Der Klimawandel ist ein globales Problem. Der Klimawandel ist komplex. Wirkt sich der Klimawandel auf die Flora und Fauna des Nordens aus und wenn ja, wo und wie? Wir sprachen mit zwei Naturschutzexperten über ihre Erfahrungen und Beobachtungen. Mit dem Biologen Hauke Drews von der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein und dem in einem Gutachterbüro tätigen Ornithologen Birger Reibisch, der ehrenamtlich als Schutzgebietsbetreuer beim Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) tätig ist.
Einwanderer
Hauke Drews erzählt, dass Deutschland inzwischen auch bei einigen Tierarten ein beliebtes Einwanderungsland geworden sei. Neobiota – so werden Tiere und Pflanzen bezeichnet, die die sich mit oder ohne den menschlichen Einfluss in einem Gebiet angesiedelt haben, in dem sie vorher nicht heimisch waren. Laut Drews wurden Arten eingeschleppt, oder haben sich zum Teil aus Südeuropa bis hoch zu uns in den Norden verbreitet, die sich hier durch das inzwischen wärmere Klima wohl fühlen, vermehren und die ursprünglichen Arten teilweise verdrängen.
„Zum Beispiel“, sagt Drews „versucht der Bienenfresser aus Südeuropa inzwischen auch bei uns im Norden immer mal wieder zu brüten. Die erste wirklich giftige Spinnenart, der Ammen-Dornfinger, der auch Menschen mit seinem Nervengift gefährlich werden kann, kam ebenfalls aus dem Mittelmeerraum zu uns.
Ebenso einige Insekten wie die Asiatische Tigermücke, die durch Warentransporte und Reisetätigkeiten bei uns eingeschleppt wurde. Sie ist Überträger des Dengue- und Chikungunya Virus. Bisher hat sie es nur im Süddeutschen Raum geschafft zu überleben. Aus Afrika hat sich die Feuerlibelle bis nach Schleswig-Holstein verbreitet.

Klimawandel: Was ist zu erwarten
Der Meeresspiegel an der Ostsee ist, wie gesagt, bis heute um einige Zentimeter gestiegen. Damit ist die Salzfreie Zone ein gutes Stück nach oben gewandert.
Da Schleswig-Holstein zu einem Drittel Marschland ist, von dem inzwischen ein großer Teil unter dem Meeresspiegel liegt, sieht Drews recht düster in die Zukunft:“ Die vordeichs liegenden Salzwiesen beheimaten rund 450 verschiedene Salzwiesenarten, die mit dem Anstieg des Meeresspiegels nach und nach aussterben werden, wenn es nicht gelingt die Deichlinien zurückzuverlegen.
An der Nordsee wird das Wattenmeer verschwinden und mit ihm eine riesige Anzahl von Wattbewohnern, die unter anderen vielen Seevögeln und Fischen als Nahrungsquelle dienen“.
Birger Reibisch vermutet, dass es in den Gebirgen dem einen oder anderem Wanderer aufgefallen sein wird, dass sich die Waldgrenze immer weiter nach oben verschiebt. Damit wird der Lebensraum für die Arten, die in den baumlosen Zonen leben, noch kleiner. Birkhühner und Bergpieper stehen deshalb als „stark gefährdet“ auf der roten Liste.
Doch es sind nicht nur viele Vögel und Insekten, die auf der „Roten Liste“ stehen. Immer mehr Tierarten – durchschnittlich jede dritte – ist vom Aussterben bedroht, wie zum Beispiel Kegelrobbe, Fischotter, Feldhamster, Igel, Fledermäuse und Luchse. Nicht zu vergessen die vielen Arten, die schon ausgestorben sind. Die nächsten Generationen werden so einige Tiere und Pflanzen nur noch durch Erzählungen oder aus Büchern kennenlernen.
Drews beantwortet die Frage zur Einschätzung der Erderwärmung so: „Es ist noch nicht abschließend geklärt, ob die momentanen Temperaturschwankungen im Golfstrom einem natürlichen Rhythmus unterliegen, oder ebenfalls Folgen des Klimawandels sind. Für die Gesamterwärmung der Erde spricht jedoch der weltweit hohe CO2 Gehalt.
Beide meinen übereinstimmend, dass der Klimawandel nicht allein die Ursache allen Übels ist, sondern tatsächlich spielen Landwirtschaftliche Faktoren wie Monokulturen, Überdüngung und der Gebrauch von Totalherbiziden wie Glyphosat, Umwelt- und Luftverschmutzung, Massentierhaltung etc. für die meisten Belange eine noch größere Rolle. Letztlich entscheidend jedoch ist, dass alle Faktoren gemeinsam für ein Massensterben in Flora und Fauna mitverantwortlich sind. Doch grundsätzlich ist es der Mensch, der diese Missstände geschaffen hat und letztendlich ist auch der Mensch für all das Elend auf unserer einst so wunderschönen Erde verantwortlich.

Warum ist Artenvielfalt wichtig
Fauna und Flora sind perfekt an ihre jeweilige Umwelt angepasst und haben im Laufe der Evolution ganz eigene, völlig unterschiedliche Überlebensstrategien entwickelt. Für viele innovative Entwicklungen im medizinischen wie auch physikalischen Bereich, werden unter anderem ganz spezielle Bauweisen oder Techniken aus dem Tier- und Pflanzenreich eingesetzt. Durch die kontinuierlich extremer werdenden Veränderungen in der Natur und der Umwelt im Allgemeinen, gehen immer mehr Arten und damit auch die Einzigartigkeiten jeder Spezies, unwiederbringlich verloren. Als Folge davon berauben wir uns damit zum Beispiel zukünftigen diversen Möglichkeiten, was unsere Ernährung und Gesunderhaltung betrifft. Zudem wird, wenn es so weitergeht, unsere Welt immer stiller, grauer und eintöniger werden.
Wer macht was – ein kurzer Überblick
— Stiftung Naturschutz
Die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein begann im Jahre 1978 mit einer Fläche von zwei Fußballfeldern – heute sind es 36.000 Hektar Stiftungsland. Land, welches von der Stiftung aufgekauft wird, um dann daraus wieder ein Stück ursprünglicher Natur zu schaffen. Je nach Dringlichkeitsstufe und Möglichkeit wird dieses Stück Land, oft mit enorm viel Aufwand „umgebaut“. Inzwischen gibt es zu viele Tiere und Pflanzen, die von Obdachlosigkeit und damit vom Aussterben bedroht sind. Wir brauchen Feuchtgebiete und Tümpel für unsere Amphibien und Libellen, artenreiche Wildblumenwiesen für Bienen, Schmetterlinge und viele andere Insekten, sowie natürlich Wald um auch hier nicht nur diversen Vogelarten, Insekten, Mäusen etc. Unterschlupf und Nistmöglichkeiten zu bieten, sondern auch um bestimmte Baum- und Pflanzenarten zu erhalten.
Hauke Drews ausgeprägtes Interesse an Natur und Umwelt, den damit verbundenen Beobachtungen, sowie die Jahrzehnte lange Arbeit in der Stiftung Naturschutz, haben ihm tiefe Einblicke in die Zusammenhänge von Flora und Fauna ermöglicht.
— Bund für Vogelschutz
Als „Bund für Vogelschutz“ wurde 1899 der heutige NABU gegründet. Er ist der älteste und mitgliedstärkste Umweltverband Deutschlands – immerhin sind es 700.000 Mitglieder und Förderer.
Getreu dem Motto „Gemeinsam für Mensch und Natur“ wird sich hier für Artenvielfalt, gute Luft, dem Schutz intakter Lebensräume, sauberes Wasser, gesunde Böden, sowie dem schonenden Umgang mit unseren Ressourcen engagiert.
Wenn Birger Reibisch seinen Arbeitstag in einem Gutachterbüro beendet hat, ist er beim NABU Mönkeberger See als ehrenamtlicher Schutzgebietsbetreuer tätig.