Ein Beitrag von Wolfgang Heumer
Welche Woche ist die erste des Jahres? Diejenige, in der der 1. Januar liegt? Oder ist es die erste vollständige Woche? Beginnt eine Woche am Montag? Oder doch am Sonntag? Der Bremer Unternehmer Wolfgang Rolla du Rosey beschäftigt sich jedes Jahr aufs Neue mit dieser Frage: „Sie ahnen kaum, wie viele verschiedene Antworten es auf diese Frage gibt.“ Der Beginn der ersten Kalenderwoche des Jahres ist von Land zu Land unterschiedlich. Dass Montag der erste Tag der Woche ist, sehen Amerikaner ganz anders als die Europäer: „In den USA ist es der Sonntag“, sagt Rolla du Rosey. Dass er das so genau weiß und trotzdem jedes Jahr noch viele weitere Zeitfragen erneut exakt prüfen lässt, hat einen Grund: Gemeinsam mit seinem Sohn Huschke Rolla du Rosey leitet der 67-Jährige das Familienunternehmen Terminic in Bremen.
Kalenderproduktion in 35 Sprachen
Seit 84 Jahren konzentriert sich der Betrieb in vielen verschiedenen Varianten auf ein einziges Produkt: Kalender, die ein ganzes Quartal oder mehr auf einen Blick zeigen. „Mittlerweile produzieren wir die Mehrmonatskalender in mehr als 35 Sprachen und Sprachkombinationen“, sagt Huschke Rolla du Rosey. Der 35-Jährige ist seit 2013 – nach seinem Jura-Studium – mit an Bord, er ist die dritte Generation im Familienunternehmen Terminic. Seit 2020 führt er die Firma gemeinsam mit seinem Vater, der vor drei Jahrzehnten von seinem Schwiegervater Rolf Ilg in die Geschäftsführung geholt worden war.
Analoge Kalender schneller im Blick
Sind analoge Kalender im digitalen Zeitalter nicht einfach nur pure Nostalgie? Der Juniorchef hat die Frage offensichtlich erwartet. Kommentarlos zückt er sein Smartphone, schaltet es ein, sucht den Kalender und öffnet ihn: „In der Zeit habe ich schon drei Mal auf den Kalender geguckt und den richtigen Termin gefunden.“ Als Terminic 1937 den ersten Dreimonatskalender entwickelte und druckte, waren elektronische Timer noch undenkbar – und Papierkalender umfassten bestenfalls einen Monat. Als damals eine Bremer Reederei in der Buch- und Formulardruckerei B.C.Heye – so der Vorgängername von Terminic – nach einem Planer mit mehr Weitblick fragte, entwickelte sie den ersten Dreimonatskalender. „Schifffahrtskalender“ hieß das Produkt damals. Dass er zu einem weltweit gefragten Produkt werden würde, ahnte noch niemand: „Heute stellen wir rund fünf Millionen Exemplare pro Jahr in Einzelauflagen zwischen 200 und 200.000 Stück her“, sagt der Seniorchef.
Der „Schifffahrtskalender“ stieß auch in anderen Branchen auf Interesse. Zunächst verschenkten ihn Speditionen an ihre Kundinnen und Kunden; so wurde er in weiteren Wirtschaftszweigen populär. 1968 wurde der Unternehmenssitz in der Bremer Innenstadt zu klein. Die Druckerei verabschiedete sich auf ein größeres Gelände ins niedersächsische Umland. 40 Jahre später kehrte sie schließlich nach Bremen ins Gewerbegebiet Hansalinie an der Autobahn 1 zurück. Seit dem Jahr 2000 heißt der Kalender-Hersteller Terminic – so lautet auch der geschützte Markenname des Dreimonatskalenders.
Kalender als Unternehmenspräsentation
Den Erfolg ihres Produkts erklären sich die Unternehmer so: Als Wandkalender befinde sich das Planungsinstrument stets im Blickfeld. „Jeder guckt mindestens zwei Mal am Tag darauf“, sagt Wolfgang Rolla du Rosey, „das macht ihn zum idealen Werbeträger.“ Der obere Teil des Kalenders und der untere Rand werden individuell nach Kundenwünschen mit Bildern, Firmenpräsentationen, Schriftzügen oder Logos versehen. „Diese Werbung bleibt hängen“, bringt es Huschke Rolla du Rosey auf den Punkt.
Kundschaft aus allen Kulturkreisen und Religionen der Welt
Watson ist der Einzige bei Terminic, der nicht auf den Kalender schaut. Der Rauhaardackel gehört dem Juniorchef und ist so etwas wie ein vierbeiniger Prinz Charming. Watson hat alle im Unternehmen um seine kleinen Pfoten gewickelt – und wenn nicht, dann fordert er seine Streicheleinheiten auch gerne ein. Nur eins darf er nicht stören: die richtige Zusammenstellung der individuellen Kalenderinhalte. „Wir haben Kunden aus allen Kulturkreisen und Religionen der Welt“, betont der Seniorchef. In Ländern mit überwiegend muslimischer Bevölkerung ist der Freitag der arbeitsfreie Feiertag; in Israel ist es der Samstag; je nach Religion und Kultur gibt es andere Festtage. „Selbst in Deutschland und im übrigen deutschsprachigen Raum ist das ja von Land zu Land unterschiedlich“, ergänzt Huschke Rolla du Rosey. Schließlich sind da noch die Ferienzeiten, die auf jedem Kalender in der Jahresübersicht am unteren Ende der Rückseite stehen – auch sie sind von Land zu Land unterschiedlich.
Mehr als hundert Beschäftigte produzieren das ganze Jahr
Bereits im Frühjahr beginnt in Bremen die Produktion der Monatsblätter, die zu Monatsblöcken zusammengestellt, gebunden und mit einer fein perforierten Abrissnaht versehen werden. Anschließend werden die Kartonage-Rückseiten hergestellt; kurz vor der Auslieferung werden die Kalender konfektioniert. Mehr als hundert Beschäftigte sind mit der Produktion und der Logistik befasst; zum Beginn des Versandes im Spätherbst kommen noch etliche Zeitarbeitskräfte hinzu.
„Was wir drucken, darf keinen Fehler enthalten“
Spätestens wenn die Bestellung für Großkundinnen und -kunden zusammengestellt wird, ist höchste Konzentration angesagt: „Wir beliefern einige Konzerne, in denen jede Niederlassung im Ausland ein Kalendarium in einer anderen Sprache und mit anderen Festtagen bekommt“, betont der Juniorchef. Eine andere Sprache bedingt gelegentlich auch eine andere Schrift: Chinesische oder japanische Schriftzeichen, kyrillisch, arabisch oder hebräisch sind dabei durch eine Anforderung miteinander verbunden: „Was wir drucken, darf keinen Fehler enthalten“, stellt Wolfgang Rolla du Rosey klar. Im Zweifelsfall vergleichen die Terminic-Fachleute Schriftzeichen für Schriftzeichen mit einem Originalkalender aus dem Zielland.
Eigene Maschinen für die Konfektionierung entwickelt
Die Kompetenz der Bremer Kalendermacher ist auch in der Produktionshalle zu sehen. Neben den drei Offset-Druckstraßen für die Blätter und die Rückseiten beherrschen den Raum die Anlagen für die Konfektionierung. „Sie sind allesamt speziell nach unseren Vorstellungen entwickelt worden und deswegen einmalig auf der Welt“, betonen Vater und Sohn. Zu den Herausforderungen zählt der rechtlich geschützte „Terminic Weekmaster“. Jeder Kalender wird mit einem Kunststoff-Streifen zur Auswahl einzelner Wochen und – mithilfe eines aufgesetzten roten Rahmens – zur Markierung einzelner Tage ausgestattet.
Thailändisches Königshaus hat Einfluss auf Kalender
Gelegentlich gibt es Druckereien, die sich ebenfalls an Mehrmonatskalendern nach Bremer Vorbild versuchen. „So richtig erfolgreich war aber bisher niemand“, stellen Vater und Sohn übereinstimmend fest. Wenn die potenziellen Mitbewerbenden nicht schon an der Frage nach der ersten Kalenderwoche eines Jahres scheiterten, kamen sie vermutlich spätestens bei den Produkten für den thailändischen Markt ins Straucheln: Im Land des Lächelns ist nicht nur die Khmer-Schrift eine Herausforderung – man muss auch die Entwicklungen im dortigen Königshaus genau im Blick behalten: „In Thailand hängen die Feiertage unmittelbar mit dem Namen des amtierenden Königs zusammen“, weiß Huschke Rolla du Rosey. Wenn sich in der Monarchie etwas überraschend ändert, ist der ganze Kalender nur noch Makulatur.