Anette Hollenbach

Imkerin & Autorin

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Das kurze Leben der Bienenmänner

Bienenkolumne Summ summ summ
30. Juli 2020
Eine Bienenwächterin mobbt einen Bienenmann. © Hofbienerie


Rumhängen, genussvoll essen, ausruhen – aber das dicke Ende kommt unausweichlich. 

Die Tage werden langsam kürzer und die ersten Laubbäume zeigen sich im herbstlichen Outfit. Im Bienenstock wird nun aufgeräumt und sich so ganz langsam auf die Winterruhe vorbereitet. Es geht den Bienenmännern an den Kragen, denn ihnen fehlt an stichfesten Argumenten durchgefüttert zu werden.  Und wer von den Herren nicht freiwillig geht wird rausgemobbt. Die völlig wehrlosen Drohnen verhungern qualvoll. Wenn es etwas besser läuft für sie, dann sterben die armen Kerle einen schnellen Tod durch Abstechen. Die aus dem unbefruchteten Ei nach 24 Tagen Brutzeit geschlüpfte Drohne lebt nur einen Sommer lang – und das wie im Schlaraffenland, oder doch nicht?


Hippe Single Location 

Bei herrlichem Sonnenschein erkunden die jungen und wilden Bienenjungs die Gegend, immer auf der Suche nach einer grazilen Königin. An angesagten Locations finden sie sich ein und gucken ob da was geht. Diese sogenannten Drohnensammelplätze sind besondere, optisch-auffällige Landschaften von denen sich die Drohnen angezogen fühlen. 
Auffälligkeiten wie Horizontsilhouetten, beispielsweise imposante Bäume, dunkle Objekte vor einem hellen Himmel oder auch Lücken von Helligkeit und Schatten sind bevorzugte Plätze.  Diese beinahe mystischen Versammlungen sind für uns sichtbar, aber nur sehr selten dürfen wir dieses Naturphänomen miterleben. Die Wolke von vielen hundert paarungseifrigen Drohnen löst sich auf und bildet sich nach kurzer Zeit wenige Meter entfernt neu. Verschwindet wieder und tritt an neuer Stelle in der Landschaft plötzlich wieder auf. Vielleicht um Räuber optisch zu irritieren? Diese noch unerforschten Versammlungsorte erstrecken sich allerdings nur über eine kleine Fläche von 30 bis 200 Metern. Um sicher zu gehen, dass ihnen bloß keine Jungkönigin entwischt, überziehen sie diesen Meeting Point schwärmender Weise mit einem engmaschigen Netz.

Biene, Hummel und Honigbiene auf einer Spätsommerstaude. © Hofbienerie

Ready for take off 

Startet nun eine Bienenkönigin durch, so wird sie mit übergroßen Facettenaugen der Drohnen sofort ins Visier genommen und das von vielen, vielen Sexhungrigen.  Wer es schafft die Königin einzuholen, das gelingt aber nur einer Handvoll und nur durchtrainierten und konditionell fitten Anwärtern, hat wenige Sekunden lustvollen Sex mit herrlichem Weitblick. Hat eine Drohne eine Königin erwischt, ergreift er sie mit seinen Beinen und koppelt mechanisch ihr Begattungsorgan an sich an. Der Bienenmann hängt nun wie gelähmt an seiner Partnerin. Den Endophallus voll ausgestülpt, so überträgt er bis zu 100 Millionen Spermien. 


Peng

Mit einem hörbaren Knall löst sich der Bienenmann nach dem Sex in luftiger Höhe in Wohlgefallen auf. Das Platzen seines Hinterleibes tötet ihn in Sekundenschnelle. Dem armen Kerl wird durch die Abtrennung seiner Sexpartnerin der gesamte Geschlechtsapparat mitsamt der Samenblase herausgerissen. 
Ungefähr 20 – 30 Drohnen dürfen sich mit einer Königin für wenige Sekunden vergnügen.


Loser

Und was machen die erfolglosen jungen Bienenmänner? Sie schleichen sich abends zurück in eines der Bienenvölker in der Hoffnung, von den Türsteherinnen reingelassen zu werden.  Nach dem Abendessen, was sie sich von den Schwestern erbetteln müssen, wird gechillt. Fit und voller Power schwärmen sie am nächsten Tag wieder aus, um rum zu posen und nur mit dem einen Ziel.

Drohnen sammeln keinen Nektar oder Pollen, erledigen keine Aufräumarbeiten oder übernehmen andere Tätigkeiten – sie tun einfach gar nix. Wir Imker nennen diese grausigen Szenarien übrigens „Drohnenschlacht“.


VIP

Obwohl die Drohnen im Vergleich zu den Arbeiterinnen als faul gelten und „nur“ eine Aufgabe in ihrem kurzen Bienenleben erfüllen, ist diese doch eine elementare: Ohne Fortpflanzung kein Fortbestand des Bienenvolkes. Und wer weiß, ob die Bienenmänner nicht doch Aufgaben übernehmen – vieles ist ja noch nicht verstanden. 
Wir dürfen gespannt sein auf die weiteren Forschungsergebnisse von Prof. Dr. Jürgen Tautz. Deutschlands führender Verhaltensforscher, Soziobiologe und Bienenexperte forscht am Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Seit 2006 entwickelt und leitet Tautz das interdisziplinäre Projekt HOneyBee Online Studies (HOBOS).



Buchtipp:

Das Einmaleins der Honigbiene, Prof. Dr. Jürgen Tautz

66 x Wissen zum Mitreden und Weitererzählen

© Hofbienerie Anette Hollenbach

 

Hofbienerie Anette Hollenbach

www.hofbienerie.de

 

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