Ein Beitrag von Frank Grupe

Eine Grande Dame des Volkstheaters hat die Bühne für immer verlassen. Wir trauern um eine liebenswerte Kollegin, eine Schauspielerin mit Herz und Verstand, die das Ohnsorg-Theater viele Jahre lang mit fein gezeichneten Charakteren und in hintergründig komischen Rollen bereichert hat. Am 1. Mai 1942 inmitten der Kriegswirren geboren, wuchs Edda Loges in Bremen auf. Nach einer Ausbildung zur Floristin besuchte sie die hauseigene Schauspielschule des Ernst-Waldau-Theaters in Bremen-Walle. Zusätzlich erhielt sie Schauspielunterricht von Dorothea Constanz vom Oldenburgischen Staatstheater. Der Dichter Heinrich Schmidt-Barrien brachte ihr Plattdeutsch bei. Dem Waldau-Theater blieb sie als Schauspielerin von 1964 bis 1991 viele Jahre treu; schon früh spielte sie dort große Rollen wie Belinda in Johnny Belinda oder Elsbe in Mudder Mews. 1986 und 1987 war sie bei den Festspielen in Jever „das standhafte Fräulein Marie“, Regentin der Herrschaft Jever – zwei Ausflüge zum sommerlichen Freilicht-Theater. 1991 verließ Edda Loges endgültig das Waldau-Theater. Sie gründete mit ihrem Ehemann und langjährigen künstlerischen Weggefährten Werner Michaelsen das plattdeutsche ensemble bremen (peb), wo sie die Titelrolle in Marie-Christine spielte, einem Stück, das von Radio Bremen aufgezeichnet und von 3sat und dem NDR gesendet wurde. Außerdem gestaltete sie in dem Ein Personen-Stück Spätlese eindrucksvoll eine Frau in mittleren Jahren, die – vom Leben betrogen – unter Alkoholeinfluss eine Generalabrechnung vornimmt. Daneben spielte die vielseitig begabte Darstellerin auch Kabarettprogramme in Bremen.
Von Bremen nach Hamburg
1997 führte ihr Weg sie dann ans Ohnsorg-Theater nach Hamburg, wohin sie kurze Zeit später auch ihren Lebensmittelpunkt verlegte – gewiss keine leichte Entscheidung für die fest verwurzelte Bremerin, aber notwendig, um künstlerisch noch einmal voll durchzustarten. Und das wollte und tat Edda Loges: Gleich in ihrer ersten Rolle musste sie sich an der Seite von Ohnsorg-Urgestein Karl-Heinz Kreienbaum in Seemann pass op als dessen Ehefrau behaupten; sie meisterte diese Aufgabe mit Bravour. Den Umzug nach Hamburg hat sie nie bereut. Das Publikum spürte schnell, welch wunderbare Schauspielerin da auf der Bühne des Ohnsorg Theaters stand: ob strenge Chefin, komische Alte, unterdrücktes „Heimchen am Herd“, schusselige Nachbarin, gütige Oma oder emanzipierte Frau von Welt – Edda Loges füllte jede dieser und viele weitere Rollen überzeugend und authentisch aus, oft mit dem ihr eigenen lakonischen Humor.
Große Freiheit Nr. 7 (1999/2000), De Witwenclub (2001/02), An de Eck vun´t Paradies (2002/03), Herr Puntila un sien Knecht Matti (2005/06), Atschüß, mien Leev (2007/08), De Blaue Engel (2008/09) Witte Pracht (2011/12) und Arsenik un ole Spitzen (2016/17) sind nur einige von vielen Stücken, in denen sie das Publikum begeisterte. Ihre heimliche Liebe galt dem Weihnachtsmärchen: Bereits in ihren Bremer Jahren spielte sie gern vor Kindern. Noch 2014 stand sie in Der gestiefelte Kater auf der Bühne des Ohnsorg-Theaters. Eine Herzensangelegenheit war ihr auch das Ohnsorg Studio: 2016/17 berührte sie als Großmutter in Tüdelig in´n Kopp – als Oma seltsam wurde, 2019/20 bezauberte sie als skurrile Maude in Harold un Maude die Zuschauer.

Hanseatische Zurückhaltung und Herzenswärme
Edda Loges war stets eine disziplinierte, fleißige Arbeiterin. Faulheit und Nachlässigkeit waren ihr ein Gräuel. In ihr verbanden sich hanseatische Zurückhaltung mit großer Herzenswärme, tiefe Nachdenklichkeit mit schallendem Lachen, Charakterstärke mit Sanftheit, Urteilsvermögen und Unverblümtheit mit Einfühlsamkeit und Rücksicht. Es gibt keine Kollegin und keinen Kollegen am Ohnsorg-Theater, die oder der sie nicht gernhatte. Lüge und Intrige waren ihr fremd, wo sie Unrecht sah, schritt sie beherzt ein, sie vertrat ihre Meinung leise, aber entschieden. Nicht nur als Künstlerin, auch als Mensch wird Edda Loges am Ohnsorg-Theater fehlen. Neben der Bühne gehörte ihre Leidenschaft dem Rundfunk: In zahlreichen hoch- und plattdeutschen Hörspiel-Produktionen von NDR, Radio Bremen und WDR wirkte sie mit. U.a. spielte sie Hauptrollen in den Funk-Serien Kastendiek und Bischoff (426! Folgen) und Schipperkids. Und singen konnte sie auch noch: Nicht nur wirkte sie im Ohnsorg-Theater u. a. bei den musikalischen Produktionen De Vedder ut Dingsda (2004/05) und De Lüüd vun´n Lehmpott (2008/09) mit, sie nahm auch eine Schallplatte mit Liedern nach Gedichten von Hermann Claudius auf und gab insgesamt 89 Live-Konzerte. Zum letzten Mal spielte sie im Frühjahr 2023 im Studio in der Wiederaufnahme von Tüdelig in´n Kopp – in jener Rolle als Großmutter, die ihr ganz besonders am Herzen lag. Danach zog sie sich vom aktiven Theaterleben zurück. Nun ist Edda Loges in ihrer Hamburger Wohnung friedlich eingeschlafen. Atschüß, Edda. Wi wohrt di in uns Harten.
Frank Grupe, ehemaliger Oberspielleiter
