Jens Mecklenburg

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Bauernlobby drohte mit Lebensmittelknappheit

Nordbauernvorsitzender ist über seine Kollegen entsetzt
31. März 2020

Überall im Land melden sich gerade Bürgerinnen und Bürger, die bei den Landwirten mit anpacken wollen, weil viele Erntehelfer nicht einreisen können. Während sich die Bauern über diese Solidarität aus der Gesellschaft freuen, fuhren Bauernverband und die von ihr unterstützte Organisation „Land schafft Verbindung“ an anderer Stelle harte Lobby-Geschütze auf.

In einem offenen Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte „Land schafft Verbindung“, die auch die Bauernproteste initiiert hat, die Umsetzung der novellierten deutschen Düngeverordnung (DüVO) auszusetzen und keine Strafzahlungen zu verhängen. Der Deutsche Bauernverband pochte ebenfalls auf eine Verschiebung – obwohl die Wasserversorger seit Jahren und zunehmend verzweifelt darum bitten, die Nitrateinträge zu reduzieren, um das Grundwasser zu schützen.

In 29 Jahren schaffte es keine Bundesregierung, die EU-Nitratrichtlinie zu erfüllen, zu stark schient die Macht der Agrarlobby, die weiter zu viel Gülle (da sind sich die Experten einig) auf die Äcker kippen will.


Land schafft Unfrieden

Diesmal verknüpfen die Bauernvertreter ihre Forderung mit der Coronakrise.

Unverhohlen drohte „Land schafft Verbindung“ mit einer Gefährdung der Lebensmittelversorgung, wenn die Bauern nicht ihren Willen bekommen. „Eine negative politische Entscheidung würde die deutschen Bauern in ihren Entscheidungen hemmen und ihnen jegliche Motivation nehmen – viele Betriebe würden die Produktion von Nahrungsmitteln einstellen müssen“, hieß es in dem Brief.

Und noch deutlicher: „Eine zusätzliche Belastung dieser Betriebe durch die Verschärfung der DüVO würde zu etlichen Betriebsaufgaben führen und damit zwangsläufig zu einer Gefährdung der Versorgung mit Nahrungsmitteln. Damit wäre der Selbstversorgungsgrad für Grundnahrungsmittel in Deutschland erheblich gefährdet – fatal in Krisensituationen wie der aktuellen!“

Während die anderen EU-Staaten meist schon seit Jahren die Nitratrichtlinien einhalten, ist Deutschland das einzige Mitgliedsland, das die seit 1991 bestehende Richtlinie immer noch deutlich überschreitet. Hätte dieser Zustand angehalten, hätte der Bundesrepublik Strafzahlungen von bis zu 850.000 Euro pro Tag gedroht. 

Die von der EU geforderte Verschärfung wurde nun trotz Drohung gerade beschlossen: Die Länder haben einer Neuregelung des Düngerechts zur Senkung der Nitratbelastung zugestimmt und so hohe EU-Strafzahlungen abgewendet.

Ernst Schuster. © Johanna Rädecke

Nur gemeinsam können wir es schaffen

Ein Kommentar von Ernst Schuster

Eine Krise wie die derzeitig herrschende Corona-Pandemie, kann nur mit der Solidarität aller gesellschaftlich Gruppen gemeistert und überwunden werden. Gefordert sind gerade wir Landwirte, die Bevölkerung in dieser schweren Zeit mit lebensnotwendigen Lebensmitteln zu versorgen. Es ist nicht die Zeit, um politisch zu taktieren, auch nicht in Sachen Düngerecht.

Als Verbund direkt vermarktender landwirtschaftlicher Betriebe fordern wir schon lange den fairen Austausch mit Politik und Gesellschaft. Die Verschärfung der Düngeverordnung mit der Drohung zu verbinden, dann käme es zu einer Lebensmittelknappheit (uns bliebe ja keine andere Wahl), ist auf das Schärfste zurückzuweisen.

Richtig ist: Ein grundsätzliches Umdenken in der Agrarpolitik und -förderung ist seit langem überfällig. In unserem Manifest für ein Umdenken in der Agrarpolitik haben wir unsere Sicht der Dinge dargestellt. Wir fordern Respekt und Wertschätzung für unsere Arbeit durch Verbraucherinnen und Verbraucher ein. Diese Werte setzen wir mit den oben genannten Drohungen aufs Spiel. Nur gemeinsam können wir es schaffen!

Ernst Schuster ist Vorsitzender der Nordbauern Schleswig-Holstein

Zum Manifest der Nordbauern für ein Umdenken in der Agrarpolitik