Strandkorb für Anfänger

Eine Gebrauchsanleitung
15. August 2020

Ein Beitrag von Moritz Holfelder

Über die Faszination, die ein Strandkorb auf nahezu jeden Menschen ausübt, muss man nicht viele Worte verlieren. Meist stehen wir dieser mobilen Behausung in Badehose gegenüber, und da es dort, wo die Strandkörbe beheimatet sind, an den Nord- und Ostseeküsten, heftig und noch dazu kühl bläst, sind wir gewaltig froh, einen Schutz gegen Wind und Wetter gefunden zu haben. Und wo sonst kann man trotz Einkesselung durch Urlaubermassen das Gefühl genießen, allein zu sein: eben – in den Strandkorb verkriechen! Eigentlich muß man nur einen Grundsatz beachten: Den Strandkorb vom Wind weg und möglichst der Sonne entgegendrehen. Und dann diesen Grundsatz gleich wieder fallenlassen, denn was ist bei Wind aus Richtung des Sonnenstandes? Das richtige Korb-Feeling ist ein höchst unwägbares und individuelles Phänomen. Auf alle Fälle ist die Benutzung dieser Strandlaube weit ungefährlicher als das Sitzen etwa auf einer Hollywoodschaukel. Auf alle Fälle ist die Benutzung dieser Strandlaube weit ungefährlicher als das Sitzen etwa auf einer Hollywoodschaukel. Das Wichtigste ist, vor allem an einem gutbesuchten Strand, den richtigen Strandkorb zu finden, denjenigen, den man ja in aller Regel zuvor für eine bestimmte Zeit (Stunden, Tage, Wochen) gemietet hat. Achtung: Wer den falschen Strandkorb besetzt, wird den massiven Zorn des eigentlichen Strandkorbbenutzers auf sich ziehen. Strandkorb-Besetzer werden in Deutschland geächtet. Touristen aller Schichten: Solidarisiert euch in der Verteidigung eures liebsten Urlaubsziels! Hier also ein paar Ratschläge zum richtigen Gebrauch: Eine aufgemalte oder aufgesprayte Nummer seitlich oder auch hinten macht den jeweiligen Strandkorb zu einem individuellen. So können wir ihn eindeutig als den unsrigen oder einen fremden erkennen.

Foto: Husum Verlag

Strandkorb ABC

Nun berühren Sie ihn einmal. Ja, fassen Sie ihn an. Halten Sie ihn in der Hand: Hingewiesen sei auf die zwei Henkel bzw. Tragegriffe, die rechts und links angebracht sind, um den Strandkorb anzuheben und zu bewegen. Achtung: Der heutzutage übliche Zweisitzer ist zu breit, als dass eine einzige Person den Strandkorb umfassen und ihn alleine tragen könnte. Außerdem ist er zu schwer. Der ausgewachsene Strandkorb wiegt etwa 80 Kilo, er ist 1 Meter 20 breit, 85 Zentimeter tief und 1 Meter 60 hoch. Ist er erst einmal zu Wind und Sonne in Position gebracht, kann als nächstes das Holzgitter entfernt werden, mit dem der Strandkorb an der Vorderseite gerne verschlossen wird, um über Nacht die Badesachen dalassen zu können oder um ungebetene Gäste auszusperren. Meist fehlt an dem Gitter allerdings das entsprechende Hängeschloss, da es in der rausalzigen Seeluft sowieso in kürzester Zeit verrotten würde. „Wenn nötig, können hinter dem Holzgitter auch ungezogene Kinder aufbewahrt werden“, empfahl ein Hersteller in den dreißiger Jahren einmal. Ist das Gitter also entfernt und sind die Kinder befreit, sollte man sich als Strandkorb-Frischling alleine (ohne Kinder!) diesem Freizeit-Sitzmöbel nähern, um alle Möglichkeiten, die es dem neuen Be-Sitzer bietet, ausführlich und in Ruhe zu erforschen. Verlockend ist natürlich sofort das seitliche, kleine Klapptischchen, das, an einem Drahtbügel hängend, dank einer ausgefrästen Nut in die Waagerechte gebracht werden kann, um sodann als Abstellfläche für Getränke, Sonnenölflaschen und anderes zu dienen. Aber dieses zugegebenermaßen liebevolle und unschätzbare Detail lenkt die Aufmerksamkeit nur vom Wesentlichen ab. Wichtiger ist es allemal, den Strandkorb, je nach Person, angemessen zu justieren. Denn das gesamte Rückteil, das sich schließlich zum Dach des Strandkorbes wölbt (Fachbegriff: die Haube; oder auch: das Verdeck), kann in seinem Neigungswinkel verstellt werden. Insgesamt fünf Positionen sind in der Regel möglich, bisweilen auch die stufenlose Verstellung. Individuell muß also ein Koeffizient aus Windrichtung, gewünschter Sonneneinstrahlung, Abschottung gegenüber Nachbarstrandkörben und favorisierter Ruheposition (Sitzen oder Liegen?) gebildet werden, um die ideale Einstellung zu finden. Nun erst können die beiden seitlichen, auf Metallschienen laufenden Sperrhaken aus ihrer Einrastbohrung gelöst werden. Die Rückwand des Strandkorbes läßt sich jetzt frei nach hinten bewegen (Hinweis: Eine Sperre gegen rücksichts- oder absichtsloses Überkippen ist eingebaut!), bis die Sperrhaken erneut einrasten (Achtung: Finger nicht einklemmen!), sagen wir in der Liegeposition. Wer jetzt von der Sonne geblendet wird, hat die Möglichkeit, die kleine Stoff-Markise an der Vorderseite des Daches aufzuklappen und damit das eigene Wohlbefinden wesentlich zu steigern. Fehlt nur ein Podest, auf welches man die Füße legen könnte. Doch auch hier verwöhnt uns der Strandkorb, verwöhnt uns gewissermaßen mit seinen Innereien. Denn unter der Sitzfläche versteckt ruhen zwei Fußaufliege-Polster (auch: Fußrasten), die, nachdem man einen kleinen Holzriegel beiseitegeschoben hat, an Metallschienen stufenlos hervorgezogen (um nicht zu sagen: hervorgezaubert) werden können. Voilà – auch die Füße ruhen nun bequem in der Horizontalen. Zwischenbemerkung: Bei aufrechteren Lagen (etwa: halb Sitzen, halb Liegen) gibt ein nach oben überstehendes Abschlussbrett an den Fußaufliege-Polstern den Füßen den nötigen Halt. Hier können Sie die Beine abstützen und den Körper so vor dem langsamen Abrutschen bewahren. Zurück in die Horizontale: Man blickt nach oben in das Dach des Strandkorbes. Dort sollte eine Schnur querverspannt sein, die zur Aufnahme von Handtüchern oder Textilien dienen kann.

Foto: Husum Verlag

Extravagante Extra

Je nach Strandkorbmodell verlangen weitere Extras unsere Aufmerksamkeit: Seitliche Armlehnen; eingenähte Seitentaschen für Uhr, Sonnenbrille, Transistor oder Zeitung; Haken für Kleider; abschließbares Schubfach für Wertsachen. Beachtung verdient natürlich auch die Innengestaltung des Strandkorbes, sprich: das Design. Durchaus üblich ist heutzutage plastifiziertes Material in bunten Sommerfarben, das mit kleinen Metallklammern befestigt (neudeutsch: getackert) wird, natürlich langlebig, abwaschbar und wetterfest. Selten, aber durchaus etwas für Individualisten: Die fotorealistische Plastikfolie mit Abbildungen von Muscheln, Fischen und anderem Unterwasser-Getier. Man sitzt wie im Aquarium. Für Freunde des Tauchsports der gewisse Kitzel, der durch das Anlegen einer Tauchmaske und durch Schnorchel-Atmung noch erhöht werden kann. Dieser Strandkorb „Modell Abyss“ wird zum virtuellen Abenteuer- und Erlebnisort. Warnung: Eventuell mitgeführte Harpunen bitte nicht abfeuern. Ein Tiefenrausch im Strandkorb kann allerdings mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden. Wie alle Sitzmöbel richten sich natürlich auch Strandkörbe nach den üblichen Bevölkerungs-Durchschnittsmaßen. Wer also zwischen 1,60 Meter und 1,80 Meter groß ist, dürfte beim Sitzen und Liegen kaum Probleme haben. Größere Menschen hingegen hocken gefühlsmäßig vielleicht zu tief, oder auch zu hoch, je nach individuellem Empfinden. Lange Beine können außerdem unangenehm über die ausgezogenen Fußaufliege-Polster hinausstehen. Hier hilft nur findiges Experimentieren: Manchen Menschen oberhalb der Normgröße hilft es, wenn sie sich auf ein zusammengelegtes Handtuch setzen, ihre Sitzposition künstlich erhöhen. Andere schaufeln einen Sandhaufen vor den Strandkorb, verlängern so gewissermaßen die Fußaufliege-Polster, um zusätzlichen Platz für die Extremitäten zu schaffen. Kurzum: Alles ist erlaubt und nur eine Frage der Kreativität. Sehr kleinen Menschen, die in bestimmten, halb-aufrechten Liegepositionen auf der glatten Plastikbespannung immer wieder und nervend unaufhaltsam nach unten rutschen, weil ihre Füße keinen Halt finden, eben nicht bis an das überstehende Abschlussbrett der Fußrasten reichen, sei empfohlen, einmal zu probieren, sich quer in den Strandkorb zu setzen bzw. zu legen. Oft ist dies eine ganz wunderbare Stellung, um die sie dann von großen Menschen durchaus beneidet werden. Möglicher Wermutstropfen: Bisweilen seitlich angebrachte Armlehnen drücken im Rücken. Tipp: Ein zu einem Kissen gerollter Bademantel hilft, solche Ausbuchtungen zu kaschieren. Ein abschließendes Wort zum gemeinsamen Be-Sitzen (also: zu zweit!) eines Strandkorbes: Da mag es zu Konflikten kommen, vor allem bei unterschiedlich großen Menschen. Auch zwei sehr füllige Strand-Urlauber könnten Stellungs- und Platzprobleme haben. Hier empfiehlt sich auf alle Fälle und zur Sicherheit die Mitnahme eines großen Handtuchs, einer Luftmatratze oder eines klappbaren Liegestuhles für eventuelle Ausquartierungen. Allerletzte Bemerkung: Keine Panik, sollte es einmal anfangen zu regnen. Strandkörbe sind gegen von oben kommendes Wasser in der Regel dicht und eignen sich durchaus zum Aussitzen eines längeren Schauers. Viel Spaß. Und nie vergessen: Auch im Strandkorb – Eltern haften für ihre Kinder!

 

Moritz Holfelder: Das Buch vom Strandkorb.

Husum Verlag, 2. Auflage 2011, 168 Seiten, zahlreiche Abbildungen, gebunden, Euro 12,95.

 

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