Gabriele Haefs

Autorin

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Früher gab es noch Flussmuscheln

Norwegen kulinarisch
4. September 2022

Norwegische Flussmuscheln haben eine ganz besondere Geschichte. Unsere Autorin Gabriele Haefs, Ritterin des Königlichen Norwegischen Olavsordens, erzählt sie.

© Dieter-Klinkowski/ Pixabay

Die Flussmuschel, die es nicht nur in Norwegen gibt, heißt auch Perlmuschel, auf Deutsch wie auf Norwegisch. Es gibt diese Muschelart überall in Nordeuropa, oder genauer gesagt, es gab sie. In vielen Gegenden sind sie ausgerottet worden, in Norwegen wurden sie deshalb unter Artenschutz gestellt, und zwar durch einen königlichen Erlass vom 13. 5. 2011. Und dass der König diese Muscheln unter Schutz stellt, ist nur gut und richtig. Der zweite Name, „Perlmuschel“, sagt es ja schon – in diesen Muscheln bilden sich Perlen, die viele Jahrhunderte lang hochbegehrt waren. Wenn wir uns eingebildet haben, dass die kostbaren Perlengeschmeide der Königinnen aus irgendwelchen exotischen Ländern stammten und von Tauchern unter Lebensgefahr aus tiefem Wasser geholt wurden, so sind wir einem Mythos auf den Leim gegangen. Der europäische Hochadel schmückte sich mit den Perlen aus norwegischen Flussmuscheln. Und zwar schon seit dem Mittelalter.

Perlmuscheln leben in Flüssen mit starker Strömung und leicht kalkhaltigem Wasser, man sollte also denken, dass daran in Norwegen kein Mangel besteht. Aber der Adel war prunksüchtig, und 1733 versuchte die dänisch-norwegische Königin Sophie Magdalene, eine geborene Hohenzollern-Prinzessin von Brandenburg-Kulmbach, das Sammeln von Flussmuscheln zu verbieten (das gilt übrigens als erster norwegischer Versuch zum Artenschutz). Da aber ihre Adelsgenossen das anders sahen, wurden die Muschelvorkommen weiter ausgebeutet. König Harald kann, als der den Schutzbrief für die armen Muscheln unterzeichnete, norwegische Flussperlen auf Bildern seiner Großmutter, Königin Maud, gesehen haben. Und auf Bildern seiner Ururgroßmutter, Queen Victoria, und zurück bis zu Heinrich VIII, der zwar kein Vorfahr war, aber kostbaren Schmuck über alles liebte. Erst die Entwicklung von Zuchtperlen seit etwa 1920 machte die norwegische Muscheljagd unrentabel – dass die Flussmuscheln heute als überaus stark gefährdete Art gelten, liegt ganz einfach an der Umweltverschmutzung.

Gabriele Haefs: 111 Gründe, Norwegen zu lieben. Eine Liebeserklärung an das schönste Land der Welt. 308 Seiten, TB, Schwarzkopf & Schwarzkopf, 12,99 Euro.