Unser Autorenduo lernte in der Kindheit bei den Pfadfindern die Vorzüge der Erasco-Dose kennen. Heute frönen sie ihrer Leidenschaft im Fabrikverkauf. Das Beste an den Konservendosen ist, dass man nach dem Verzehr noch ein Dosentelefon bauen kann.
Die Geschichte der Dose
Bis ins 19. Jahrhundert wurden mit dem Begriff Dose wunderschöne kleine Schmuckschatullen bezeichnet und Dose war auch ein Ausdruck für ausgeschmückte Behälter überhaupt. Die industrielle Revolution und die Erfindung der Blechdose änderten das radikal. Plötzlich ging es um schlichte Massengüter. Für den Norden hatte diese Erfindung einschneidende Konsequenzen. Nun war es möglich, Lebensmittel in unwirkliche Gebiete lang haltbar mitzunehmen.
Die Dose machte das Essen nicht nur haltbar, sondern konservierte auch Nährstoffe und Vitamine besser als die vorher übliche Trockennahrung. In den ersten Jahren gab es einige Rückschläge, weil die Büchsen mit Hilfe von Blei verschlossen wurden. So soll die Franklin-Expedition von 1845 bis 1848 unter anderem an Bleivergiftung gescheitert sein. Ebenfalls wurden die Dosen Robbenjägern auf Spitzbergen 1872/73 zum Verhängnis.
Doch seitdem hat sich viel verändert und bei Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“ besaß amerikanisches Corned Beef in Dosen bereits einen legendären Status. Mit der Industriellen Revolution wuchs der Bedarf, größere in Städten wohnende Menschenmassen zu versorgen enorm. Suppenwürfel und Dosennahrung boten die Möglichkeit, schnell und einfach satt zu machen.
Die ideale Pfadfinder-Nahrung
Auch der kleine Michael und die kleine Sabrina lernten bei den Pfadfindern die Vorzüge der Dose kennen. Michaels Pfadfindergruppe in Lübeck fuhr jedes Jahr ins Zeltlager und vorher wurde bei der ansässigen Dosenfabrik Erasco im Fabrikverkauf der Nahrungsvorrat in Dosen beschafft. Die Firma hatte im 19. Jahrhundert als Süßwaren- und Konservenfabrik angefangen und konzentrierte sich seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts auf die Herstellung eingedoster Fertiggerichte.
Bei den Pfadfindern genoss der serbische Bohneneintopf einen legendären Ruf. Gut nur, dass die Zelte belüftet waren. 1996 wurde Erasco von der Campbell Soup Company übernommen, deren Name eng mit der Kultwerdung der Dosensuppe verbunden ist. Andy Warhols Bilderserie „Campbell’s Soups“, die er 1962 schuf und die im New Yorker Museum of Modern Art hängt, hatte die Dosensuppe gesellschaftsfähig gemacht.
Unter Campbells und seit 2014 nach der Übernahme durch CVC Capital Partners macht Erasco weiterhin ein eigenständiges Produktprogramm. Neben der Dosensuppe gibt es inzwischen auch andere Verpackungen und verschiedene Verpackungsgrößen. Was sich gehalten hat, ist der Fabrikverkauf. An wechselnden Stellen und mit unterschiedlichen Öffnungszeiten wird dort seit vielen Jahren ohne überflüssige Marketingmaßnahmen das pure Produkt zu Sonderpreisen angeboten. Leider wurde vor Kurzem das kleine heimelige Sonderverkaufshäuschen neben dem Fabrikgelände in Lübeck aufgegeben und der Verkaufsraum ins Hauptgebäude verlegt.
Das Sortiment von Erasco zeichnet sich in den letzten fünfzig Jahren dadurch aus, dass die allgemeinen Ernährungstrends immer in die Angebotspalette integriert wurden. Selbst die klassischen Gerichte wie die Erbsensuppe wurden dem gewandelten Geschmack angepasst. In der letzten Zeit sind viele neue internationale Gerichte dazugekommen und auch vegetarische, vegane und Superfood-Produkte finden sich im Sortiment. Die Produktion der Gerichte in den Dosen ist übrigens nicht, wie die landläufige Meinung glaubt, das prinzipielle Totkochen aller Zutaten. Die Zutaten werden roh gemischt und erst in der verschlossenen Dose dann je nach nötigem Garpunkt nur so weit erhitzt, dass das Gericht fertig und keimfrei ist. Damit ist die Zubereitung schonender als in manchem stundenlang brodelnden Kochtopf.
Dem Zeitgeist gemäß hat sich die Firma dem modernen Kundenverhalten angepasst, verzichtet auf geschmacksverstärkende Zusatzstoffe sowie auf Konservierungsstoffe. Die Homepage unterstreicht durch Elemente wie einem Saisonkalender sowie Gemüse und Rezept des Monats die moderne und kundenorientierte Positionierung. Nichtsdestotrotz ist der Fabrikverkauf immer noch die ideale Rüstkammer für zeltende Jugendgruppen. Und das Beste ist daran ist nicht, wie Erasco selber sagt, das Gute darin, sondern, dass man nach dem Verzehr noch ein Dosentelefon bauen kann.
Wir trauern um unseren Autoren Michael Engelbrecht
* 13. Februar 1961
† 4. März 2019