Werner Brockmann

Weinakademiker & Weinfachhändler

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Wie schmeckt der Boden? – Sinn und Unsinn von Terroir

Brockmanns Weinschule
12. August 2021

Terroir ist ein Begriff, den die Franzosen geprägt haben und gerne für sich beanspruchen. Sie meinen damit die Einzigartigkeit einer Lage und damit gleichzeitig die Unverwechselbarkeit eines Weines. Aufwendige Weinbeschreibungen versuchen solche individuellen Tropfen zu erfassen, bei denen oft von Mineralität sowie dem Geschmack des Bodenprofils gesprochen wird. Was steckt aber wirklich hinter dem Begriff Terroir und wie weit ist diese Einzigartigkeit im Wein zu schmecken?

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Terroir, mehr als Boden

Der Begriff Terroir wird missverständlich oft gleichgesetzt mit dem Bodenprofil, auf dem die Reben wachsen. Er umfasst aber wesentlich mehr. Auf der einen Seite gehören vom Menschen unveränderliche Faktoren wie Klima, Wetter, Topographie und Boden dazu, aber auf der anderen Seite aus meiner Sicht genauso die vom Winzer beeinflussbaren Faktoren, wie Rebsortenauswahl, Bodenbearbeitung und Rebschnitt sowie Erziehungsform dazu. Durch die Arbeit des Winzers werden die einzelnen Faktoren unterschiedlich stark beeinflusst. Am Ende muss aber der Zusammenhang und die Wechselwirkung aller Faktoren untereinander gesehen werden, um zu verstehen was Terroir bedeutet.
Im Folgenden möchte ich auf die beiden wichtigsten Faktoren Klima und Boden etwas genauer eingehen.

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Klima und Wetter

Das Klima beeinflusst mit seinem jährlich wechselnden Wetter unbestreitbar den Geschmack des Weines. Beim Klima gilt es zwischen Makroklima und Mikroklima zu unterscheiden. Ersteres ist überregional zu sehen und bestimmend für eine großflächige Region. So haben wir beispielsweise im Bordeaux ein vom Golfstrom des Atlantiks geprägtes maritimes Klima, was sich durch milde Temperaturen in einer relativ engen  jährlichen Bandbreite mit feuchten Witterungsbedingungen im Frühjahr und Herbst auszeichnet. Im Gegensatz dazu steht das mediterrane Klima, welches durch warme, trockene und sonnige Sommer gekennzeichnet ist. Die Struktur der Weine ist meist  kräftiger mit höheren Alkoholgehalten, spürbareren Tanninen und einer milderen Säure. Beim kontinentalen Klima, wie wir es in Osteuropa aber auch im inneren Spaniens vorfinden, sind die Tag-/Nacht-Temperaturschwankungen sehr stark ausgeprägt. Dies hilft den Weinen zu mehr Aromatik und Frische, die sie dringend benötigen, um der intensiven Sonneneinstrahlung und Hitze entgegen zu wirken. 

Beim Mikroklima ist hingegen das individuelle Klima eines einzelnen Weinbergs bzw. sogar einer einzelnen Lage gemeint. Dieses wird vorwiegend beeinflusst durch die Himmelsausrichtung, Hangneigung sowie die Lage zu Wäldern, Seen und Flüssen aber auch durch den Boden selbst, der mit seiner Struktur zur Beeinflussung des Mikroklimas beiträgt. Schwarze Schieferböden an der nördlichen Rhone oder im Douro erhitzen sich tagsüber so stark, dass sie nachts die Wärme  wieder an ihre Umgebung abgeben.

Wichtig ist beim Klima insbesondere der Einfluss auf die Reben durch Feuchtigkeit und Niederschlag sowie die Sonnenscheindauer und deren Intensität. Die Arbeit des Winzers ist hiervon stark geprägt. Angefangen von der Auswahl der Rebsorten über den Rebschnitt bis hin zum Einsatz von Spritzmitteln ist der Winzer gefordert, sich den Verhältnissen anzupassen.

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Boden

Das Thema Boden kann so unerschöpflich sein, wie die Vielfalt der Böden dieser Welt selbst. Lassen Sie uns deshalb auf einige grundsätzliche und entscheidende Dinge fokussieren wie Bodenstruktur, die Fähigkeit der Böden Wasser zu speichern sowie deren Nährstoffreichtum und die Bodenarten wie Lehm, Kies, Ton oder Kalk.

Was ist entscheidend für den Wein und die Reben? Reben können sehr tief wurzeln. Alte Reben, die sich über mehrere Jahrzehnte im Boden verankert haben, können bis zu 40 Meter lange Wurzeln entwickeln und damit die Mineralien, Nährstoffe und das Wasser aus sehr tiefen Schichten anzapfen. Je poröser und offener der Boden wie z.B. bei Kalk oder Schiefer, desto tiefer können die Wurzeln gehen. Tonböden und schweres kompaktes Gestein hindern die Pflanzen dagegen in die Tiefe abzutauchen.

Neben der Durchlässigkeit der Böden ist für den Wasserhaushalt und das Wachstum der Pflanzen vor allem die Bodenfeuchtigkeit und die Fähigkeit der Böden,  Wasser zu speichern wichtig. Dies gilt vor allem in sehr heißen Gebieten. Für den Ertrag wiederum ist der Nährstoffreichtum der Böden wichtig. Dies ist auch ein entscheidender Punkt für die Qualität der Weine, denn bessere Qualitäten entstehen eher auf mageren und nährstoffarmen Böden und uniforme massentaugliche Weine  auf nährstoffreichen Böden, denen regelmäßig Dünger hinzugefügt wird.

Die Vielfalt der unterschiedlichen Böden ist unerschöpflich, dennoch gibt es typische Bodenarten, die besonders bei qualitativ hochwertigen Weinen gerne genutzt werden. Bei Schieferböden wie an der Mosel, dem Douro oder der nördlichen Rhone sowie kalkhaltigen Böden wie im Burgund stellt das Terroir eine wichtige Eigenschaft der Weine dar und wird deshalb auch intensiv als Marketinginstrument genutzt. Wichtig ist dabei aber immer die Pflanzung der richtigen Rebsorte.

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Die richtige Rebsortenwahl

Einige Rebsorten reagieren mit ihrem Geschmack sehr sensibel auf unterschiedliches Terroir und können dieses somit viel besser abbilden als andere. Besonders Riesling, Spätburgunder und auch Chardonnay sind Diven im Umgang mit Boden und Klima. Es gibt wohl kaum Anbaugebiete bei denen das Thema Terroir intensiver gespielt wird als das Burgund mit Spätburgunder und Chardonnay sowie die Mosel mit ihrem Riesling. Hier kann ein Wein aus einer Parzelle trotz ähnlicher An- und Ausbaumethoden tatsächlich eine andere Aromatik und Struktur entfalten als auf der Nachbarparzelle. Hierfür verantwortlich ist aber nicht ausschließlich der Bodentyp, sondern vielmehr die Gesamtheit des Terroirs mit all seinen Facetten, vom Mikroklima bis hin zur Hangausrichtung, Sonneneinstrahlung aber auch dem Rebenalter.

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Fazit

Insgesamt ist es aus meiner Sicht sehr schwierig oder fast unmöglich zu behaupten, dass ein Boden oder Terroir einen bestimmten Geschmack hat. Diverse Versuche und Untersuchungen haben gezeigt, dass für den Geschmack im Glas sehr viele Komponenten entscheidend sind, die den Faktor Boden und Terroir überlagern. Dies betrifft vor allem den Ausbau im Keller mit dem Einsatz von Hefen und Holz sowie die typische Winzerhandschrift. Je natürlicher die Weine aber behandelt werden, sowohl im Weinberg als auch im Keller, desto besser kann das Terroir vom Winzer herausgearbeitet werden, da externe Einflüsse nicht die Oberhand gewinnen.

Terroir hat eine wichtige Bedeutung für den Geschmack und die Struktur der Weine, allerdings sollte man diesen Faktor nicht zu sehr überschätzen, da andere Faktoren zum Teil deutlich wichtiger sind. Deshalb lassen Sie sich durch diese Thematik nicht zu sehr verunsichern, sondern probieren es lieber durch Verkosten und Genießen selbst aus und bilden sich ein eigenes Urteil.

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Experimentier-Tipp

Wenn Sie probieren möchten, was Terroir bedeutet suchen Sie sich einen Winzer einer Region, der Weine aus verschiedenen Einzellagen ausbaut. Jochen Beurer vom VDP-Weingut Beurer aus dem Remstal in Württemberg baut seine Weine als Demeter-Betrieb sehr natürlich aus. Seine Riesling Ortsweinkollektion aus Kieselsandstein, Gipskeuper und Schilfsandsein ist eine gute Möglichkeit zu erfassen wie Weine aus unterschiedlichen Lagen bei gleicher Winzer-Handschrift schmecken.

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Weinvertikale Werner Brockmann

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