Barbara Maier

Autorin

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Biobauer Matthias Stührwoldt

Landwirt mit Händchen für Kühe und Geschichten
21. März 2019

Wenn Matthias nicht in seiner Landwirtschaft arbeitet oder sich seiner Familie widmet, dann schreibt er Bücher über sein Leben als Bauer oder hält Lesungen in ganz Schleswig-Holstein. Der Biobauer im Portrait.

© Matthias Stührwoldt

Matthias Stührwoldt hat vor zwanzig Jahren mit seiner Partnerin, die seit 27 Jahren auch seine Ehefrau ist, den konventionellen Milchbetrieb seiner Eltern übernommen und drei Jahre später mit der Umstellung auf ökologische Landwirtschaft begonnen. Auf 70 Hektar Land lebt die Familie, zu der fünf Kinder im Alter von 17 bis 23 Jahren gehören. Außerdem leben auf dem Hof 60 Milchkühe, 30 Kälber und Jungtiere, 4 Pferde, 3 Katzen, ein paar Hühner und ein Hofhund. Wenn Matthias nicht in seiner Landwirtschaft arbeitet oder sich seiner Familie widmet, dann schreibt er Bücher über sein Leben als Bauer oder hält Lesungen in ganz Schleswig-Holstein.


Kein leichter Weg

Ursprünglich wurde der Hof Wittmaaßen von Stührwoldts Eltern konventionell geführt. Nachdem Sohn Matthias seine Ausbildung auf der Landwirtschafts- dann Landbauschule, sowie ein einjähriges Praktikum bei einem Biobauern abgeschlossen hatte, war für ihn klar, dass er, wenn er den Hof seiner Eltern weiterführen wird, dies nach den Richtlinien der ökologischen Landwirtschaft tun würde. Kein leichter Weg. Denn um mit einem guten Gefühl im Herzen Bauer sein zu können, brauchte er Durchhaltevermögen und ein finanzielles Polster, um die Umstellungszeit von über einem Jahr zu überstehen.

Nachdem das geschafft war, kann Stührwoldt in dem Wissen leben, dass er den Kühen, den Menschen, der Umwelt und dem Hof selbst etwas Gutes tut. Ganz besonders freut er sich, das sich sein ältester, inzwischen 23-jähriger Sohn, dazu entschlossen hat, eines Tages den Hof Wittmaaßen zu übernehmen und im Sinne seines Vaters weiter zu führen.

© Barbara Maier

Sanfte Rindviecher

Die rund sechzig Milchkühe mit ihren großen, dunklen, von langen Wimpern umrahmten Augen, schauen einen neugierig und sanftmütig an, wenn man den Stall betritt. Ein leises, freundliches „Muh“ ertönt aus verschiedenen Richtungen. Hauptsächlich sind es Schwarz- und Braunbunte die einen hier so freundlich begrüßen, auch das eine oder andere Angler ist mit dabei. Noch liegen sie auf frischen Heu oder spazieren im Stall umher, nichtsahnend, dass in einigen Minuten der Weg vom Stall zu den Weiden freigegeben wird.

In der Regel bekommen sie im März und April ihren täglichen Weidegang um dann von Anfang Mai bis Anfang Oktober ganztags auf den Weiden zu verbleiben um sich vom frischen Grün zu ernähren. Dementsprechend hoch ist der Gehalt an für uns Menschen so gesunden Omega-3-Fettsäuren und konjugierten Linolsäuren (CLA) in der Milch. In den Wintermonaten werden sie im Stall gehalten, können sich aber frei bewegen und je nach ihren Bedürfnissen mit Streu ausgelegte Boxen aufsuchen um gemütlich zu liegen und wiederzukäuen, oder sich zu den anderen Herdenmitgliedern gesellen. Auch für den täglichen Hoflauf ist gesorgt, den die Kühe selbst bei Minusgraden nutzen, um sich den Wind durchs glänzende Fell wehen zu lassen.

In der kalten Jahreszeit werden sie mit Silage, ein bisschen Stroh und etwas ökologischem Kraftfutter gefüttert. Außerdem steht ihnen ständig eine Mineralstoffmasse zum Schlecken zur Verfügung.
 


Weideauftrieb

Nun ist es endlich soweit! Der für Matthias Stührwoldt schönste Tag des Jahres – der Tag an dem die Tiere das erste Mal nach der recht langen Winterzeit auf die Weiden getrieben werden. Durch die schlechten Wetterverhältnisse im letzten, sowie den langen Winter in diesem Jahr, musste der Weideauftrieb diesmal auf Mitte April verschoben werden.

Es werden die Stalhtore und die Gatter von den Weiden geöffnet. Matthias zeigt seinen Rindviechern erst einmal wo es lang geht – derselbe Weg wie im letzten Frühling, doch das ist ja schon eine Weile her. Bei den Kühen, die diesen Weg schon mehrfach gegangen sind, sieht man ganz deutlich, wie plötzlich die Erinnerungen daran wieder wach werden und sie auf einmal ganz genau wissen, welcher Weg sie zu den Weiden führt. Plötzlich werden sie immer unruhiger, schneller und fangen an zu drängeln. Bis dann die ersten Kühe die Weide erreicht haben und erst einmal am Gras schnuppern, dann hochsehen und den weiten Blick genießen um dann wie aus dem nichts loszurennen. Es geht einem das Herz auf, wenn man die ausgewachsenen Kühe, die nach Monaten das erste Mal wieder auf die Weide kommen, wie kleine Kinder herumtollen und springen sieht. Aus jeder Pore strömt die reine Lebensfreude.

Die etwas empfindlicheren Jungtiere dürfen im Mai folgen, wenn es draußen etwas wärmer und beständiger geworden ist.

© Barbara Maier

Die Milchkuh

Damit eine Kuh zur Milchkuh avanciert, muss sie einmal im Jahr kalben. Dafür wird sie das erste Mal mit frühestens 2,5 Jahren besamt. Dies geschieht auf dem Hof Wittmaaßen nur noch auf künstlichem Wege. Denn ein paar Jahre zuvor konnte Matthias Stührwoldt nur dank des schnellen Eingreifens seines Mitarbeiters, einer für ihn lebensgefährlichen Situation in der Box eines Zuchtbullen, entkommen. Der Bulle mochte sich irgendwann in der Rangordnung dem Menschen nicht mehr unterordnen, sondern wollte selber die Herrschaft übernehmen.

Inzwischen werden die Stührwoldtschen Kühe also künstlich besamt. Und zwar mit den Samen eines hornlos gezüchteten Bullen, so dass dessen Nachkommen ebenfalls hornlos auf die Welt kommen. Damit werden vor allem Verletzungen vermieden, die sich die übermütigen Jungtiere sonst häufiger bei ihren Rangeleien und manchmal auch recht wilden Spielen zufügen würden, sowie Verletzungen am Menschen, die durch den täglichen Umgang mit den Tieren schnell geschehen können. Den Kälbern bleibt dadurch die Prozedur des Enthornens erspart, die auch nicht völlig ohne Schmerzen für die Tiere durchführbar ist.

Die letzten 6-8 Wochen vor der Kalbung stehen die trächtigen Kühe trocken, das heißt, dass sie in dieser Zeit nicht mehr gemolken werden. Zum einen kann sich das Euter in dieser Zeit regenerieren und zum anderen wird auf diese Weise sichergestellt, dass die ganze Kraft der werdenden Kuhmutter dem Wachstum des Kälbchens zur Verfügung steht. Nach neun Monaten Trächtigkeit werden die Kälber geboren und kommen dann nach drei Tagen in den Kälberstall, wo sie von Familie Stührwoldt mit viel Zuwendung großgezogen werden.

Dies wiederholt sich jedes Jahr. Würden die Kälber drei Monate oder länger bei der Mutterkuh verbleiben, hätte das zur Folge, dass die Kuh beim säugen des Kalbes die Milch laufen lassen und beim Ansetzten der Melkmaschine die Milch zurückhalten würde, da der Reiz des saugenden Kälbchens ein anderer ist. Das kann dann schnell zu Problemen bei der Eutergesundheit führen. Zudem trinkt ein wenige Wochen altes Kalb 12 bis 14 Liter am Tag, was ohne Frage große finanzielle Einbußen mit sich bringen würde. Auch sei, so sagt Stührwoldt, die Trennung von Mutter und Kalb nach drei Monaten viel schwerer für die Tiere, da sie in dieser Zeit eine feste Bindung aufgebaut hätten.

Eine Milchkuh auf dem Hof Wittmaaßen gibt im Jahr durchschnittlich 5.700 Liter Milch, wobei das erstrebte Ziel von Stührwoldt bei 6.700 Litern liegt. Eine konventionell gehaltene Milchkuh, ohne Weidegang und Bewegung, mit viel Kraftfutter gefüttert, bringt es im Jahr auf 10.000 bis 13.000 Liter Milch. Diese Tiere sind zu reinen Industriemaschinen degradiert worden.

Inzwischen ist Stührwoldt mit seinem Milchviehhof Mitglied der „Bauerngemeinschaft Hamfelder Hof“, die zurzeit aus 27 familiengeführten Bioland-Betrieben aus Norddeutschland besteht. Unter der gemeinsamen Marke „Hamfelder Hof“ wird ausschließlich selbst erzeugte Bioland-Milch der Mitglieder vermarktet. Seit 2015 wurde die regionale Bioland-Meierei in Betrieb genommen. Hier wird nun auch Hamfelder Bio-Butter angeboten. Weitere Meierei-Produkte werden folgen.
 


Immer in Bewegung

Matthias Stührwoldt bewirtschaftet Hof und Felder mit einem festen Mitarbeiter sowie einem Praktikanten. Seinen Ausgleich findet er beim Schreiben von Büchern. Amüsant und augenzwinkernd erzählt er in diesen von seiner Familie, seiner Jugend, dem Leben auf dem Hof und den Tieren. Mal auf Hochdeutsch mal up Plattdüütsch. Großen Spaß machen ihm auch die Lesungen, die er inzwischen in ganz Schleswig-Holstein hält. Eine ganz besondere Mischung, die es nicht oft gibt. Familie, Landschaft und Kühe sind Garanten für immer neuen Stoff.

© Barbara Maier

Hof Wittmaaßen

24601 Stolpe
Tel. 04326/679
hofwittmaassen@gmx.de

Hamfelder Hof

Bauernmeierei GmbH & Co. KG
Dorfstraße 35, 21493 Mühlenrade

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