Jens Mecklenburg

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Freiheit für die dänische Frikadelle

Dänen proben Aufstand gegen Veggieday
10. November 2020

In Dänemark leben doppelt so viele Schweine wie Menschen. Nun wollte die Regierung zwei vegetarische Tage in der Woche in staatlichen Kantinen einführen. Die Aufregung war erwartbar groß und der Beschluss wurde umgehend wieder einkassiert.


„Grüne Zukunft“ gerne: aber bitte mit Fleisch

Es war eigentlich klar, dass es im Schweinezuchtland Dänemark ein Aufreger erster Güte sein würde. Bei unserem nördlichen Nachbar leben mehr als zwölf Millionen Schweine aber nur 5,8 Millionen Menschen. Was nicht in den Export geht, endet hier als knallrote Hot-Dog-Wurst oder wird zu Stegt flæsk – kross gebratener Schweinebauch mit Petersiliensoße.

Am 29. Oktober präsentierte Finanzminister Nicolai Wammen eine Strategie für die „grüne Zukunft“ des staatlichen Beschaffungswesens. In den Kantinen für die rund 85.000 staatlichen Angestellten sollte es nun jede Woche an zwei Tagen ausschließlich vegetarische Kost geben und Rind- oder Lammfleisch höchstens einmal in der Woche. Bereits am 2. November kam der Rückzieher: Ob überhaupt und in welchem Umfang vegetarische Mahlzeiten angeboten würden, bleibe auch in Zukunft dem jeweiligen Arbeitgeber überlassen, hieß es auf einmal.


Vollkommen verrückt

Kein Mensch beschwerte sich über das ökologische Klopapier oder den umweltfreundlichen Fuhrpark im Maßnahmenpaket des dänischen Finanzministers, aber beim Veggyday hörte der Spaß auf.

In Deutschland waren die Grünen einst mit einem ähnlichen Vorschlag krachend gescheitert. In Dänemark meldete sich vorhersehbar erregt zunächst die rechtspopulistische Volkspartei zu Wort, die viele Wähler gerade in jenen ländlichen Regionen hat, die die ganze Welt mit dänischem Schweinefleisch beliefern. „Komplett verrückt“, nannte deren Vizechef Morten Messerschmidt das Vorhaben: „Ich habe nichts gegen Vegetarier. Aber ich habe etwas gegen Leute, die andere zwingen wollen, Vegetarier zu sein“. Im Interview entwarf er sodann das Horrorszenario eines dänischen Heerestrupps, dessen bis dahin gesunde Soldaten sich von einem Drill entkräftet in die Kantine schleppen, nur um dann „auf einem Selleriesteak herumkauen zu müssen.“

Auf der anderen Seite des politischen Spektrums blies Jens Rohde von den Sozialliberalen ins gleiche Horn. Er nannte den Plan lächerliche „Symbolpolitik“ und „Mikromanagement von der schlechtesten Sorte“ und warb für das Grundrecht auf Speisewahlfreiheit auch von Staatsangestellten.

Dabei war der Minister nur seinem Auftrag nachgekommen, das staatliche Beschaffungswesen Dänemarks klimafreundlicher auszurichten. Der öffentliche Sektor kauft im Jahr für umgerechnet 51 Milliarden Euro Produkte und Dienstleistungen ein, die verantwortlich sind für zwölf Millionen Tonnen Treibhausgase im Jahr. Dass Fleischproduktion und -konsum für besonders viel CO2-Ausstoß sorgen, ist seit Langem bekannt. Dem World Wildlife Fund zufolge verursacht die Produktion von einem Kilo Schweinefleisch so viel CO2 wie die von 80 Kilo Kartoffeln. 

Fleischheuchelei

Das Boulevardblatt Ekstrabladet schürte die Erregung dann noch einmal durch die vermeintliche Enthüllung, dass ausgerechnet die Kantine des Folketing, des Parlamentes in Kopenhagen, vom Fleischverzicht erst einmal verschont bleibe. Was kein Wunder ist, da die Kantine in Christiansborg vom Parlament selbst und nicht vom Staat betrieben wird, eine Tatsache, die Ekstrabladet aber nicht daran hindert, von „Fleischheuchelei“ zu sprechen: „Während die Gesetzgeber des Landes weiter auf Schweinefleisch sitzen, dürfen 85 000 Beschäftige des Staates nun Brot essen.“

Den Dänen wolle man nun auch noch diktieren, was sie essen dürfen, kritisierte auch Jyllands-Posten unter der Überschrift „Freiheit für die Frikadelle“: „Der Staat will im Detail festlegen, was serviert wird“, das sei „Bevormundung und Besserwisserei“. „Aprilscherz?“, fragte die Tageszeitung Berlingske und andere Kommentare warfen der Regierung bloße Symbolpolitik vor: Sie könne nicht einmal vorrechnen, wieviel CO2 sich eigentlich mit einem Veggie-Day einsparen lasse, und wolle sich nur vor nachweislich wirksameren aber einschneidenden Klimaschutzmaßnahmen drücken.

Die Medien packten auch noch genüsslich ein Zitat der jetzigen Regierungschefin Mette Frederiksen aus, die die Fleischdebatte vor 2 Jahren selbst noch als „hysterisch“ bezeichnet hatte.

Die sozialdemokratische Minderheitsregierung blies zum Rückzug ihrer Veggyday-Idee. Die Niederlage war perfekt. Sie sei die größte seit Napoleons Waterloo, lästerte Morten Messerschmidt, Vizevorsitzender der Dänischen Volkspartei.