Anette Hollenbach

Imkerin & Autorin

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To bee or not to bee

Summ summ summ – Folge 2
6. Mai 2019

Treffen sich zwei Bienen. Sie unterhalten sich über die Vor- und Nachteile von Stadt- und Landleben. Irre: Auch die Bienen zieht es zunehmend in die Stadt, finden sie doch dort mehr Futter als auf dem Land.

Foto: Hofbienerie

Auf einer nektarreichen, sich im Sommerwind wiegenden Malvenblüte stecken zwei Honigbienen ihre Köpfe und Fühler zusammen.

„Neu hier in der Stadt?“

„Ja. Ich bin gerade von einem langen aufzehrenden Flug über triste und öde Landschaften auf der Suche nach Blüten erschöpft und ruhe mich ein wenig aus.“

„Tja, mach es wie ich – lebe im Schlaraffenland. An manchen Tagen bin ich ganz benommen vor Glück. Der Nektar schmeckt einfach honiglecker. Das Fliegen hier in der Großstadt über ein Blütenmeer, vorbei an üppig blühenden Balkonen und Innenhöfen und entlang nektarreicher Stockrosen ist einfach unbeschreiblich schön. Jedes noch so kleine Spinnennetz kann mir mittlerweile nix mehr anhaben. Und die vielen Autos, die meistens im Stau stehen, umfliege ich perfekt. Tagtäglich ziehe ich viele Blicke auf mich und die Freude bei den Menschen ist groß, wenn sie mich entdeckt haben. Sie reagieren geradezu euphorisch; ich weiß gar nicht warum. Und Du?“
 

Schöne Rapsblüte, nur leider giftig

„Ich komme von einem Standort in Feldrandlage viele Flugkilometer von hier. Unser Stock wird von intensiv bewirtschafteten Nutzflächen, wie die Menschen sie nennen, umgeben. Die Rapsblüte ist lange schon verwelkt. Sie war weit und breit meine einzige Nahrungsquelle.

Mir ist da neulich echt was Dummes passiert. Bin vor lauter Freude im Sturzflug auf die herrlich duftende Rapsblüte. Hab mir meinen Magen vollgeschlagen und vor lauter Eifer die Vibrationen nicht wahrgenommen. Sie wurden intensiver. Aus heiterem Himmel wurde es plötzlich dunkel und nass.

Nachdem meine Flügel endlich wieder getrocknet waren, ging es schnurstracks in den Stock zurück. Allerdings wurde ich nicht sonderlich begeistert empfangen. Musste erst einmal in die Reinigung und dann zum Rapport.

Wo ich gewesen wäre und so weiter und so weiter… Mir wurde dann mitgeteilt, dass ich Pflanzenschutzmittel abbekommen habe. Ich war mir bis dahin sicher, dass es diese Gewissenlosigkeit und Ignoranz uns bestäubenden Insekten gegenüber nicht gibt. Ist es nicht so, dass wir Bienen für einen enormen Mehrertrag in Landwirtschaft sorgen?“

Der volkswirtschaftliche Nutzen der Honigbienen in Deutschland wird auf 2,7 Milliarden Euro beziffert. – Bee Careful 

„Und würden wir nicht von Blüte zu Blüte fliegen, würde es eine große Anzahl von genussvollen und gesunden Lebensmitteln nicht geben! Mein mitgebrachter Nektar war jedenfalls qualitativ absolut minderwertig und nicht lagerfähig.

Das Totalherbizid, das der Landwirt bei herrlichem Sonnenschein auf die Blüten gespritzt hatte, könnte zu toxischen Rückständen im Honig führen. Was dann passieren würde, wenn der Bienennachwuchs damit gefüttert wird, möchte ich mir gar nicht vorstellen. Ich frage mich immer und immer wieder, warum die Menschen so handeln? Vertragen und mögen sie Fungizide, Herbizide und Insektizide?

Foto: Hofbienerie

Mais für den Tank

Der nächste Ausflug endete an einem Feld mit hohen, schmalblättrigen Pflanzen soweit das Auge reicht. Ich hatte Beschaffungsdruck. Die Bienenbrut musste ernährt werden und ich hatte Hunger. Ich habe mir die Pflanzen ganz genau angesehen und wirklich keinen Nektar gefunden. In den Blattachseln glänzte ein Tropfen in der Mittagssonne und davon wollte ich unbedingt naschen, denn vielleicht machte der wenigstens satt.

Bevor ich aber meinen Rüssel hineinstecken konnte, hörte ich ein lautes ‚NEIN, TU ES NICHT!‘. Sofort schubste mich eine sehr seltene wilde Schwester vom Blatt. ‚Was soll denn das?‘

Nachdem wir beide auf dem harten Boden gelandet waren, stellte sie sich vor. Sie sei eine Blattschneider-Biene und fügte hinzu: ‚Wenn ich lebensmüde wäre, dürfte ich gerne von dem Tropfen kosten.‘ Er wäre toxisch, würde mich aber nicht sofort töten, sondern meine Orientierung vehement stören. Ich werde bald schon den Rückflug zu meinem Volk nicht mehr koordinieren können.

Warum nur vergiften die Menschen ihre und unsere Nahrung?

Na, da hatte ich gerade noch einmal Glück gehabt. Die aufmerksame Artgenossin hatte noch etwas Zeit und erzählte mir die ganze Geschichte. Die Pflanzen mit den giftigen Tropfen waren Futtermaispflanzen.

Um den Mais vor dem Maiswurzelbohrer zu schützen, besprühen die Menschen die Pflanzen mit giftigen Pflanzenschutzmitteln. Und auch die Flüssigkeit, die die Maispflanze über Nacht absondert und die ich fast getrunken hätte, ist davon belastet. Diese nennen sich übrigens Neonicotinoide.
 

Flupyradifuron unter dem Namen „Sivanto“ ist ein neues bienengefährliches Neonicotinoid das direkt auf die Blüte gebracht werden darf.Wirkung des neuen Pestizids Flupyradifuron auf Gehirn und Verhalten von Honigbienen und Hummeln.

Promotionsprojekt Prof. Ricarda Scheiner, Uni Würzburg.

„Ihr Menschen habt sie doch nicht mehr alle! Vergiftet euch selber und eure Nahrung.Aber damit nicht genug. Meine Wildbienenschwester hat mir noch verraten, dass die Menschen ständig ihre Felder vergrößern und dafür Wiesen und Auwälder weichen müssen. Damit verschwindet der Lebensraum für abertausende Insekten – von den Kleinsäugern, Waldrandbewohnern und vielen Vogelarten mal ganz abgesehen.“

1,6 Mio Hektar wurden in Deutschland im Jahre 2017 für den Futtermaisanbau genutzt. Der Anbau für Biogasanlage steigerte sich auf 0,9 Mio Hektar. 2018 wurden rund 16,65 Millionen Hektar landwirtschaftlich genutzt (Dauerkulturen, Weinbau, Weidewirtschaft). 

Statistisches Bundesamt/Statistica.com

Die Menschen ernten die Maispflanzen nicht um Lebensmittel herzustellen oder damit zu kochen, sondern um die Biogas-Anlagen zu füttern.

„Wir Bienen brauchen viele verschiedene Pflanzen mit Nektar und Pollen und das das Bienenjahr hindurch. Ist denn wohl den Menschen eine abwechslungsreiche Ernährung nicht wichtig? Uns schon.

Uns geht es schlecht. Wir sind nicht nur belagert von Parasiten wie der Varroa-Milbe, gegen die wir uns nicht wehren können. Es gibt auch immer weniger frostige echte Winter und unsere Nahrung wird durch Monokulturlandschaften einseitig und rar. Und dann vergiftet ihr auch noch unsere Nahrung, die zu Eurer wird!

Ich ziehe mich ja nach 30 Lebenstagen ganz automatisch aus dieser Misere, aber wie sieht es bei mit euch aus? Wer bestäubt denn bitte schön die Pflanzen, wenn es uns nicht mehr gibt? Wie sollen Obst, Gemüse, Kakao, Kaffee, Ölfrüchte wachsen, wenn wir alle tot sind?“

75 Prozent der globalen Nahrungsmittelpflanzen sind von der Bestäubung insbesondere durch Bienen abhängig. Allein für medizinische Zwecke verwendet der Mensch heute über 50.000 bienenbestäubte Pflanzenarten. Die Wabenbauweise der Bienen ist aus Flug- und Fahrzeugbau nicht mehr wegzudenken. Die hocheffiziente Sammelweise der Arbeiterinnen eines Bienenvolks ist beispielsweise Vorbild in Logistikprozessen, Computerprogrammen und sozialen Netzwerken.

„Will die gesamte Menschheit so enden wie die Chinesen? Die in vielen Obstanbauregionen schon selber in Bäume klettern müssen um zu bestäuben, weil irgendein Depp vor Jahrzehnten alle Insekten vergiftet hat? Wer bezahlt denn diese  Bestäubungstätigkeit von MitarbeiterInnen, die nur im Obstanbau allein in Deutschland jährliche Lohnkosten in Höhe von ca. 821 Millionen Euro hervorrufen würde?

Was würde also passieren, wenn die Menschheit es wirklich schafft, uns alle zu töten?

Eines ist klar, ohne uns Bienen läuft schlicht und einfach gar nix.“


Am 20. Mai ist übrigens Weltbienentag.

www.weltbienentag.de

Foto: Hofbieneri

Hofbienerie Anette Hollenbach

www.hofbienerie.de