Weich gebettet auf blauem, edlem Stoff liegen diese Eier wie Juwelen, in Szene gesetzt wie wertvolle Schmuckstücke. Schön sind sie anzusehen diese Eier der See- und Küstenvögel in der Ausstellung im Dr.-Carl-Häberlin-Friesenmuseum in Wyk auf Föhr. Nur beinahe identisch die Form, aber offensichtliche Vielfalt in Farbe und besonders in der Musterung einzelner Stücke. Wie das Ei der Lachmöwe, einst fester Bestandteil auf dem Speiseplan der Insulaner; creme in der Grundfarbe, die eckig wirkenden Flecken braun und karamell, hell- und dunkelgrau. Draußen ist das eine perfekte Tarnung, im Schaukasten ausgeleuchtet ein echter Blickfang. Man bleibt stehen und staunt. Makellos weiß und eines der größten Eier dieser Ausstellung ist das des Storches, vom Spot in Szene gesetzt strahlt es auf dem blauen Stoff. Unikate jedes einzelne, wahre Wunderwerke allesamt. 

© NTS

Brandgänse brüten mit Vorliebe in alten Kaninchenbauten. „Ihre Eier haben die Inselbewohner früher gern gegessen“, sagt Jutta Kollbaum-Weber, Leiterin des Dr.-Carl-Häberlin-Friesen-Museums in Wyk auf Föhr, „bis ins Jahr 1940 gab es auf Föhr aber keine Kaninchen. Also gruben die Inselbewohner künstliche Höhlen, um die Brandgänse zum Brüten zu bewegen und so wusste man auch, wo die Eier zu finden waren.“ Es wurden Holzkästen eingegraben, durch einen Eingang kamen die Vögel in dieses Nest. Durch eine Klappe am hinteren Ende gelangte der Sammler an die Eier, er holte sie mit einem speziellen Eierlöffel aus dem Gelege. 

Nach einem ungeschriebenen Gesetz gehörte die Bruthöhle nur dem, der sie angelegt hatte, „…also dem Betreuer, wenn man so sagen möchten, meist war es ein älterer Junge aus dem nächsten Dorf“, so Jutta Kollbaum-Weber. Es gab sogar mehr als nur Eier zu holen: Sobald die Küken das Nest verlassen hatten, konnte man die weichen Daunen, die im Nest verblieben waren, für Kissenfüllungen entnehmen. An die Eier der Brandgans im natürlichen Gelegen eines Kaninchenbaus zu gelangen, die Ausstellung im Friesenmuseum zeigt´s, war so einfach nicht: Hierzu brauchten die Leute einen Löffel an einem langen Stiel. Auf Amrum war das ein bis zu vier Meter langer Stock mit einer löffelartigen Drahtschlaufe am Ende. Dieses Werkzeug war, wenn man wie auf Amrum Bambus zum Bau verwendete, sogar biegsam und konnte durch die gewundenen Gänge der Kaninchenbauten bewegt werden. 

„Die Eier von Möwen, Seeschwalben, Kiebitz, Wildenten und anderen Vögeln bereicherten früher den oft kargen Speiseplan der Inselbevölkerung“, berichtet Jutta Kollbaum-Weber, „Eiersammeln durfte jeder, es gab aber ungeschriebene, überlieferte Regeln: So ging man nicht an anderer Leute Nester oder in die Gebiete des Nachbardorfes. Und um die Bestände nicht zu gefährden, holte man die Einer je nach Vogelart nur bis spätestens Mitte Juni aus den Nestern. So blieb noch Zeit für ein zweites Gelege.“        

„Einer von den Kumpels hat immer aufgepasst, und wir hatten ja auch ständig einen Stock dabei!“ Sagt Jes Arfsten aus Midlum / Föhr. Er erinnert sich, wie sie als Jungs in den 1960er-Jahren zum Eiersammeln in die Marsch oder das Vorland gingen. „Überwiegend waren es Eier von der Lachmöwe, die haben wir gegessen und verkauft, das war normal damals und erlaubt“, sagt Jes Arfsten, Jahrgang ´56. Ganz einfach war das Eiersammeln indes nicht, die Vögel verteidigten natürlich ihr Gelege; „…die Möwen haben uns regelrecht angegriffen und an den Kopf gepickt, deshalb hatten wir immer einen Stock dabei, um die Vögel abzuwehren.“  

  Lachmöwen brüten in Kolonien seeseitig vom Deich, im unübersichtlichen Vorland und manchmal weit draußen auf den Sand- oder Kiesbänken. „Deren Brutplätze haben wir schon oben vom Deich gesehen, zumindest die ungefähre Richtung“, berichtet Jes Arfsten, „die flogen dort zu hunderten, zu tausenden. Da mussten wir nur noch hingehen und die Eier einsammeln.“ Mit einem Stock natürlich, und mit einem Eimer. „Lachmöweneier haben wir so ungefähr jeden zweiten Tag gesammelt. Wir haben immer ein Ei aus dem Gelege angeschlagen, um zu sehen, ob es schon angebrütet war. Es kamen pro Tour jeweils gut hundert Eier zusammen.“ 

Anders als mit den Lachmöwen verhielt es sich mit Herings-, Silber- oder Mantelmöwe: „Die Großmöwen mussten wir beobachten und genau gucken, wo sie sich niederlassen. Dort war ihr Nest“, erinnert sich Jes Arfsten und berichtet weiter; „… einer von den Jungs blieb immer auf dem Deich und hat die Möwen weiter beobachtet, uns durch die Wiesen gelotst, der hat uns dann eingewiesen.“ 

Gesammelt wurde bis zu einem gewissen Zeitpunkt; „…die Vögel haben ja immer wieder nachgelegt. Irgendwann Mitte Mai hat Opa dann gesagt: Jetzt ist Schluss. Die Vögel brauchen Nachwuchs, dann wurde es Zeit, sie in Ruhe brüten zu lassen“, erzählt Jes Arfsten oben auf dem Deich und blickt über das weite Vorland. Von seinem Großvater hat Jes Arfsten gelernt, wo und wie´s geht mit dem Eiersammeln in der Marsch und im Vorland, was man essen kann; im Frühjahr haben Vogeleier den Speiseplan der Bauernfamilie ergänzt. Den Überschuss verkauften die Kinder.

Eiersammeln war wichtiges Zubrot 

Jes Arfsten und seine Kumpel waren vermutlich wohl die letzte Generation auf der Insel, die sich ihr Taschengeld im Frühjahr, Saison war von Mitte April bis Mitte Mai, auf diese Weise aufgebessert haben. Dann kamen Naturschutzgedanken und Umweltschutzmaßnahmen. Man begann, ökologisch sensible Gebiete, solche, die wichtig für das Brut- und Rastgeschäft sind, zu schützen; irgendwann war selbst das Betreten des Vorlandes tabu, das Sammeln von Eiern sowieso. Die, vom Huhn, gabs dann schließlich auch günstiger und einfacher im Supermarkt zu kaufen. 

© Sylt Museum

„Wir haben die Eier dann zu Fischhändlern nach Wyk gebracht“, berichtet Jes Arfsten, „für ein Lachmöwenei haben wir 25 Pfennige bekommen, für ein Ei von den Großmöwen kriegten wir sogar 50 Pfennige.“ Vogeleier wurden gehandelt, verkauft und verwendet wie Hühnereier auch, sie lagen damals regulär im Schaufenster. „Möweneier haben richtig gut geschmeckt“, erinnert sich Jes Arfsten, „ein bisschen kräftiger, und fettiger vielleicht, als Hühnereier. Aber lecker. Und wenn Du dir zwei Eier von einer Silbermöwe in die Pfanne gehauen hast, dann warst du satt.“ 

„Eiersammeln war früher für manche Küstenbewohner ein wichtiges Zubrot“, berichtet Rainer Schulz von der Schutzstation Wattenmeer, „… um 1900 nahm es allerdings solche Ausmaße an, dass die Bestände vieler Möwen oder Seeschwalben gefährdet waren. Daher wurde das Sammeln immer weiter eingeschränkt. Seit 1990 ist es auch wegen hoher Schadstoffgehalte der Eier ganz verboten.“ 

Viele See- und Küstenvögel brüten am Boden, die Gelege sind somit vielen Gefahren ausgesetzt: Zum Beispiel Überschwemmung und ahnungslose Spaziergänger, die drauftreten. Es gibt auch Tiere, die gern Eier fressen: Füchse und Ratten, Krähen oder Möwen und viele mehr. „Deshalb sind Vogeleier perfekt getarnt, um sie vor Feinden zu schützen. Und der Spaziergänger sieht sie deshalb erst recht nicht“, sagt Schulz, „die Eier unterscheiden sich natürlich in der Größe nach der jeweiligen Art, aber auch in Farbe und Musterung, um sie in ihrer jeweiligen Umgebung optisch verschwinden zu lassen.“ Meist sind sie braun, oder heller, beige wie der Sand am Strand, in den sie gelegt werden oder gesprenkelt, damit sie im Gras der Dünen oder Salzwiesen schwer zu erkennen sind. Manche Enten und Gänse decken ihre Eier mit Daunen zu; andere Eier sind grünlich oder bläulich, gefleckt oder gemustert. 

Vogeleier an der Nordseeküste gibt es in Größen von der eines Fingernagels (wie bei der Feldlerche) bis hin zu großen und schweren wie denen der Gänse. Auch Storcheneier haben eine veritable Größe, ebenso die von Eiderente, Löffler, Kormoran oder Mittelsäger. „Generell kann man feststellen, dass Eier von Nestflüchtern im Verhältnis zum Elterntier größer sind“, erklärt Rainer Schulz, „die Vögel sind zum Zeitpunkt des Schlupfes schon weit entwickelt, sie beginnen quasi sofort mit dem eigenen Leben.“ Er berichtet vom Seeregenpfeifer-Weibchen, das drei Eier in vier Tagen legt, jedes mit einem Gewicht von rund zehn Gramm. Der Elternvogel wiegt dabei nur 45 Gramm. „Singvögel, wie die Feldlerche, sind Nesthocker – und die Eier vergleichsweise klein. Die Küken sind beim Schlupf kaum lebensfähig und verlassen das Nest erst nach etwa zwei Wochen. Dafür ist das Nest dieser Vögel besonders gut versteckt; es ist aus Gräsern kunstvoll geflochten und wird auch in den oberen Bereichen der Salzwiesen angelegt.“        

Eierkönig 

Vogeleier bereicherten indes nicht nur den Speiseplan der Insel- und Küstenbevölkerung, sie waren auch ein wirtschaftlicher Faktor. Die Gelege von Möwen und Brandgänsen auf dem Sylter Listland brachten einen jährlichen Ertrag von bis zu 70.000 Eier, die überwiegend auf das Festland verkauft wurden. „Das waren richtige Werte, die Vogelkolonien wurden vom Besitzer oder Landesherrn verpachtet, Wächter wurden bestellt“, berichtet Rainer Schulz. Das Ei einer Großmöwe kostete mitunter mehr als das Doppelte eines Hühnereis, es lockte auch Diebe an. 

© Sylt Museum

So wählten die Sylter einen „Eierkönig“, der nicht nur das Sammeln und Abrechnen verantwortete, sondern vor allem hatte sich der „Eierkönig“ um den Schutz und notfalls die Verteidigung dieser wertvollen Bestände zu kümmern. Ein Bild des Malers C.P. Hansen zeigt eine kleine Hütte mit tiefgezogenem Reetdach inmitten der kargen Dünenlandschaft auf dem Sylter Ellenbogen – dort wohnte der „Eierkönig“ und bewachte die Gegend. „Zu große Nachfrage etwa aus Hamburg führte aber dazu, dass zu viele Eier gesammelt wurden und die Vogelbestände stark zurückgingen. Erst mit Vogelschutzgebieten konnten sich die Arten wieder erholen“, so Rainer Schulz.         

Interessantes und Wissenswertes, so Rainer Schulz, erfahre der Gast auf den vogelkundlichen Exkursionen im Frühjahr und zeitigen Sommer. Eier gibt es zur Brutzeit an der Küste fast überall – so legen beispielsweise Austernfischer, Seeschwalben oder Regenpfeifer ihre Eier einfach in eine Kuhle im Sand, Rotschenkel oder Feldlerche zum Beispiel hingegen verstecken sie im hohen Gras. Unterwegs mit den jungen Leuten aus dem Freiwilligen-Dienst lernt man auch über Schutz und Bedrohung der Bodenbrüter, und wie man sich richtig verhält – zum Beispiel Hunde immer anleinen (es gibt am Strand und in den Salzwiesen kaum einen Bereich, wo im Frühjahr nicht gebrütet oder aufgezogen wird) und vermeintlich verlassene Gelege nicht anfassen (liegt nur ein Ei drin, kann das erst der Anfang des Brutgeschäfts sein). Graugänse beginnen in der Regel ihre Brut schon Mitte März, im April kommen etwa Rotschenkel und Lachmöwen hinzu, im Mai legen auch Seeschwalben ihre Eier.

Eier-Erlebnistipps: 

Zu den Ostertagen dreht sich auch an der Nordsee Schleswig-Holstein natürlich alles um die Eier. 

Osterveranstaltungen

Die Schutzstation Wattenmeer bietet an vielen Orten, beispielsweise in St. Peter-Ording, am Beltringharder Koog oder in Hörnum auf Sylt vogelkundliche Führungen an:

Termine: 

nordseetourismus.de 

schutzstation-wattenmeer.de

Bestimmungshilfe für Eier im Flutsaum

Termine für vogelkundliche Exkursionen

Die Nationalpark Verwaltung Schleswig-Holstein bietet zum Beispiel vogelkundliche Exkursionen mit einem Ranger an. Zum Beispiel „Vom großen Eierlegen“ am Ostersonntag auf der Hamburger Hallig.

Weitere Erlebnistipps rund um Vögel: 

Anbieter von Vogelbeobachtungtouren, Ringelganstage sowie Westküsten-Vogelkiek

Besuch der Vogelkoje auf Amrum: 

Einen kleinen Spaziergang wert ist auch die Vogelkoje Meeram. Sie diente bis in die 1930er Jahre als Entenfanganlage und ist heute ein Naturparadies für Gänse, Enten, Damwild und viele Wildkaninchen. Um die Koje führt ein Naturlehrpfad vorbei am Kojenteich, durch Moorlandschaft und entlang der Dünen. 

Ein beliebtes Ausflugsziel auf Sylt ist Vogelkoje in Kampen mit einem Naturerlebnispfad.

© CHristoph Schultchen

Erlebnismuseen: 

Die Sylter Museen für Heimatkunde und Kultur.

Das Dr. Carl Häberlin Friesen-Museum auf Föhr.