Jens Mecklenburg

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Außengastronomie ist gesund

Aerosolforscher fordern Kurzwechsel bei Corona-Maßnahmen
13. April 2021

Cappuccino am Morgen, Spargel zum Mittag und später ein Glas Wein: In Schleswig-Holstein haben viele Cafés und Restaurants am Montag nach monatelanger Corona-Unterbrechung ihre ersten Gäste begrüßt – im Freien und unter strengen Auflagen. 

Im «Café Wichtig» in Timmendorfer Strand (Kreis Ostholstein) warteten zur Öffnung um 9 Uhr bereits die ersten Frühstücksgäste. Bei zaghaftem Sonnenschein und nur wenigen Graden über Null genossen sie unter Heizstrahlern und in Decken gehüllt heiße Getränke und frische Brötchen. Zum Mittag füllte sich die Terrasse mit 200 luftig gestellten Plätzen zusehends. Zur Wiedereröffnung stand frischer Stangenspargel auf der Speisekarte. Die Kunden seien vorsichtig, achteten auf Abstände und seien erleichtert über das Stück Normalität, das zurückkehre, sagte Geschäftsführer Jan Schumann der dpa. «Das sieht man an den Gesichtern.» Dem Personal gehe es ebenso, es sei ein Tag guter Stimmung.

Endlich wieder unter Leute kommen – wenn auch mit Abstand. So plant die Stiftung Naturschutz ihre zukünftigen Picknicks. ©Stiftung Naturschutz SH

Endlich wieder unter Leute kommen

«Haben Sie noch einen Tisch für uns frei?», fragte in der Kieler Innenstadt eine junge Frau am Eingang zum Burger Grill «Hans im Glück». Von 13 kleinen Außentischen besetzte sie dann mit ihrer Begleiterin den neunten. Inhaber Christopher Schmidt freute sich über regen Zulauf. «Wir hatten das gehofft», sagte er am Mittag. «Wir freuen uns, dass wir wieder Gäste begrüßen dürfen.» Bei «Hans im Glück» sitzen die Gäste ziemlich geschützt. Woanders waren vor Bäckereien, Imbissläden und Gaststätten viele Tische unbesetzt, was auch dem kühlfeuchten Wetter bei Temperaturen um acht Grad geschuldet war.

Kam die Sonne durch, nahmen auch dort Gäste Platz, um einen Kaffee zu trinken, eine Pizza zu essen oder sich auch ein frühes Bier zu gönnen. Dies hielt sich aber noch stark in Grenzen, zumal die Fähren aus Skandinavien noch keine Touristen herbringen dürfen. 

Auch über die Terrasse der «Bar Celona» in Lübeck wehte am Montag ein kühler Wind. In dicken Winterjacken genossen Gunda und Fritz Rahlfs am Montagvormittag bei heißen Getränken den Blick über die Trave. «Wir wollten einfach mal wieder raus und draußen einen Kaffee trinken», sagte das Ehepaar aus Berkenthin im Kreis Herzogtum Lauenburg dem Reporter der dpa.

Antonio Conteduca und seine Partnerin Brigitte ließen sich ihr Frühstück schmecken. «Diesem Tag haben wir entgegengefiebert. Ich hatte offen gesagt die Nase voll vom Drinnensitzen», sagte Conteduca. «Endlich wieder unter Leute kommen, das wird einfach Zeit.» Wenn es nach führenden deutschen Aerosolforschern ginge, spräche nichts dagegen, solange man sich an der frischen Luft aufhält.

Aerosolforscher fordern mehr Frischluft

Führende Aerosolforscher aus Deutschland fordern von der Politik einen Kurswechsel bei den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Seuche. «Wenn wir die Pandemie in den Griff bekommen wollen, müssen wir die Menschen sensibilisieren, dass DRINNEN die Gefahr lauert», heißt es in einem Brief an die Bundesregierung und an die Landesregierungen. Es gilt als sicher, dass sich das Coronavirus vor allem über Luft verbreitet.

«Leider werden bis heute wesentliche Erkenntnisse unserer Forschungsarbeit nicht in praktisches Handeln übersetzt», kritisieren die Verfasser. In Wohnungen, Büros, Klassenräumen, Wohnanlagen und Betreuungseinrichtungen müssten Maßnahmen ergriffen werden. In Innenräumen finde auch dann eine Ansteckung statt, wenn man sich nicht direkt mit jemandem trifft, sich aber ein Infektiöser vorher in einem schlecht belüfteten Raum aufgehalten hat, warnen sie. Debatten über das Flanieren auf Flusspromenaden, den Aufenthalt in Biergärten, das Joggen oder Radfahren seien hingegen kontraproduktiv.

Maßnahmen wie die Maskenpflicht beim Joggen an Alster und Elbe in Hamburg etwa seien eher symbolischer Natur und ließen «keinen nennenswerten Einfluss auf das Infektionsgeschehen erwarten», schreiben die Experten. Sars-CoV-2-Erreger würden fast ausnahmslos in Innenräumen übertragen. Im Freien sei das äußerst selten, im Promille-Bereich. Hierauf sollten die begrenzten Ressourcen nicht verschwendet werden, heißt es in dem Brief. Auch würden im Freien nie größere Gruppen – sogenannte Cluster – infiziert, wie das in Innenräumen etwa in Heimen, Schulen, Veranstaltungen, Chorproben oder Busfahrten zu beobachten sei.

Auch die Ausgangssperren versprechen aus Sicht der Wissenschaftler mehr als sie halten können. «Die heimlichen Treffen in Innenräumen werden damit nicht verhindert, sondern lediglich die Motivation erhöht, sich den staatlichen Anordnungen noch mehr zu entziehen», schreiben sie. «In der Fußgängerzone eine Maske zu tragen, um anschließend im eigenen Wohnzimmer eine Kaffeetafel ohne Maske zu veranstalten, ist nicht das, was wir als Experten unter Infektionsvermeidung verstehen.» Mit Ausgangsbeschränkungen will die Politik verhindern, dass sich Menschen zeitweise überhaupt treffen.

Stattdessen empfehlen die Autoren mehrere Maßnahmen wie Treffen in Innenräumen so kurz wie möglich zu gestalten, mit häufigem Stoß- oder Querlüften Bedingungen wie im Freien zu schaffen, effektive Masken in Innenräumen zu tragen sowie Raumluftreiniger und Filter überall dort zu installieren, wo Menschen sich länger in geschlossenen Räumen aufhalten müssen – etwa in Pflegeheimen, Büros und Schulen.

«Die Kombination dieser Maßnahmen führt zum Erfolg», heißt es weiter. «Wird das entsprechend kommuniziert, gewinnen damit die Menschen in dieser schweren Zeit zugleich ein Stück ihrer Bewegungsfreiheit zurück.» Zu den Unterzeichnern zählen der Präsident der Gesellschaft für Aerosolforschung, Christof Asbach, Generalsekretärin Birgit Wehner und der frühere Präsident der Internationalen Gesellschaft für Aerosole in der Medizin, Gerhard Scheuch.