Jens Mecklenburg

Herausgeber & Autor

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Verlage und Buchhandlungen in der Krise

Ein Gespräch mit dem Hamburger Verleger Klaas Jarchow
1. April 2020

Während Lebensmittelgeschäfte weiter geöffnet haben, mussten Buchhandlungen schließen. Das Buch ist scheinbar nicht systemrelevant. Das Coronavirus treibt die Buchbranche in die Krise. Ein Gespräch über die Situation mit dem Hamburger Verleger Klaas Jarchow.  

Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie für Ihren Verlag?

Das lässt sich sehr konkret beantworten: Am 18. Und 19. März hatten wir 0 Euro Umsatz. Und der März ist normalerweise ein Zeitraum, in dem die Frühjahrsneuerscheinungen ausgeliefert werden, in denen die Leipziger Messe für Aufmerksamkeit sorgt, in denen die Frühjahrstitel herauskommen. Das entfällt in diesem Jahr. Es ist etwas schlicht eine Situation, die wir noch nicht hatten.


Wann erscheinen die angekündigten Frühjahrstitel?

Einige Titel, die vor den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie in Druck gegeben wurden, sind fast pünktlich erschienen. Den Buchhandlungen wurden dann längere Zahlungsziele eingeräumt. Andere Titel, die wir noch stoppen konnten, geben wir erst jetzt in Druck, und haben sie dann ab Mai lieferbar – wir hoffen, dass die Buchhandlungen dann zumindest einen Teil ihres Geschäftes wieder in Schwung bringen können. Aber wir fahren auf Sicht, wie so viele.


Welche Auswirkungen hat das für Ihre Autorinnen und Autoren?

Lesungen und auch alle anderen Veranstaltungen entfallen, das trifft Autorinnen und Verlag gleichermaßen, analog können wir aktuell fast nichts für die jeweiligen Titel tun. Und für neue Titel und Projekte ist die Lage unsicher, schwerer kalkulierbarer geworden, die Verlage können ja nicht anders, als vorsichtig zu kalkulieren. Das trifft dann auch die Autoren. Insgesamt gibt es für alle gravierende aktuelle, aber auch langfristige Auswirkungen.


Welche Rolle spielt in der Krise Amazon?

Der Online-Marktführer fängt den Rückgang nicht auf, im Gegenteil, Amazon ordert deutlich weniger Bücher – sie sind in ihrer Logistik mit anderen Produkten beschäftigt, vielleicht mit Toilettenpapier, Nudeln, Desinfektionsmitteln – da sind gerade gute Umsätze bei guten Margen drin … Amazon nutzt vermutlich auch die Gelegenheit, sein Buchlager zu bereinigen, da sie gerade nicht Sellergetrieben agieren müssen. Kurz: sie können abverkaufen, was im Lager ist, und müssen nicht neu bestellen.


Welche Rolle spielen E-Books?

Dahin verschiebt sich natürlich ein Teil der Nachfrage, aber das fängt im Volumen wenig auf.


Kann die Leserin / der Leser die Bücher auch direkt bei Ihnen bestellen?

Sicherlich, wir haben einen Shop, man kann uns mailen, wir haben ein Telefon – und unsere Bücher sind lieferbar. Aber auch fast alle Buchhandlungen haben in gewisser Weise offen… einfach mal Kontakt aufnehmen, die meisten sind ja da und sehr findig.


Kultur findet momentan nur noch virtuell statt. Was hat sich KJM überlegt?

Die Autorinnen sind höchst aktiv, machen z.B. Quarantäne-Lesungen. Jan von der Bank geht da sehr mobilisierend voran, aber auch viele andere. Unsere Autorinnen Katharina Henne und Lore Otto haben eine Quarantäne-Cooking-Rubrik auf unserer website initiiert, an der sich erstaunlich viele Kollegen beteiligt haben: Zuhause kochen mit einem Rezept von Cartoonist Til Mette u.a.m.! Til und seine Kollegen vom HAMBURGER STRICH sind außerordentlich aktiv mit Cartoons und kleinen Filmen zum neuen Buch, getreu dem Motto: Wenn die Bordelle schon geschlossen haben, der HAMBURGER STRICH hat immer offen …Wir selbst werden in dieser Woche mit einem neuen Newsletter starten, der KJM-Geschichten enthalten wird… es tut sich allüberall viel.


Wird sich die Buchbranche durch Corona verändern?

Sie hat sich geändert, das ist gar keine Frage der Zukunft mehr. Und nicht alle werden durchkommen. Der Ökonom spricht dann von Marktbereinigung. Was sich nachhaltig ändern wird, wissen alle noch nicht wirklich. Wird sich der digitale Schub, der jetzt eintritt, halten? Ist das die stärkste Veränderung, und verleiht dem ohnehin vorhandenen Trend noch eine ganz andere Dimension? Ehrlich gesagt, wissen wir es noch nicht. Die Sensorien der Branche sind wach und reagieren, anders geht es nicht. Wie, das ist nicht in allen Facetten bereits klar.


Bietet die Coronakrise auch Chancen für die Verlage?

Die sogenannte ‚Marktbereinigung‘ werden einige als Chance sehen. Ich sehe, vor allem für die kleineren Verlage, zuerst die ökonomischen Gefahren. Was wir jetzt nicht umsetzen werden wir nicht nachträglich wieder hereinholen, die Menschen werden nach Corona nicht plötzlich doppelt und dreifach so viele Bücher kaufen – der aktuelle Verlust hat jahrelange Auswirkungen. Die Potentialen sind eher auf der Themen- und mentalen Ebene zu suchen. Was lernen wir für unsere (begrenzten) menschlichen Leben? Was geschieht gesellschaftlich? Was ist unbewusst aktiv nach der Krise? Für kreative und schöpferische Menschen liegt darin natürlich die abgefragte ‚Chance‘. Was sind die Themen nach Corona? Was sind die Geschichten? Denn was bleibt von unseren Leben als die Geschichte, die wir leben – oder schreiben?! Auch nach Corona.

(Das Gespräch führte Jens Mecklenburg für Nordische Esskultur)

Klaas Jarchow © KJM/ Andreas Fromm

 

Über Klaas Jarchow

Klaas Jarchow ist studierter Literaturwissenschaftler und lehrte an der Universität Hamburg, bevor er als Autor und dann auch als Verleger arbeitete. Nachdem er die Verlage Rogner & Bernhard und Murmann leitete, gründete er 2014 den eigenen KJM Buchverlag.

 

Über KJM

„NORDEN und andere Richtungen“, der Titel des Buches der Kielerin Mona Harry, ist auch das Leitmotiv des KJM Buchverlages. Es erscheint ein ausgesuchtes kleines Vollprogramm von Belletristik und Sachbuch bis Foto- und Kunstband sowie Jugend- und Kinderbuch. Immer mit norddeutschen Autorinnen oder Themen.

 

 

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