Gisela Reiners

Journalistin

Zum Portrait

Edel und gut

Christoph Rüffer: 2-Sterne-Koch glänzt im altehrwürdigem Haerlin
30. September 2019

Die Küche im „Haerlin“, des Gourmet-Restaurants im „Vier Jahreszeiten“, ist so schön, dass man darin wohnen möchte. Die Wände sehen aus wie getäfelt mit den Brettern alter Weinkisten, das Licht ist hell, aber angenehm, die Geräusche sind gedämpft. Im Raum daneben hängt ein Hirsch im grünen Walde als Bildschirm an der Wand, Wände sehen aus wie tapeziert und rustikale Leuchter tragen bunte Stoffschirmchen. Richtig gemütlich. Das war nicht immer so. Seit 2002 hier der damals 29-jährige Christoph Rüffer als Küchenchef anfing, hat sich eine Menge geändert. Zeit für eine kleine Rückschau nach gut 15 Jahren.

Rueffer Restaurant von innen
Salon des Restaurants Haerlin. © Guido Leifheim


Von Sylt nach Hamburg

Er kam von Sylt, aus dem „Fährhaus“ in Munkmarsch, wo er einen Stern im Michelin erkocht hatte, und war ernüchtert. Die Stufen in die Küche im Untergeschoss waren ausgetreten, die kalkweißen Industriekacheln hatten teilweise Risse. An der Decke hing eine grelle Neonröhre – und ein einsames Stromkabel, an das ein Handmixer angeschlossen werden konnte. „Es gab keine Abtrennung zur Bankettküche, da wuselten die Kollegen. Es war unglaublich laut und heiß, weil es noch keine Induktionsherde gab.“ Dennoch galt es einen Stern zu verteidigen, den Hans-Peter Engels nach 12 Jahren Sehnsucht endlich bekommen hatte.

„Da stand ich mit meinem Messerköfferchen. Es war Juni und im November kam der nächste Michelin raus. Der Druck war groß.“ Aber dem jungen Schlaks aus Essen, ausgestattet mit der bodenständigen Gelassenheit des Ruhrgebiets, gelang es mit Feingefühl und Fantasie die Tester zu überzeugen. Schließlich war er zuvor durch die Schule von Claus-Peter Lumpp und und Harald Wohlfahrt gegangen. Der Stern leuchtete weiter, die Küche entwickelte sich, Rüffer wurde „Koch des Jahres“, gewann den Großen Gourmet-Preis mehrfach und schaffte es, 2012 dem ersten noch einen zweiten Stern hinzuzufügen.

Manche Stammgäste reisen nur an, wenn sie auch bei ihm essen können, sonst ändern sie ihre Pläne. Die Gästeschar kommt etwa zur Hälfte aus Hamburg, etwa 20 Prozent aus dem Ausland. Das Restaurant, benannt nach dem Gründer des Hotels Fritz Haerlin, gehört zu festen Adressen von Gourmets. „Das Publikum ist heute zwischen 20 und 80 Jahre alt“, sagt Rüffer. „Da kommen junge Leute, die mal was probieren oder ihrer Angebeteten einen Antrag machen möchten. Andere feiern ihre runden Geburtstage mit Freunden und Familie. Als ich kam, war das Durchschnittsalter deutlich höher.“

Damals hingen noch große Gobelins an den Wänden, vier Fayence-Putten, die die Jahreszeiten darstellten, dominierten das Restaurant. Schwere Portieren umrahmten die Fenster – und in einer Ecke saß der Klavierspieler. „Der spielte von genau 19 bis 23 Uhr. Dann hörte er auf, egal wie die Stimmung im Raum war, ob die Gäste vielleicht noch Wünsche an ihn hatten, ob viele oder wenige da waren – um 23 Uhr war Schluss. Die Gäste fühlten sich dann irgendwie rausgeschmissen. Der Abend schien beendet worden zu sein. Also haben wir irgendwann darauf verzichtet.“

Koch Christoph Rüffer
Christoph Rüffer im Portrait, @ Guido Leifhelm


Neue Küche, neuer Geist

Inzwischen ist das Restaurant völlig neu eingerichtet, die Beleuchtung rieselt an gläsernen Steinchen von der Decke, die Gobelins verschwanden, machten einer Wandbespannung und modernen Schwarz-Weiß-Fotografien Platz. Der ungeliebte Tisch genau gegenüber der Eingangstür wurde eliminiert. Die Putten bekamen einen Eckplatz ebenso wie der große Klimaschrank voller Weinflaschen, der so wunderbar üppig und großzügig wirkt.

Und dann kam die Küche dran. Verschwunden sind die rissigen Kacheln, wurden ersetzt durch die schicken Fake-Kistenbretter, die sich als echte Fliesen entpuppen. Das Licht der Hängelampen ist präzise, aber rosig, Induktionsherde senken die Raumtemperatur, Arbeitsplatten sind so hoch, dass den Köchen beim Schneiden nicht die Arme lahm werden. Am Pass, dem Tresen unter Wärmelampen, können Teller angerichtet werden, ohne dass Rücken und Nacken zu sehr gebeugt werden müssen. „Das ist schon sehr hilfreich“, sagt Rüffer. Überall gibt es Steckdosen für Zusatzgeräte und an manchen Ecken eine kleine Extrawanne für die Probierlöffel, die sonst klappernd in irgendwelche Edelstahlcontainer geschmissen wurden. Die Wand zur Bankettküche wurde geschlossen, der Geräuschpegel sank deutlich.

Rüffers liebste Errungenschaft seiner 15 Jahre ist der „Chef’s Table“, ein verglaster Nebenraum, in dem Gäste unter einem Kristallleuchter und umgeben von allerlei grünen Kräutertöpfchen von ihren Barstühlen aus vollen Blick auf die Küche haben. Sie verfolgen, wie ihr Gericht auf den Teller kommt und können mit den Köchen reden. „Ist immer ausgebucht“, sagt der Küchenchef. „Macht aber auch richtig Spaß. Früher wäre nie ein Gast in die Küche gekommen, außer zur Küchenparty einmal im Jahr.“


Heute wird leichter gekocht

Dass ein Koch 15 Jahre seiner Küche treu bleibt ist eher selten. Und natürlich hat sich auch das Kochen verändert. „Als ich kam, gab es Silvester traditionell Karpfen Blau. Das will heute kein Mensch.“ Es gibt auch keine ewigen Klassiker mehr. Früher kam es schon mal zur Krise, wenn ein Koch es wagte für den wohl bekannten Stammgast keine Seezunge auf die Karte zu setzen. Zur Feier seines Jubiläums hat Rüffer einen Überblick seiner Arbeit aus 15 Jahren gegeben. Er servierte fünfmal drei kleine Gerichte, zusammen gestellt aus den verschiedenen Jahren. Es begann mit einem Gänseleber-Törtchen mit Süßweinschaum und Apfel-Rotwein-Kompott. „Das gab es mit Brioche und Baumkuchen. So was wäre heute viel zu schwer. Wir nehmen lieber Champignons in Artischockensud dazu.“

„Am Anfang haben wir viel mit Terrinen gearbeitet. Es wurde geschichtet, eingewickelt und mit Farce gefüllt. Dazu brauchte es Sahne und Butter. Das hat sich geändert. Heute wird leichter gekocht, das Produkt mehr in den Vordergrund gerückt, mehr saisonal – eine Schaumsuppe von gerösteten Maronen zum Beispiel im Winter – und auch regional gekocht. Das ist möglich, weil es inzwischen auch in Deutschland und im Norden hervorragende Produkte gibt. Mein Geflügel kommt aus Schleswig-Holstein, meine Kräuter ganz aus der Nähe.“ 2010 stand ein Holunderblütensorbet mit Erdbeer-Champagnersüppchen als Dessert auf der Karte. „Die Blüten pflücke ich immer selbst.“ Aber wenn ein außerordentlicher Thunfisch angeliefert wird, kann er vor Begeisterung über Farbe, Duft und Textur geradezu ausflippen.

Auch privat hat sich in 15 Jahren einiges bei Christoph Rüffer geändert. Die Ehe zerbrach, den beiden Töchtern, 12 und 15, blieb er liebevoll verbunden. Eine neue Partnerin fand er über Parship – „nicht in 11 Minuten, wie es in der Werbung heißt, aber in 20“ – sagt er und grinst. Die IT-Fachfrau ist sehr sportlich, hat es bei Meisterschaften im koreanischen Kampfsport Taekwondo weit nach oben gebracht. Rüffer gluckst: „Als wir neulich auf dem Kiez unterwegs waren, habe ich mich sehr sicher gefühlt.“ Die Neue an seiner Seite muss aber mit dem alten Problem aller Köche leben: Zu wenig Zeit.

Hotellobby
@ Guido Leifhelm

Fairmont Hotel Vier Jahreszeiten

Restaurant Haerlin
Neuer Jungfernstieg 9 – 14
20354 Hamburg
Tel. 040 / 34 94 33 10
www.restaurant-haerlin.de

Offen:
Dienstag – Samstag: 18.30 – 21.30 Uhr