Aktuell gibt es in Deutschland über eine Million Menschen, die einen Teil ihres Lebensunterhalts mit dem Sammeln von Pfandflaschen bestreiten.
Das hat fritz-kola mit einer Datenerhebung durch das Marktforschungsinstitut Appinio herausgefunden. Vor dem Hintergrund der steigenden Lebenshaltungskosten stellt das für viele pfandsammelnde Menschen aktuell eine echte Herausforderung dar. fritz-kola möchte mit der sozialen Initiative PFAND GEHÖRT DANEBEN (PGD) auf die Situation dieser Menschen aufmerksam machen und für ein soziales Miteinander appellieren.
Wer sind die Menschen, die Tag für Tag einer Tätigkeit nachgehen, die ein hohes Verletzungsrisiko birgt und von der Gesellschaft kaum geachtet wird?
Eine von vielen Pfandsammlern in Deutschland ist Kim aus Hamburg. Zusammen mit PGD stellt fritz-kola sie vor, um ihr und den pfandsammelnden Männern und Frauen des Landes ein Gesicht und vor allem eine Stimme zu geben.
Kim (Name geändert) lebt schon immer in Hamburg. Sie ist 62 Jahre alt und derzeit ohne festen Wohnsitz. Zum Schlafen kommt sie aktuell bei einem Freund unter. Es ist schwierig für Kim, eine feste Wohnung zu finden. Auch, weil das Geld vom Arbeitsamt knapp ist. Weil Kim keinen Job hat, nutzt sie manchmal Spenden. Die ehrenamtliche Obdach- & Wohnungslosenhilfe Hamburger Gabenzaun e. V. ist darum eine von Kims wichtigsten Anlaufstellen. Der gemeinnützige Verein betreut seit 2018 einen sozialen Spendenzaun am Heidi-Kabel-Platz am Hamburger Hauptbahnhof. Obdach- und wohnungslose Menschen können sich hier rund um die Uhr Spenden, wie Kleidung, Hygieneartikel und Lebensmittel, abholen. Kims Leben verlief nicht oft in geordneten Bahnen. Sie sagt, sie habe nicht immer die besten Entscheidungen getroffen und hin und wieder auch „dummes Zeug“ gemacht. Irgendwann kam sie dann zum Pfandsammeln. Mittlerweile ist Kim seit über 20 Jahren auf den Straßen unterwegs, um Pfandgut zu finden. Wie so viele andere Menschen, ist die Hamburgerin auf diese wichtige Einnahmequelle angewiesen.
Kim, wie sieht dein Alltag als Pfandsammlerin aus?
Kim: Ich bin eigentlich Tag und Nacht auf Flaschenjagd. Mein Morgen beginnt mit einem Kaffee und danach geht es dann schon los. Das Pfandsammeln bestimmt dann meinen ganzen Tagesablauf. Für andere Sachen ist meist nicht so viel Zeit.
Hast du beim Pfandsammeln eine feste Route?
Kim: Nein, ich sammle überall. Das plane ich nicht. Dort, wo ich gerade bin, halte ich auch immer Ausschau nach Pfandflaschen. Dauernd im Einsatz sozusagen.
Was sind die größten Herausforderungen bei deiner Tätigkeit?
Kim: Die Flaschen sind natürlich ganz schön schwer. Das Tragen ist ziemlich anstrengend und man muss das Leergut regelmäßig einlösen, um weitersammeln zu können. Zum Glück habe ich ein E-Bike, mit dem ich die Flaschen transportieren kann. Das hilft mir.
Hast du denn noch andere Einkommensquellen?
Kim: Ich bekomme ein bisschen Geld vom Arbeitsamt. Und Spenden nutze ich auch. Ich schaue immer mal wieder beim Hamburger Gabenzaun vorbei. Vor allem im Winter finde ich da warme Kleidung und andere Sachen. Das ist schon klasse. Meine Haupteinkommensquelle ist aber das Pfandsammeln.
Wie viel Geld verdienst du pro Monat durchschnittlich mit dem Pfandsammeln?
Kim: Schwer zu sagen. Im Sommer besser, im Winter schlechter. Im Sommer, wenn die Menschen mehr Zeit draußen verbringen – im Park, auf Open-Airs oder beim Spazierengehen – ist es viel einfacher. Sobald es kalt wird, ist draußen nicht mehr viel los. Da lassen weniger Leute ihre Flaschen liegen. Und wenn du frierst oder es regnet, sammelst du auch einfach langsamer. Das ist dann schon echt mühsam.
Kannst du sagen, wie groß der Unterschied zwischen Winter- und Sommermonaten ist?
Kim: Ich würde mal schätzen im Winter sind es so um die 30-50 Euro im Monat. Im Sommer verdiene ich deutlich mehr. Genaue Zahlen kann ich schwer sagen. Bis ich im Winter ein paar Euro zusammen habe, muss ich meistens mehrere Stunden Pfand sammeln.
Und wofür gibst du dein Geld aus?
Kim: Wenn ich was eingenommen habe, kaufe ich mir davon Essen und Trinken. Dafür geht fast alles drauf. Und wenn noch ein bisschen Geld übrig bleibt, gönne ich mir Zigaretten. Dann muss es aber wirklich gut laufen.
Momentan sind die Lebenshaltungskosten ja drastisch gestiegen. Ist das auch für dich spürbar?
Kim: Auf jeden Fall. Es ist ja alles teurer geworden. Wenn ich mir etwas zu essen kaufen möchte, muss ich jetzt mehr Flaschen sammeln als noch vor 2-3 Jahren. Mein Job ist also noch anstrengender und wichtiger als vorher. Ich muss nun mal über die Runden kommen.
Würdest du sagen, die hohen Kosten haben die Situation der Pfandsammelnden allgemein verschärft?
Kim: Oh, ja! Ich merke, dass mittlerweile mehr Menschen Pfand sammeln als noch vor ein paar Jahren. Mittlerweile sehe ich immer mehr Pfandsammler, die wie ganz „normale“ Leute aussehen. Die gab es vorher nicht. Als ich mit dem Pfandsammeln angefangen habe, waren kaum Menschen auf der Straße, die das auch gemacht haben. Heute musst du wirklich schnell sein, wenn du auf der anderen Straßenseite eine Flasche siehst. Entweder du kriegst sie, oder jemand schnappt sie dir weg. Und mir ist noch etwas aufgefallen.
Was denn?
Kim: Ich glaube, dass die Leute jetzt selbst weniger Geld haben und deswegen ihre Flaschen nicht mehr so großzügig stehen lassen. Die nehmen sie dann lieber selbst mit und lösen sie gegen Pfand ein. Das merke ich vor allem am Ende des Monats. Da finde ich deutlich weniger Flaschen als zu Beginn. Die angespannte wirtschaftliche Lage betrifft obdachlose Menschen in vielen Lebenssituationen.
Das merkt auch Gerardo, Helfer und Betreuer vom Hamburger Gabenzaun:
„Wir haben mittlerweile viel mehr Gäste am Zaun, die sich Spenden abholen, als noch vor ein paar Jahren. Ganz deutlich spüren wir, dass der Bedarf an grundlegender Versorgung in den letzten Jahren massiv gestiegen ist. Hilfsbedürftige in Hamburg und ganz Deutschland sind darum mehr als zuvor auf konkrete Hilfsangebote angewiesen.“
Kim, du sammelst schon seit über 20 Jahren Pfandflaschen. Wie hat sich deine Situation als Pfandsammlerin im Vergleich zu deinen Anfangszeiten verändert?
Kim: Früher war es schon anders. Ich habe damals viel professioneller Pfand gesammelt. Da hatte ich noch ein Auto und konnte darin meine Flaschen lagern. Zu der Zeit habe ich teilweise sogar mehr rausbekommen als von Hartz 4. Also manchmal über 400 Euro. Jetzt ist es deutlich weniger, das kann man nicht mehr vergleichen.
Die wirtschaftliche Lage erschwert deinen Job. Gab es solche Situationen davor schon mal?
Kim: Ganz schlimm war es während der Corona-Zeit. Das war eine absolute Katastrophe für uns Pfandsammler. Alles war leer, nirgendwo konntest du mehr
Flaschen finden. War ja niemand draußen. Eine alternative Einkommensquelle gab es auf die Schnelle auch nicht. Ich musste mich in der Zeit sehr einschränken, mehr konnte ich nicht machen. Mittlerweile ist es wieder etwas besser.
Helfen euch Pfandsammlern Initiativen wie PFAND GEHÖRT DANEBEN?
Kim: Ja total, das hilft uns sehr. Ich finde es gut, wenn die Leute uns ihr Pfandgut bereitstellen und nicht wegwerfen. Wenn sie ihre Flaschen einfach neben den Mülleimer stellen, dann kommen wir Pfandsammler nämlich viel leichter dran und müssen nicht im Müll wühlen. Dadurch fühlt man sich auch ernster genommen. Für mich ist das eine Form von Wertschätzung.
Kommt es vor, dass du im Müll wühlen musst, um an Pfandflaschen zu kommen?
Kim: Ne, das möchte ich nicht. Keine Lust, den Tieftaucher zu machen. Ist auch viel zu gefährlich. Ich gucke nur mal oben in die Mülleimer rein. Aber ich sehe oft, dass andere Pfandsammler im Abfall kramen. Dabei kannst du dich ziemlich verletzen. Ich kenne einige, die sich so an Glas und anderem Zeug geschnitten haben.
Ist es dir manchmal unangenehm beim Pfandsammeln beobachtet zu werden?
Kim: Eigentlich nicht. Die Leute gucken zwar manchmal komisch, wenn ich mit zehn Flaschen rumlaufe. Aber wenn ich dann einen Euro in der Hand habe, ist mir das egal.
Danke Kim, für deine ehrlichen Antworten. Zum Schluss möchten wir gerne wissen – was wünscht du dir von Gesellschaft und Politik in Bezug auf deine Tätigkeit als Pfandsammlerin?
Kim: Die Politik soll die Probleme nicht unter den Teppich kehren, sondern sie lösen. Und den Menschen möchte ich sagen: Unser Job ist alles andere als leicht. Trotzdem wird er von der Gesellschaft wenig wertgeschätzt. Öffnet eure Augen für alle, denen es nicht so gut geht. Zeigt Verständnis und Respekt für Menschen, die vom Pfandsammeln leben. Das würde uns schon sehr helfen.
Über fritz-kulturgüter
fritz-kola wurde 2002 von zwei Studenten in Hamburg gegründet. Die erste Kola kam 2003 auf den Markt, zahlreiche safthaltige Limonaden und Schorlen folgten. Der Umwelt zuliebe setzt fritz-kola seit der Gründung auf Glasmehrwegflaschen und baut die dezentrale und verbrauchernahe Abfüllung stetig aus. Darüber hinaus engagiert sich fritz-kola mit der Initiative „Pfand gehört Daneben“, der Bewegung „Trink aus Glas“ und in zahlreichen Projekten für eine nachhaltige Gesellschaft. Mirco Wolf Wiegert und Winfried Rübesam sind Geschäftsführer des Unternehmens, das seit 2014 fritz-kulturgüter heißt.
Über „Pfand Gehört Daneben“
Die Aktion „Pfand Gehört Daneben“ erinnert die Besitzer der leeren Pfandflaschen daran, sie ordentlich neben Abfalleimern abzustellen. So ersparen sie denen, die auf die Erlöse der gefundenen Flaschen angewiesen sind, das würdelose und mit Verletzungsgefahr verbundene Wühlen in Abfallbehältern. Zusätzlich landen deutlich mehr dieser Mehrweg-Flaschen zum Waschen und wieder Befüllen bei den Getränkeherstellern und nicht in der Müllverbrennung.