Alter Seebär erzählt von früheren Zeiten

Der letzte Kapitän der SEEFALKE lädt zur Bordführung ein
16. August 2022

Ein Beitrag von Annica Müllenberg

Meer und Küste waren für Hans-Joachim Breckwoldt immer in Sichtweite. Der Hamburger steuerte die SEEFALKE als letzter Kapitän, bevor der Hochsee-Bergungsschlepper 1970 im Museumshafen vor Anker ging. Am Wochenende der Maritimen Tage vom 20. bis 21. August lädt der Seemann Samstag und Sonntag jeweils 15 Uhr zu einer Führung an Bord ein und erzählt aus seiner Zeit auf dem Meer.

© DSM Annica Müllenberg

Salz im Blut

Hajo Breckwoldt hat Salz im Blut: Geboren in Hamburg-Blankenese schaut er aufs Wasser, solange er denken kann. Am Hafen staunte er kurz nach dem Krieg den großen Pötten nach, grüßte das Bordpersonal und hatte nur einen Wunsch: ein eigenes Schiff. Mit zehn Jahren verkaufte er Kohlen, Tabak und Blumen, um Geld zu sparen für ein kleines Boot. „Es waren Soldaten in der Stadt, die den Kindern manchmal etwas zu essen gaben. Sie fragten: ,Was möchtest du denn?‘ und staunten nicht schlecht, als ich nach einem Regenschirm fragte. Ich brauchte schließlich noch ein Segel für mein erstes kleines Segelboot“, erinnert sich der 86-Jährige lachend. An Bord ist er die meiste Zeit seines Lebens geblieben. Mit 15 Jahren versuchte er sich als Schiffsjunge in der Küstenmotorschifffahrt. 16-stündige Arbeitstage, magere 40 Mark Monatslohn und Ohrfeigen gehörten zum Alltag. Nach drei Monaten schmiss er hin und wechselte zur Flotte der Olympic Wahling Company. „Ich war immer der Jüngste an Bord: Beim Walfang mit 16 Jahren der jüngste Schiffsjunge und später der jüngste Kapitän mit 28 Jahren“, erzählt Breckwoldt mit hanseatischem Zungenschlag. Vor seinem geistigen Auge spulen sich die Erlebnisse auf See eines halben Jahrhunderts ab. Das erste Weihnachten fern der Familie in der Antarktis auf dem Walfänger, als er heimlich ein paar Tränen des Heimwehs wegwischte, die Tätigkeit auf einem Schlepper, als er einen Flugzeugträger zum Abwracken aus Amerika nach Bremerhaven schleppte oder die Zeit in Doppelheuer als 1. Offizier und Koch, der eine rund 40-köpfige Besatzung versorgen musste – Breckwoldt hat viel zu erzählen.

Schwer zu fahren

© DSM Annica Müllenberg

An die SEEFALKE hat er gute Erinnerungen. „Im Gegensatz zu den heutigen Schleppern, die wendig sind und viel Power haben, war die SEEFALKE schwer zu fahren, weil sie wie ein Segelschiff gebaut ist mit leichtem Kiel. Aber gerade das hat mir Spaß gemacht, das Gefühl für das Schiff zu haben und es punktgenau parken zu können. Das konnte nicht jeder.“ Am 1. Juni 1958 heuerte Breckwoldt, dessen Vater und Urgroßvater ebenfalls zur See fuhren, zum ersten Mal auf der SEEFALKE an. Damals noch als 2. Steuermann. Es folgten Jahre, in Brest, Dover, La Coruña und Las Palmas, von wo aus der Bergungsschlepper immer wieder ausrückte, um Schiffe passgenau in den Hafen zu holen oder in Seenot geratenen Schiffen Hilfe zu leisten. „Es war für mich die beste Zeit meines Lebens.“ Der kraftvolle und schnelle Hochsee-Bergungsschlepper wurde 1924 mit einer kompletten Ausrüstung zum Bergen, Schleppen und Feuerlöschen in Dienst gestellt. Im Zweiten Weltkrieg wurde die SEEFALKE bei einem Bombenangriff im Kieler Hafen versenkt. Als die Siegermächte nach dem Krieg das Hafenbecken mit Trümmern zuschütten wollten, ließ die Reederei das Schiff nachts heimlich heben, transportierte es in eine Bucht der Außenförde und versenkte es dort wieder. Nachdem die Alliierten 1950 die Bergungsverbote aufgehoben hatten, wurde das Schiff erneut gehoben, repariert, modernisiert und wieder in Dienst gestellt. Im Oktober 1967 steuerte Breckwoldt die SEEFALKE noch einmal für 15 Monate. In Las Palmas ging er von Bord. Es sollte die letzte Einsatzfahrt des Bergungsschleppers gewesen sein, bevor er ab 1970 im Museumshafen des DSM ankerte. „Wäre ich nicht verhindert gewesen und nach London berufen worden, dann hätte ich die SEEFALKE nach Bremerhaven gebracht“, sagt der einstige Kapitän. Bei seinen Besuchen in Bremerhaven gehört ein Bordbesuch immer dazu. Auf See ist Breckwoldt noch immer gern – jetzt lässt er sich fahren. Sein Segelschiff verkaufte er im letzten Jahr schweren Herzens, jetzt probiert er die Kreuzfahrt aus. „Wie geht es weiter auf der SEEFALKE? Darüber möchte ich mit interessierten Gästen gerne ins Gespräch kommen“, so die Kaufmännische Geschäftsführerin, Katharina Horn. „Wir freuen uns über zahlreiche Besucherinnen und Besucher auf der SEEFALKE und das einmalige Erlebnis, Herrn Breckwoldt persönlich an Bord zu begrüßen.“

Tipp

Führung mit Hajo Breckwoldt auf der SEEFALKE am Samstag und Sonntag, 20. und 21. August, jeweils 15 Uhr. Eintritt 1 Euro. Über Spenden zum Erhalt des Schiffes freut sich das Museum.

Deutsches Schifffahrtsmuseum
Hans-Scharoun-Platz 1
27568 Bremerhaven
https://www.dsm.museum/