Auch die Spitzenreiter des Kreuzfahrtrankings 2024 bieten keine Kreuzfahrt an, die Umwelt und Klima nicht belastet. Mit vielversprechenden Klimastrategien und schon heute umgesetzten technischen Maßnahmen zur Emissionsminderung konnten sich die norwegischen Marken Hurtigruten und Havila an der Spitze positionieren. Dicht dahinter folgen Mein Schiff, Ponant und AIDA. Den zukunftsweisendsten Neuzugang verbucht die Mein Schiff-Flotte von TUI Cruises. Das Schiff soll mit grünem Methanol betrieben werden – so wird klimafreundliche Kreuzfahrt möglich.
Es gehört für Kreuzfahrtreedereien zu den mehr oder weniger unangenehmen Ritualen, dass einmal im Jahr der Naturschutzbund NABU sein Umweltranking der verschiedenen Anbieter veröffentlicht und diese dann darauf reagieren müssen. Denn oft genug legt der NABU hier den Finger in die Wunde der Branche und macht darauf aufmerksam, dass Urlaub auf dem Meer oft keine so saubere Sache ist wie in Hochglanzbroschüren versprochen wird.
NABU stellt in Hamburg Umweltranking vor
So ist es nun wieder bei der Auswertung für dieses Jahr, die an diesem Mittwoch in Hamburg vorgestellt wurde. „Auch die Spitzenreiter des Kreuzfahrtrankings 2024 bieten keine Kreuzfahrt an, die Umwelt und Klima nicht belastet“, heißt es vom NABU. Allerdings geht man dort schon länger nicht mehr auf Totalopposition zu dieser Urlaubsform, sondern will Reedereien dazu animieren, mehr zu tun als gesetzlich vorgeschrieben. Und dieser Ansatz scheint insofern zu funktionieren, als die meisten Reedereien bereit sind, den Fragenkatalog der Umweltschützer zu beantworten.
Am weitesten vorangekommen in Sachen Umweltverträglichkeit sind nach NABU-Maßstäben Anbieter aus dem hohen Norden. „Mit vielversprechenden Klimastrategien und schon heute umgesetzten technischen Maßnahmen zur Emissionsminderung konnten sich die norwegischen Marken Hurtigruten und Havila an der Spitze positionieren“, so der NABU.
Dicht dahinter folgen die Tui-Cruises-Marke „Mein Schiff“, die französische Flotte von Ponant und der deutsche Marktführer Aida. „Den zukunftsweisendsten Neuzugang verbucht die ‚Mein Schiff‘-Flotte von Tui Cruises“, heißt es weiter. Gemeint ist die kürzlich vor Kiel getaufte „Mein Schiff 7“, die bereits so ausgerüstet worden ist, dass sie vermutlich ab 2026 mit grünem Methanol betrieben werden kann. Was eine klimafreundliche Kreuzfahrt ermöglichen soll.
Kreuzfahrtreedereien müssen schneller klimaneutral werden
Die positiven Entwicklungen dürften jedoch nicht über den Schaden hinwegtäuschen, den die Kreuzfahrt grundsätzlich anrichte: „Weiterhin leiden Klima und Umwelt unter dem Einsatz dreckiger, fossiler Kraftstoffe. Kohlenstoffdioxid und Methan heizen die Klimakrise weiter an. Schwefel, Stickoxide und Ruß belasten nicht nur die Umwelt, sondern auch die Gesundheit der Menschen“, sagt Daniel Rieger, NABU-Fachbereichsleiter Klima- und Umweltpolitik. „Es wird Zeit, dass die Reedereien endlich das Steuer herumreißen und Kurs nehmen auf Klimaneutralität und Umweltfreundlichkeit.“
Auch dem Schifffahrtsexperten des NABU, Sönke Diesener, geht der Wandel noch nicht schnell genug, trotz der verbesserten Situation etwa beim Ausbau und der Nutzung von Landstrom: „Deutschland hat im Klimaschutzgesetz das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 verankert. Dennoch geben acht der untersuchten Kreuzfahrtunternehmen an, erst 2050 klimaneutral sein zu wollen. Das ist weder akzeptabel noch vermittelbar – insbesondere für eine Freizeitaktivität.“
Fortschritte beim Landstrom in Hamburg und Kiel
Aufseiten der Reedereien sieht man hier aber teilweise auch ein klassisches „Henne-Ei-Problem“. So sind bereits viele Schiffe in der Lage, Landstrom zu beziehen, jedoch fehlen oft die Anschlüsse in den Häfen. Relativ weit ist man in diesem Punkt in Kiel und Hamburg gekommen, wo aber erst seit Kurzem mehrere Kreuzfahrtterminals landseitigen Strom anbieten. Bei der Kalibrierung und der Regelversorgung gibt es dort aber immer wieder mal technische Schwierigkeiten bis hin zum Kabelbrand wie kürzlich in Kiel.
Bei der Versorgung mit sauberen Kraftstoffen kommt es ebenfalls auf die landseitige Logistik an. Während man das früher vorwiegend genutzte Schweröl oder den zunehmend eingesetzten schwefelärmeren Marinediesel überall bekommt, ist die Versorgung etwa mit Flüssiggas (LNG) nur in wenigen Häfen möglich. Die Verbreitung neuer Kraftstoffe, etwa das vom NABU favorisierte grüne Methanol, erfordert weltweit Investitionen in die Versorgung. Malte Siegert, Vorsitzender des NABU in Hamburg, sagt zum Thema Landstrom: „In Hamburg, Kiel und Rostock steht dieser für die Kreuzfahrtschiffe bereit.
Jetzt richtet sich der Appell an alle Reedereien, Landstrom auch zu nutzen. Mit grünem Strom im Hafen können die Schiffe schon heute während der Liegezeiten klimaneutral sein.“ Immerhin: Ab 2030 soll es EU-weit eine Landstrompflicht geben. Schon vorher, so Siegert, sollte sich Hamburg aber überlegen, eine Pflicht zur Nutzung einzuführen, da auch der neue Terminal in der HafenCity landstromfähig werde. „Da muss man dann mal jemandem die Einfahrt verweigern, der keinen Landstrom nutzen kann oder will.“
Was wird bewertet?
Was genau hat der NABU für sein Ranking abgefragt und bewertet? Es geht zunächst darum, ob dort, wo es noch erlaubt ist, mit Schweröl gefahren wird. Einige der Reedereien tun dies bis heute und verweisen dann meist auf ihre Abgasreinigungsanlagen, die vor allem Schwefeldioxid herausfiltern sollen.
Des Weiteren spielt eine Rolle, inwieweit umweltverträglichere Neubauten das Gesamtergebnis der Flotte verbessern, ab wann die Reederei selbst klimaneutral sein will und wie es um den Landstrom bestellt ist. Mit speziellen Klimaschutzmaßnahmen lassen sich Sonderpunkte erzielen, etwa durch die Nutzung von Brennstoffzellen, Batterien, E-Fuels, Windunterstützung oder andere Maßnahmen wie etwa der Entwicklung klimaneutraler Antriebe. Nicht berücksichtigt wurden Kreuzfahrten mit Segelschiffen, da hier die Gästezahl nur klein und der Schadstoffausstoß nicht so relevant sei.
Kreuzfahrt: LNG-Schiffe durch Methanschlupf problematisch
Da man sich beim Nabu-Ranking auf die Antriebstechnik und die Stromversorgung konzentriert, hat es keine Relevanz, ob weitere Maßnahmen zur Nachhaltigkeit an Bord umgesetzt wurden. Hier gibt es inzwischen ein breites Spektrum von Strategien und Techniken zur Müllvermeidung, dem Recycling und der Wasseraufbereitung. Aus der Flotte von MSC Cruises etwa zählt in diesem Punkt die im Norden oft präsente „MSC Euribia“ zu den besten Schiffen, die wie die neuesten Aida-Schiffe mit LNG fährt.
Den LNG-Antrieb selbst hält man beim Nabu (und nicht nur dort) inzwischen allerdings nicht mehr für den besten Zwischenschritt. Ein Hauptgrund, neben der nicht umweltverträglichen Gasförderung ist der sogenannte Methanschlupf, der beim Verbrennen und dem Handling entsteht. Ein großes Schiff könne daher durchaus so viel Methan abgeben wie 10.000 Kühe, haben Umweltexperten ermittelt. Auch das spricht dann mittelfristig eher für Kraftstoffe wie Methanol.
Bio-Fuel: „So viele Fritten können wir gar nicht essen“
Bio-Fuel, also organisch etwa aus Altfetten hergestellte Treibstoffe, hält man hingegen nicht für zukunftsweisend. „So viele Fritten können wir gar nicht essen“, sagt Diesner und meint damit den Bedarf zum Betreiben eines großen Schiffs. Klar sei aber ebenfalls: „Einen Königsweg bei der Antriebstechnik gibt es derzeit noch nicht.“ Denkbar sei nämlich, dass eines Tages Brennstoffzellen an Bord aus grünem Wasserstoff Strom erzeugen, der wäre dann vor Ort tatsächlich emissionsfrei.
Und wie reagiert die Kreuzfahrtbranche auf das neue NABU-Ranking? „Eine der größten Herausforderungen bei der Dekarbonisierung der Schifffahrt ist die breite Verfügbarkeit erneuerbarer Energieträger. Während auf Seiten der Reedereien ein Großteil der Schiffe für den Einsatz solcher Kraftstoffe gerüstet ist, bleibt das Angebot selbst begrenzt. Hier ist insbesondere die Politik gefragt, mit ehrgeizigen Produktionszielen den Hochlauf anzureizen. Einnahmen aus dem EU-Emissionshandelssystem müssen in die Schifffahrt reinvestiert werden, um notwendige Infrastrukturen zu finanzieren und erneuerbare Energielösungen zu einem wettbewerbsfähigen Preis bereitstellen zu können“, teilt der Kreuzfahrt-Dachverband CLIA mit. Knapp die Hälfte der CLIA-Flotte, 120 Schiffe, seien bereits mit Landstromanschlüssen ausgestattet. Diese Zahl soll innerhalb der kommenden fünf Jahre auf mehr als 210 Kreuzfahrtschiffe steigen.
Landstromversorgungen und Methanolbetrieb
Bei Aida Cruises betont man weniger künftige, sondern vor allem bisher geleistete Pionierarbeiten, auch in Sachen Landstrom. So habe die Reederei im Juni 2024 mit 45 Versorgungen den bislang höchsten Monatswert bei der Landstromnutzung erreicht. „Alle Aida-Schiffe, die 2024 in Nordeuropa eingesetzt werden, können grünen Landstrom nutzen“, heißt es aus Rostock.
TUI Cruises lässt wissen, dass man sich dort besonders freue, „dass die ,Mein Schiff 7‘ seitens des Nabu als Vorreiter der Kreuzfahrt genannt wird“. Diese sei mit allen derzeit möglichen technischen Ausstattungen, wie beispielsweise Tanks und Rohrsystemen für den Methanolbetrieb ausgestattet und somit zukunftsweisend für die Flotte, vor allem, wenn das Methanol klimaneutral, also „grün“ erzeugt werde.