Barbara Maier

Autorin

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Der Wolf ist zurück

Fluch oder Segen?
12. April 2019

Kaum ein Tier löst so ambivalente Gefühle in uns aus wie der Wolf. Einerseits faszinieren uns seine Wildheit, sein Stolz, seine Stärke und seine „Gefährlichkeit“. Doch andererseits löst gerade diese angebliche Gefährlichkeit bei vielen von uns uralte tiefsitzende Ängste aus.

Viele haben „Wolfsblut“ von Jack London gelesen, in dem ein Rudel Wölfe während einer langen Hungersnot drei Männer und ihre Schlittenhunde im eisigen Winter Nordamerikas verfolgen, um an Nahrung zu kommen.

Durch solche Geschichten und viele Mythen wurde die Angst vor dem Wolf bei vielen Menschen genährt. Auch im Kindermärchen „Rotkäppchen“ wird der Wolf als böse dargestellt. Dass er am Ende der Geschichte aufgrund seiner eigenen Dummheit stirbt, tut seinem Ruf als „wilde Bestie“ kaum Abbruch.

Und nun, viele Jahrzehnte, nachdem der Wolf bei uns ausgerottet war und wir endlich in Frieden leben konnten, sollen wir mit diesem gefährlichen Wildtier wieder „Tür an Tür“ leben. Geht das denn – und wenn ja, wollen wir das überhaupt?


Der Wolf

Der Wolf war einmal das am weitesten verbreitete Säugetier der Welt. Bis zur Jungsteinzeit war fast die gesamte Nordhalbkugel von Wölfen  besiedelt. Durch Ausrottung verschwand der Wolf dann aus vielen Teilen Europas völlig. Um 1850 verloren sich die letzten Hinweise auf ein in Brandenburg lebendes Rudel. Erst Ende der Neunziger Jahre sind ein paar Wölfe aus Polen abgewandert um sich dann im Jahr 2000, nachdem sie bereits 10 Jahre bundesweit unter Schutz gestellt waren, auf einem Truppenübungsplatz an der Lausitz wieder anzusiedeln.

Inzwischen leben deutschlandweit 73 Wolfsrudel, 30 Paare und einige territoriale Einzelziere. Ein beachtlicher Anstieg der Population, nachdem erst vor knapp 18 Jahren die ersten Wolfswelpen in Freiheit geboren wurden. In Schleswig-Holstein sind bisher nur Wölfe bekannt, die sich zeitweise hier aufhalten, jedoch nicht resident sind.

Soziales Familientier

Grundsätzlich ist der Wolf ein soziales Rudeltier und meidet den Menschen. Er lebt in Familienverbänden, die den unseren sehr ähnlich sind. Ein durchschnittliches Wolfsrudel besteht in der Regel aus acht bis vierzehn Tieren. Zum Einem dem Vater (Rüde) und der Mutter (Fähe), die in einer monogamen Partnerschaft, meist ein Leben lang, zusammenleben. Dazu kommen die Kinder der Eltern, die nach nur zweimonatiger Tragezeit zur Welt kommen. Ein Wurf besteht meistens aus sechs bis acht Welpen. Die Kleinen bleiben ein bis zwei Jahre in ihrem Rudel und helfen bei der Aufzucht nachfolgender Geschwister mit. Grundsätzlich achten die Elterntiere streng darauf, dass kein fremder Wolf ihr Territorium betritt. Wenn die älteren Kinder dann bereit sind, eine eigene Familie zu gründen, verlassen sie das „Elternhaus“ und machen sich auf die Suche nach einem Partner und einem eigenen Territorium, welches die Größe von rund 200 Quadratkilometern haben wird, um ihr eigenes Rudel zu gründen.

Tür an Tür mit Isegrimm

Da der Wolf äußerst anpassungsfähig ist, hat er sich inzwischen auch an die mitteleuropäischen „Naturlandschaften“ angepasst. Rückzugsräume oder Wildnisgebiete benötigt er nur, um der Verfolgung durch den Menschen zu entgehen. Ein gutes Beispiel für eine friedliche Koexistenz, in der Mensch und Wolf friedlich nebeneinander leben, zeigt sich in Italien, wo die Wölfe angeblich bis in die Vororte Roms kommen sollen.

Eine Reportage auf Arte aus dem Jahre 2015 zeigte, dass es möglich scheint, mit dem Wolf zu leben. Es wurde am Beispiel des italienischen Schafbauern Fulvio Benedetto, der mit seiner großen Herde westlich von Turin lebt, gezeigt, wie es mit Elektrozäunen, Herdenschutzhunden und einer permanenten Überwachung durch den Schäfer oder seinen Gehilfen, gelingen kann, mit und neben den Wölfen zu leben.

Italienische Schäfer sagen, dass der Wolf eben nur eine weitere Wildtierart wäre, mit der sie den Lebensraum teilen. Sie gehen ganz entspannt wandern, Fahrrad fahren oder sonstigen Freizeitaktivitäten in der Natur nach. Wichtig wäre eben, dass niemand hingeht und die Wölfe anfüttert, verhätschelt oder versucht zu streicheln.

In Italien beträgt die Entschädigung pro Schaf 150 Euro. Dies ist sicherlich ein Grund mehr, dass die Schäfer in Italien ihre Herden wesentlich intensiver überwachen, als ihre Nachbarn in Frankreich. Bekommen diese doch eine Entschädigungssumme von 500 Euro für ein gerissenes Schaf. Die Franzosen müssen wegen ihrer größeren Nachlässigkeit beim Schutz ihrer Schafe, so die Vermutung, deshalb auch wesentlich höhere Verluste durch den Wolf hinnehmen als ihre italienischen Nachbarn.

Jäger oder Gejagter

Der Wolf ernährt sich von den Gewinnern der landwirtschaftlichen Monokulturen, den Rehen, Hirschen und Wildschweinen, die über 90% seiner Beute ausmachen. Dadurch, dass er überwiegend die kranken oder schwachen Tiere erlegt und nur die Gesunden und Starken überleben, sorgt er für eine natürliche Auslese. Schafe machen laut Angaben des Naturschutzverbandes NABU nur 1% der Beute aus.

Der Geschäftsführer des NABU Schleswig-Holstein, Ingo Ludwichowski, ist der Meinung, dass auch jetzt, obwohl der Wolf zurückgekehrt ist, sich der Wildbestand nicht verringert hätte. Die Reproduktionsdichte wäre nicht gesunken, und würde auch, wenn die Wolfspopulation weiter steigt,  genug Nahrung für die Wölfe hervorbringen.

Da Rehe, Hirsche und Wildschweine seit dem der Wolf bei uns ausgestorben war, keine natürlichen Feinde mehr hatten und sich dementsprechend rasant vermehrten, haben bisher Jäger für den Ausgleich gesorgt. Allein in Schleswig-Holstein gibt es zurzeit mehr als 22.000 Jäger und Jägerinnen.

Die wenigsten von ihnen brechen in Begeisterungsstürme über die Rückkehr des Wolfes aus. Wird ihnen doch inzwischen ein Teil des Wildes vor der Nase weggefressen.

Auch hat die Geschichte, besonders zur Zeit Karl des Großen gezeigt, dass das Zusammentreffen von Jägern, Bauern und Wölfen nicht harmonisch geprägt war und damit geendet hat, dass Karl regelrechte Hetzjagden veranstalten ließ, um den Wolf zu vernichten. 

Schafzüchter

Ein Schafzüchter, der morgens zu seinen Tieren auf die Weide kommt und ein gerissenes Schaf vorfindet, wird erstmal seinem verlorenen Tier nachtrauern. Von der Arbeit und dem Aufwand, die er für seine Schafzucht leistet und die für das gerissene Schaf nun umsonst war, ganz zu Schweigen. Zumal man mit Schafzucht heutzutage in unseren Breiten nicht viel verdienen kann. Schafzucht ist meist mehr Leidenschaft als Broterwerb.

Inzwischen ist selbst für Wolfsbefürworter nachvollziehbar, dass man einen „Problemwolf“, also einen Wolf, der über Zäune und Elektrolitzen springt, um sich immer wieder von Schaffleisch zu ernähren, nicht gewähren lassen kann.

Es wird allerdings auch als erwiesen angesehen, dass ein Wolf, der über die Schutzzäune von Weiden springt, eine Ausnahme ist. Auch hat die Erfahrung gezeigt, dass Schafe, die gut geschützt durch Elektrozäune oder Herdenschutzhunde auf der Weide stehen, von Wölfen gemieden werden.

Ist der Umgang mit dem Wolf also nur eine Frage des Managements?

Mit einer entsprechenden Politik, Unterstützung der Landwirte von Bund und Ländern, damit Schafherden mit Zäunen von mindestens 100 Zentimetern, Elektrolitzen oder durch Herdenschutzhunde gut geschützt werden können, sowie realistische Entschädigungen, wäre sicherlich vieles möglich.

Hobbyhalter mit wenigen Tieren, für die sich so ein Aufwand nicht lohnen würde, hätten die Möglichkeit, ihre Tiere nachts in den Stall zu bringen, damit sie nicht wie auf dem Präsentierteller vor der Nase des Wolfes auf ihrer Wiese stehen. Denn natürlich geht auch ein Wolf lieber den bequemeren Weg der Nahrungsbeschaffung.

Fazit

Steht der Mensch nun vor der Wahl, die hierzulande lebenden Wölfe ein zweites Mal auszurotten, oder wie bei unseren italienischen Nachbarn, Wege zu finden, die ein unaufgeregtes Nebeneinander möglich werden lassen. Es bleibt offen, wie die Menschen im Allgemeinen sowie die Politik im Besonderen mit dem alten wie neuen Nachbarn Wolf in Zukunft umgehen werden. Die Diskussion hat gerade erst begonnen. Wie „wild“ darf es in unseren von Menschen geprägten Naturräumen noch zugehen.

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