigentliche Intention war eine andere. Kaum jemand vermochte das besser zu beurteilen als der Braunschweiger Autor Kurt Hoffmeister. Über dreißig Jahren forscht er und seine Mitstreiter über Koch. Aus seiner Feder stammt u.a. die erste Biografie Konrad Kochs aus dem Jahre 1986, weitere folgten. Kurt Hoffmeisters Arbeiten zeichnen ein detailreiches Bild der Sportgeschichte Braunschweigs am Ende des 19. Jahrhunderts. Sie machen deutlich, dass es nicht zuletzt die Erfahrungen als Lehrer in Braunschweig waren, die Konrad Koch dazu veranlassten, nach neuen Ansätzen für den schulischen Turnunterricht zu suchen.

Schulspiele

„Konrad Koch hat 1872 an seiner Schule in Braunschweig die Schulspiele eingeführt“, erzählte Kurt Hoffmeister. Damit war das Martino-Katharineum in ganz Deutschland führend. „Konrad Kochs Meinung nach sollte Erziehung nicht auf das Klassenzimmer beschränkt bleiben“, so Hoffmeister weiter. „Im Spiel sah er eine besondere Möglichkeit, die Entwicklung der körperlichen und intellektuellen Fähigkeiten sowie der sozialen Kompetenzen seiner Schüler zu fördern“. Konrad Koch habe die Schulspiele deshalb als eine sinnvolle Ergänzung des traditionellen schulischen Hallenturnens verstanden, welches vielfach von Kommandoton und starren Übungen gekennzeichnet gewesen sei. „Er war damit einer der Begründer und maßgeblichen Theoretiker der Spielbewegung in Deutschland“, war sich Kurt Hoffmeister sicher. „In diesen Zusammenhang gehört für Konrad Koch auch das Fußballspiel, welches das Turnen nicht ersetzen, sondern ergänzen sollte.“

Diese pädagogische Auffassung Konrad Kochs lässt sich zurückführen auf eine Beobachtung, die der junge Lehrer bei Klassenausflügen in die Braunschweiger Umgebung machte: Seine Schüler kannten die traditionellen Ball- und Bewegungsspiele nicht mehr, die er selbst in seiner Jugend noch gespielt hatte. Auch die Stadt hatte ihr Gesicht verändert: Wo es früher in Braunschweig noch Höfe und viele Freiflächen gegeben hatte, war es im Zuge der Industrialisierung enger geworden. Zahlreiche Verbote schränkten das freie Spielen zwischen den Häusern ein. Sport- und Spielplätze im heutigen Sinne, gab es in Braunschweig damals noch nicht. Die organisierten Schulspiele sollten hier einen Ausgleich bieten, zu dem – zunächst nur als Winterspiel – auch der Fußball gehörte.

„Beim Fußballspiel findet unsere deutsche, des frischen Spiels im Freien entwöhnte Jugend am schnellsten und leichtesten ihre verlorene Spiellust wieder“, war sich Konrad Koch sicher. Der Erfolg gab ihm recht. Das Spiel aus England wurde schnell so beliebt, dass Konrad Koch an seiner Schule den ersten Schüler-Fußballverein Deutschlands gründete. Gespielt wurde auf einem militärischen Exerzierplatz: dem sogenannten „Kleinen Exer“, außerhalb der Stadt Braunschweig. „Die Schüler mussten sich den Platz mit den Rekruten teilen“, wusste Kurt Hoffmeister. Heute stehen hier das Naturhistorische Museum und das Haus der Wissenschaft. Seit 2006 erinnert dort, am heutigen Rebenring, eine Gedenktafel an das erste Fußballspiel und an Konrad Koch.

In Braunschweig, wo 1874 alles anfing, bewegt der Fußball auch heute noch die Gemüter.

Kleiner Exer 1910 © Archiv Kurt Hoffmeister